Buntes Treiben. Gerstäcker Friedrich

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Buntes Treiben - Gerstäcker Friedrich

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      Gesammelte Schriften

      von

      Friedrich Gerstäcker.

      Zweite Serie.

      Sechzehnter Band.

      Volks- und Familien-Ausgabe.

      Buntes Treiben

      Jena,

      Hermann Costenoble.

      Ausgabe letzter Hand, ungekürzt, mit den Seitenzahlen der Vorlage

      Gefördert durch die Richard-Borek-Stiftung und Stiftung Braunschweigischer Kuilturbesitz

      Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V. und Edition Corsar, Braunschweig, 2020

      Herausgegeben von Thomas Ostwald nach der von Friedrich Gerstäcker

      eingerichteten Textausgabe für H. Costenoble

      Geschäftsstelle: Am Uhlenbusch 17, 38108 Braunschweig

      Alle Rechte vorbehalten! © 2016 / © 2020

      Im Mondenschein.

      Keine Idylle.

      Hoch oben im -Gebirge, und von dessen mächtiger Waldung nach allen Seiten hin umgeben, lag ein kleines, ärmliches Dorf, Holzhäusel genannt, dessen Bewohner eigentlich nur von dem lebten, was sie sich mit der Bearbeitung und Ausnutzung des Forstes verdienten.

      Man sagt mit Recht: „Es ist ein armes Land, wo blos Quirle wachsen"; die Quirlmacher spielten auch hier eine bedeutende Rolle; dann gab es noch „Harzer", Kohlenbrenner und Löffelschneider. Auch Schindeln wurden gespalten, und Klafterholz bildete einen Hauptausfuhrartikel, besonders im Winter, mit Schneeschlitten den Berg hinab. Freilich verdienten die armen Leute mit alledem doch immer nur das Notdürftigste, was sie gerade zum Leben brauchten - und Gott weiß es, wie wenig das war; aber sie lebten doch und hatten dabei ihre Heimath so lieb, als ob sie in einem Paradiese und in allem Ueberfluß gelegen hätte.

      Uebrigens gehörte das Dorf noch nicht einmal zu den kleinsten im Walde, denn es besaß seine eigene Kirche und sogar ein königliches Gebäude - das Chausseehaus nämlich, das an der vorbeiführenden Straße stand; auch lagen einige Felder darum her, und einzelne der Bewohner, die Honoratioren, trieben ein wenig Ackerbau. Was konnten sie freilich in einem Klima ziehen, wo die Kartoffel eigentlich schon zu den tropischen Früchten zählte und der Hafer oft aus dem /2/ Schnee heraus geschnitten werden mußte - so früh setzte manchmal der Winter ein. Aber der Versuch wurde immer wieder gemacht, und zu Zeiten gelang es ihnen doch, ihre mit sauerm Schweiß erbauten Früchte einzuheimsen.

      Trotz aller Armuth gab es aber in Holzhäusel eine wahre Unzahl von kleinen Kindern, wie wir es denn gar häufig finden, daß gerade in den dürftigsten Districten die Zucht des kleinen Volkes am allerbesten zu gedeihen scheint. Im sächsischen Erzgebirge z. B., wo die armen Klöpplerfamilien kaum das Salz zu ihren Kartoffeln verdienen, sieht fast jedes Haus wie eine Schule aus, und Holzhäusel stand darin wenigstens dem Erzgebirge nicht nach. An schönen Sommerabendcn tummelten sich oft ganze Schwärme blondhaariger und barfüßiger Jungen und Mädchen auf ihrem Spielplatz unter der alten Buche umher, die mit wunderlich verschnittenem Wipfel vor der kleinen hölzernen Kirche stand, und das war dann ein Lachen und Jubeln, daß man sein eigen Wort kaum hören konnte. Was wußte das kleine Volk auch von Kummer oder Sorgen, wenn es nur nicht gerade hungern mußte!

      Natürlich war es unter solchen Umständen nothwendig geworden, einen Schulmeister zu gewinnen, denn der Herr Pastor behielt mit all' den vielen Taufen kaum Zeit genug, um seine wöchentlichen Predigten auszuarbeiten. Die Holzhäusler konnten ihm freilich nicht viel bieten, aber was braucht auch ein Dorfschulmeister viel, der schon von Jugend auf zu Hunger und Kummer ordentlich trainirt wird und - wenn er nur recht viel zu arbeiten und recht vielen Aerger hat - außerordentlich wenig zu seinem eigentlichen Leben bedarf oder wenigstens bekommt!

      Es war deshalb lange nicht so schwer, einen passenden Mann für diese ärmliche Stelle zu bekommen, als man vielleicht hätte glauben sollen, und doch wurde von ihm verlangt, daß er nicht allein Dorfschulmeister - nein sogar Dorfschulmeister in Holzhäusel werden sollte, und dazu außer den nöthigen Kenntnissen auch noch Geduld und Ausdauer wie einen hinlänglich zähen Körper mitbringen mußte, um seiner Stellung zu genügen. Es giebt freilich in unserem gesegneten Vaterlande eine Menge solcher armer Teufel, denen der Brod- /3/korb noch höher hängt, als selbst Holzhäusel über dem Meeresspiegel lag, und Andreas Pech war Einer von diesen Unglücklichen.

      Andreas hatte sogar Theologie studirt, aber in seinem letzten Semester eine doppelte Dummheit begangen: sich nämlich erstens in ein wohl braves, aber blutarmes Mädchen verliebt, und dann auch noch einen rohen Burschen, der sie beleidigte, gefordert. Er zahlte ihn allerdings tüchtig aus, bekam aber selber bei der Sache eine tiefe Schramme über die ganze Backe weg, die ihn für zeitlebens zeichnete und dadurch auch seine spätere Carrière als Geistlicher vollständig unmöglich machte. Wie hätte man einen Geistlichen gebrauchen können, der schon einmal bewiesen, daß er persönlichen Muth besaß - es war nicht denkbar, und das Einzige, was unserem armen Andreas, der nicht Geld genug hatte, um umzusatteln, übrig blieb, war, eine Hauslehrerstelle anzunehmen - aber die Liebe!

      Andreas Pech war ein ehrlicher Kerl. Er hatte seinem Mädchen versprochen, sie zu heirathen, und er that es; trug er doch dabei das Ideal von „einer Hütte und ihr Herz" herum, und wußte, eben so wenig wie seine junge Frau, wie nüchtern und prosaisch sich gewöhnlich das Leben mit in diese, ohnehin so kleine Hütte hinein setzt.

      Seine Hauslehrerstelle mußte er natürlich aufgeben, denn die verschiedenen Rittergutsbesitzer konnten sich nicht in den Gedanken eines verheiratheten Informators hineinfinden, und nachdem er eine Weile Hunger und Kummer ertragen, blieb ihm nichts Anderes übrig, als um eine Schulmeisterstelle nachzusuchen.

      Diese erhielt er auch und verwaltete sie viele Jahre brav und redlich, aber er verfiel dabei in einen sehr großen Fehler. Er wollte nämlich nicht blos die ihm aufgegebenen Stunden abhalten, sondern auch selbstständig denken und urtheilen, und das konnte auf die Länge der Zeit kein gut thun.

      Wenn er an die Verbesserung des Schullehrerstandes als einzelnes Individuum dachte, so wäre das weiter kein großes Vergehen gewesen, und es stand ihm dafür der gesetzliche Weg offen, seine eigene Stellung zu verbessern: nämlich eine Eingabe an das Ministerium zu machen. Diese würde ihm aller-/4/dings, wie Niemand leugnete, gar nichts genützt haben, aber er hätte sich denn doch in der Erfüllung seiner Pflicht vollständig beruhigen können. - Das that er jedoch nicht. Er besuchte im Gegentheil Lehrerversammlungen und hielt von dem gerade herrschenden Ministerium verpönte Zeitungen - ja er hatte sogar einmal in einer solchen Versammlung eine Rede gehalten und sich darin ausgesprochen, daß der Stand der Lehrer ein eben so achtbarer sei als der der Theologen - und damit war dem Fasse der Boden ausgetreten.

      Zuerst kam eine Verwarnung, dann, als diese nichts half, eine Vorladung vor das hohe Consistorium mit einem tüchtigen Rüffel und der Behauptung, daß er „am Umsturz des Bestehenden" arbeite und ein Wühler sei. Als er aber sogar noch die Kühnheit hatte, dieses Verhör in einem jener Schulblätter zu beschreiben, und sich selber zu vertheidigen, erhielt er plötzlich ein Schreiben, das ihn „mit halbem Gehalt" zur Disposition stellte.

      Ein Schulmeister mit halbem Gehalt - es liegt eigentlich Humor in dem Gedanken und klingt etwa gerade so, als wenn Jemand erzählt, er habe einem Infusionsthier ein Bein ausgerissen. Die Sache hatte aber doch auch eine furchtbar ernste Seite, und Andreas Pech fand bald, daß er nichts weiter auf der Welt besaß, als, wonach er sich früher so heiß gesehnt - nämlich: eine Hütte

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