Klinik der Geister. Norman Dark
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Norman Dark
Klinik der Geister
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
Es geht geisterhaft zu, jeder Augenblick des Lebens will uns etwas sagen, aber wir wollen diese Geisterstimme nicht hören. Wir fürchten uns, wenn wir allein und still sind, daß uns etwas in das Ohr geraunt werde, und so hassen wir die Stille und betäuben uns durch Geselligkeit.
Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)
Vorwort
Dieser Roman ist während der Corona-Pandemie entstanden, doch dieses Thema fließt nicht in die Handlung ein. Ein Mystery-Roman sollte meiner Meinung nach nur so viel Realität beinhalten wie unbedingt notwendig, denn gerade das Surreale macht ihn so spannend. Einigen Lesern wird meine Entscheidung nicht gefallen, aber man kann es nicht jedem recht machen. Dennoch hoffe ich, dass wir alle die Krise mehr oder minder heil überstehen und bald wieder „normale“ Verhältnisse einkehren werden. Besonders was die Kleinkunstszene betrifft, die es besonders hart getroffen hat. In diesem Sinne: Bleiben Sie bitte gesund!
Norman Dark
im Oktober 2020
Der Klinikflur lag verlassen da. Um diese Uhrzeit schliefen alle. Kimberlee Dearing die zum Nachtdienst eingeteilt war, bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Nein, nicht schon wieder, dachte sie. Ich halte das nicht aus. Aber alles Leugnen half nichts. Es war wieder passiert, das spürte sie ganz genau. Und wieder war sie ganz allein auf der Station.
>>Hallo<<, rief sie leise, aber natürlich kam wieder keine Antwort. >>So zeigen Sie sich doch. Sprechen Sie mit mir, wenn Sie Hilfe brauchen.<<
Keine Antwort. Es war deutlich kühler im Raum geworden, und es klang, als würden Wassertropfen zu Boden fallen. Kimberlee fröstelte und zog ihre Strickjacke bis unter das Kinn. Dann sah sie die Frau den Gang entlang kommen. Ihr ganzer Körper, die langen, dunklen Haare und die Kleidung waren vollkommen durchnässt. Sie lief vornübergebeugt, als trüge sie eine schwere Last auf dem Rücken. Das heißt, von Laufen konnte eigentlich keine Rede sein, es war mehr ein Schleichen oder Schweben. Trotzdem hinterließen ihre Füße feuchte Abdrücke auf dem Boden, und wenn sie kurz innehielt, bildeten sich sofort kleine Wasserlachen.
Das Schlimmste aber waren ihre toten Augen. Kimberlee wusste nur zu gut, wie gebrochene Augen bei Toten aussahen. Ein Anblick, an den sie sich nie gewöhnen würde.
Als die unheimliche Fremde um die Ecke im Gang verschwand, nahm Kimberlee ihre ganze Kraft zusammen und ihren ganzen Mut, um der Gestalt zu folgen. Sie ahnte bereits, welches Zimmer die Frau ansteuern würde. Eines, das schon längst nicht mehr an Patienten vergeben wurde, weil es dort so unheimlich zuging, dass es ständig Ärger gegeben hatte. Stattdessen nutzte man es jetzt als Lagerraum für alles Mögliche.
Als Kimberlee die Tür aufstieß und das Licht einschaltete, war sie nicht sonderlich überrascht, dort niemanden vorzufinden. So war es immer gewesen. Es schien, als hätte sich die Gestalt in Luft aufgelöst oder in Dampf verflüchtigt. Einzig die feuchten Fußspuren waren geblieben. Doch die endeten mitten im Raum.
Kimberlee seufzte und holte aus der Putzkammer Eimer und Wischmop. Hoffentlich sieht mich jetzt keiner, dachte sie. Gerade, wo der Putzdienst eben durch ist. Dann begann sie die Pfützen auf dem Gang und im Zimmer aufzuwischen. Dabei fiel ihr ständig eine ihrer langen, blonden Locken ins Gesicht. Doch das war ihr geringstes Problem, denn erneut drehte sich ihr der Magen um, weil das Wasser nach fauligem Fisch und Verwesung roch. Ein Gestank, dem man nur mit einer gehörigen Portion Desinfektionsmittel beikommen konnte, dachte sie und seufzte erneut.
1. Kapitel
Am nächsten Morgen traf die Frühschicht ein. Der stets gute Laune verbreitende Pfleger Jax Martin, sein deutlich muffeligerer Kollege Chase Carter sowie zwei Krankenschwestern – die immer ein wenig schnippische Dakota Archer und die liebenswürdige Brooke Nolan, mit der Kimberlee sogar privat befreundet war.
>>Du siehst ja schrecklich aus, Honey<<, begrüßte sie Brooke. >>Hattest du eine unruhige Nacht?<<
>>Das kann man wohl sagen. Sie war wieder da.<<
>>Wer?<<
>>Die Wasserleiche. Ich habe sie so deutlich gesehen wie dich jetzt. Und sie ist wieder in dem bewussten Zimmer verschwunden.<<
>>Kann es nicht sein, dass du kurzzeitig eingenickt bist, Darling?<<, fragte Dakota mit süffisantem Lächeln.
>>Nein, das kann nicht sein. Ich schlafe nicht im Dienst, damit du Bescheid weißt.<<
>>Komisch, dass nur du sie siehst und sonst niemand.<<
>>Auf dieses Vorrecht würde ich gern verzichten.<<
>>Komm, lass dich nicht ärgern. Wir trinken in der Kaffeeküche zusammen einen Kaffee, bevor du dich auf den Heimweg machst.<<