Lady Hamilton. Alexandre Dumas
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»Nein,« antwortete ich. »Ich wüßte wirklich nichts. Sie sind ja jung, schön, reich und werden geliebt.« – »Findest du mich wirklich schön, oder sagst du dies wie die andern, bloß um mir ein Kompliment zu machen?« fuhr sie fort, indem sie sich vor einen Spiegel stellte und ihr Gesicht dem meinigen näherte, wie um die beiden Gattungen unserer Schönheit zu vergleichen. – »Ja, Sie sind schön! sehr schön!« rief ich mit dem Ausdruck der vollkommensten Aufrichtigkeit. – »Wohlan,« sagte sie, »ich bedauere, daß ich anstatt einer schönen, sehr schönen Frau nicht ein schöner, sehr schöner Mann bin, denn wenn ich ein Mann wäre, so schwöre ich, daß ich um deinetwillen alle Torheiten der Welt begehen würde. Ha,« setzte sie hinzu, »ich fange damit schon an, selbst ohne Mann zu sein, denn ich vergesse mich, indem ich mit dir plaudere, und den Prinzen warten lasse.« Sie küßte mich auf die Stirn und klingelte der Zofe. »Nun,« sagte sie, »sind meine Kleider noch nicht bereit? Der Schneider hatte dieselben doch bis um drei Uhr nachmittags zu liefern versprochen.« – »Die Kleider sind schon seit einer halben Stunde da, Mylady,« antwortete die Zofe. – »Nun, dann bringt sie mir.« – Die Zofe verließ das Zimmer und kam einige Augenblicke darauf mit einem vollständigen eleganten Herrenanzug zurück. – »Wie!« rief ich, »Sie wollen sich als Mann kleiden?« – »Ja; es ist ein Einfall des Prinzen. Wir wollen mit einigen seiner Freunde acht Tage auf dem Lande zubringen, auf die Jagd gehen und was weiß ich sonst noch alles vornehmen. Er sagte gestern zu mir: »Sie wissen nicht, was Sie machen sollen, Arabella? Sie sollen sich als Mann kleiden!« Ich ließ sogleich meinen Schneider rufen und bestellte bei ihm einen vollständigen Männeranzug, den er heute um drei Uhr abzuliefern hätte. Er versprach es mir und, wie du siehst, hat er Wort gehalten. »Nun,« fuhr Miß Arabella, sich nach der Zofe herumdrehend fort, »was wollt Ihr noch, liebe Norton?«
»Ich erwarte Ihre Befehle, um Sie ankleiden zu helfen, Mylady.« – »Dies wird Emma tun,« entgegnete Miß Arabella. »Nicht wahr, liebe Kleine, diesen Dienst wirst du mir leisten?« – »Ohne Zweifel.« – »Nun, dann geht, liebe Norton, und laßt die Postpferde kommen, damit ich in einer halben Stunde abreisen kann.« – Die Zofe entfernte sich. Arabella musterte nun, einen nach dem andern, die verschiedenen Bestandteile ihres Anzugs. Alles war höchst geschmackvoll gearbeitet und darauf berechnet, die körperlichen Vorzüge der Person, welche diese Kleider tragen sollte, hervorzuheben. Der Rock war von dunkelgrünem Sammet mit goldenen Knopflöchern, die Weste von weißer Seide mit bunter Blumenstickerei; das Beinkleid von himmelblauem Sammet und die von seinem, seidenweichem Leder gefertigten Stiefel ließen, obschon sie bis über die Knie hinausragten, die Form des Beines erraten und zeigten den reizendsten kleinen Fuß, den man sehen konnte.
Arabella schien durch die Beaugenscheinigung aller dieser Gegenstände vollkommen zufriedengestellt zu werden. »Glaubst du,« sagte sie zu mir, »daß ich mich darin leidlich ausnehmen werde?« – »O, Sie werden ganz bezaubernd darin sein,« antwortete ich. – »Schmeichlerin!« entgegnete sie, indem sie ihren Hausrock auszog. »Komm, hilf mir ein wenig.« Mit diesen Worten nahm sie aus einem Schubfach ihrer Toilette ein Batisthemd mit einem Busenstreifen von prachtvollen englischen Spitzen und dergleichen Manschetten und gab es mir, um es ihr überwerfen zu helfen. Ihr Haar war bereits nach Männerart frisiert und stand wunderbar zu ihrem schönen Gesicht, dessen Ausdruck, wie sich nicht leugnen ließ, mehr der des Stolzes und der Dreistigkeit als der der Bescheidenheit war.
Sie legte dann vollends ihre Frauenkleider ab. An plastischer Schönheit hätte sie, wenn auch nicht mit den antiken Statuen, wohl aber mit denen des Mittelalters wetteifern können, die in bezug auf üppige Anmut unbestreitbar über ersteren stehen. Sie war nicht die Venus des Praxiteles oder die Victoria des Phidias; jedenfalls aber eine der Grazien von Germain Pilon.
Einige Augenblicke lang betrachtete ich mit Bewunderung diese Vollkommenheit der Formen, welche im Altertum zur Anbetung begeistert haben würde. »Nun,« sagte Arabella, »woran denkst du, kleine Zerstreute?« –, »Ich sehe Sie an, Mylady, und sage mir im stillen, daß der Prinz sehr glücklich ist.«
Sie lächelte, zuckte in bezaubernder Weise die Achseln und bückte sich, damit ich ihr das Hemd überwerfen könnte. Wie seltsam ist doch die Natur des Weibes! Ihr höchster Genuß liegt im Stolz und die süßesten Liebkosungen sind für sie die der Schmeichelei. Was war ich für Miß Arabella! Ein wenig mehr als ein Kammermädchen; gleichwohl war es augenscheinlich, daß sie meine Komplimente mit ebensoviel Begierde suchte wie die des Prinzen. Die sämtlichen anderen Verrichtungen ihrer Toilette folgten mit derselben Langsamkeit und derselben Koketterie. Ohne Zweifel war es jetzt nicht das erstemal, daß die launenhafte Schöne Männerkleider anlegte.
Als wir die Toilette beendet hatten, war die Metamorphose vollständig und man hätte darauf schwören mögen, daß man einen jungen Gentleman von sechzehn bis höchstens achtzehn Jahren vor sich hätte, während sie als Weib fünfundzwanzig zu zählen schien, ja aller Wahrscheinlichkeit nach dieses Alter und somit die erste Blüte des Lebens bereits überschritten hatte. In dem Augenblick, wo sie, indem sie mir über meine Ungeschicklichkeit in bezug auf ihr Halstuch Vorwürfe machte, dasselbe mit einer Schnelligkeit und Gewandtheit, welche große Übung verriet, um ihren Hals geschlungen und damit ihre männliche Toilette vervollständigt hatte, trat Mistreß Norton wieder ein und meldete, daß die Postpferde da seien und daß der Wagen warte. Miß Arabella warf einen letzten Blick auf sich selbst und dann auf mich. Es war augenscheinlich, daß in ihr ein eigentümlicher Kampf stattfand, von welchem ich mir keine Rechenschaft geben konnte.
Dann neigte sie sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Du weißt wohl nicht, was ich denke?« – »Nein,« antwortete ich mit der vollkommensten Aufrichtigkeit. – »Ich denke, daß ich lieber Mann sein und dich in diesem Wagen entführen, als Weib sein und hineinsteigen möchte, selbst wenn es geschieht, um einer Einladung des Erben der Krone von England zu folgen.« Dann ergriff sie eine kleine Reitgerte, deren Griff mit einem prachtvollen Smaragd geschmückt war. »Leb' wohl,« sagte sie; »ich werde so bald wie möglich wiederkommen. Mittlerweile lasse ich dich hier als Herrin des Hauses zurück.« Und mit diesen Worten entfernte sie sich rasch, indem sie sich mit ihrer Reitgerte auf den Stiefel schlug und ihre Sporen auf dem Getäfel des Fußbodens klirren ließ. Das Fenster ging auf die Straße. Ich eilte an dasselbe, um sie noch einmal zu sehen. Leichtfertig sprang sie in die mit vier Pferden bespannte Kalesche, lichtete den Kopf empor, sah mein an der Fensterscheibe klebendes Gesicht, drückte die Hand an die Lippen und streckte sie dann nach mir aus. Die Postillone knallten mit ihren Peitschen, und der Wagen rollte im Galopp davon. Nun war ich allein in diesem lauen, von