Spuk im Stadtschloss. Marie Grünberg

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Spuk im Stadtschloss - Marie Grünberg

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      Marie Grünberg

      Spuk im Stadtschloss

      Eine kurze Geschichte

      Dieses ebook wurde erstellt bei

       Verlagslogo

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1. Geisterstunde

       2. Die Jagd beginnt

       3. Bunte Röcke und Geister

       4. Die Geisterfrau

       5. Lucinda und Lucinda

       6. Wolle und ihre Verwendung

       7. Lucindas Botschaft

       8. Flucht

       9. Ein unerwartetes Schicksal

       Impressum neobooks

      1. Geisterstunde

      Meine Schritte hallten dumpf von den kalten Mauern der schmalen Gasse wieder, durch die ich gerade ging. Die Häuser standen dicht an dicht gedrängt nebeneinander, als suchten sie bei ihren Nachbarn Schutz vor dem schlechten Wetter. Der Himmel über mir, nur als schmaler Streifen zwischen den Giebeln zu erkennen, war ebenso schwarz und dunkel, wie die Gasse. Weder eine Laterne beleuchtete den Weg, noch fiel aus einem der vielen kleinen Fenster Licht in die Gasse.

      Als ich aus der Gasse auf die Straße trat, traf mich der Wind mit voller Wucht, der am Himmel die dunklen Regenwolken vor sich her trieb. Im Licht der wenigen Straßenlampen schimmerte die Straße noch feucht. Es hatte erst vor kurzem aufgehört zu regnen, was meine nassen Haare und Schultern bewiesen, und vor mir flog eine weiße Plastiktüte in kleinen Kreisen durch die Luft. Obwohl es noch nicht sehr spät in der Nacht war, schien die Straße ausgestorben. Nur in einigen Fenstern brannte Licht, die meisten Häuser lagen dunkel da und wirkten wie verlassene Kokons, aus denen jegliches Leben gewichen war.

      Der Herbstwind ließ die Wolkendecke über mir aufreißen und hindurch schien der silbern glänzende Vollmond, der die unheimliche Stimmung nur noch verstärkte. Hätte ich an Geister geglaubt, dies wäre die richtige Nacht gewesen, um einem von ihnen zu begegnen. Doch obwohl ich nicht an Geister, Gespenster oder sonstige Spukgeschichten glaubte, trugen mich meine Füße von ganz allein zum alten Stadtschloss. Es stand mitten in der Stadt auf einem kleinen Hügel, umgeben von einem Park, in dem der künstliche Wasserfall bereits für den Winter abgestellt war. Neben dem Schloss stand der Gerichtsturm, ein weithin gut sichtbares Merkmal unserer Stadt, an dessen Spitze der Vollmond wie auf einer Gabel aufgespießt zu sein schien. Daneben standen noch einige neuere Gebäude, die das Gericht beherbergten, das auch in einem Teil des alten Stadtschlosses untergebracht war.

      Das Schloss war bereits mehr als 500 Jahre alt und hatte eine wechselvolle Geschichte erlebt. Während der Jahrhunderte war es dreimal in Stadtbränden abgebrannt und hinterher wieder aufgebaut worden, es hatte als Stadtresidenz eines Fürsten gedient, war Sommerhaus einer Prinzessin gewesen, hatte im Krieg als Lazarett und schließlich bis vor zwanzig Jahren als Gefängnis herhalten müssen.

      Doch egal wer darin gewohnt hatte oder was darin untergebracht gewesen war, es gab einen Teil des Hauses, den man niemals bewohnt hatte, und in dem auch heute keine Büros untergebracht waren. Im Nordflügel des Stadtschlosses sollte es spuken, so erzählte man es sich jedenfalls schon seit Generationen in der Stadt. Die ersten Berichte über Geistererscheinungen und Spuk hatte es angeblich schon vor 500 Jahren gegeben, aber durch die Stadtbrände waren nicht viele dieser alten Aufzeichnungen erhalten geblieben.

      Ich schaute vom Fußweg aus durch den Park auf das jetzige Gerichtsgebäude. Alle Fenster waren geschlossen und dunkel, die Mitarbeiter längst alle nach Hause gegangen.

      Mir lief die Nase, wie so oft bei dem herbstlichen Wetter und ich suchte in meinen Taschen ein Taschentuch. Doch alles was ich fand war eine große Kugel aus zerknülltem Papier, die in meiner rechten Jackentasche gesteckt hatte.

      Da war er, der Grund dafür, dass ich so viel über unser Stadtschloss wusste, obwohl ich mich nie dafür interessiert hatte. Und dafür, dass mich meine Beine wie von selbst hierher getragen hatten. Fest in meine Faust gedrückt zog ich die Papierkugel langsam aus der Tasche hervor. Inzwischen hatte ich die Blätter schon so oft zerknüllt und wieder geglättet, dass die Schrift an vielen Stellen nicht mehr zu lesen war. Aber das tat nichts zur Sache. Zumindest den Inhalt des Briefes kannte ich längst auswendig.

      „Sehr geehrter Herr ..., wir freuen uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie zu den ausgewählten Personen gehören, die unsere diesjährige Geisterjagd im Stadtschloss von ... als Experten begleiten werden. Beiliegend finden Sie alle Informationen und Daten, die Ihnen eine bestmögliche Vorbereitung auf dieses Abenteuer erlauben. Bitte finden Sie sich zum angegebenen Zeitpunkt mit ihrer vollständigen Ausrüstung am vereinbarten Treffpunkt ein. Hochachtungsvoll, Ihr ..., Vorsitzender der Gilde der Geisterjäger von ...“

      Experten? Mir war schon klar, um wen oder was es sich dabei handeln würde. Irgendwelche undurchsichtigen Medien, die behaupteten mit Geistern zu sprechen; der typische Geisterjäger, wie man ihn aus Filmen kannte; das kleine Kind, das Geister sehen konnte; ein Wissenschaftler, der überirdische Aktivitäten messen wollte, zusammen mit seinem unvermeidlichen Assistenten; natürlich zwei oder drei Betreuer der Gilde und, um dem Ganzen wenigstens den Anschein von Objektivität oder Neutralität zu geben, jemand, der absolut nicht an Geister, Gespenster, Spuk oder irgendetwas in dieser Art glaubte. Dieser Jemand sollte ich sein. Wer und warum mir diese Ehre zuteilwerden ließ, war mir allerdings nicht klar. Mit der Gilde und ihren Ansichten hatte ich nie viel am Hut gehabt, auch wenn es schwierig war ihr im täglichen Leben aus dem Weg zu gehen.

      Da sich diese Frage aber auch nicht dadurch klären ließ, dass ich nachts allein vor dem Schloss stand, ging ich nun wirklich nach Hause, ohne mich noch einmal umzudrehen. Am nächsten Tag sollte die Jagd beginnen und ich wollte dieses sogenannte Abenteuer wenigstens ausgeschlafen hinter mich bringen.

      Als ich am nächsten Nachmittag auf dem Vorplatz des Stadtschlosses ankam, traute ich meinen Augen kaum. Mir wurde klar, dass sich in dem ganzen Informationsmaterial, das ich nur grob überflogen hatte, gewisse Fakten verborgen hatten, die zu wissen mich vor einem Schock bewahrt hätten. Der ganze Platz war voller Menschen: Familien mit vielen Kindern, Reporter, Neugierige, Fans. Die meisten von ihnen mit Kameras, Aufnahmegeräten und Büchern zum Signieren ausgestattet. Es gab Stände, an denen Essen und kalte Getränke angeboten wurden, Geschicklichkeitsspiele für Kinder und Erwachsene und dazwischen konnte ich tatsächlich

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