Kirche halb und halb. Cristina Fabry

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Kirche halb und halb - Cristina Fabry

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      Sie schaffte ein Dutzend, dann wurd‘ sie gefasst

      Der Richter Erbarmungslos sprach seinen Bann:

      „Eine Frau, die derartig Männer hasst,

      gehört jawohl lebenslang in den Knast;

      und es braucht ein Gesetz zum Schutz für den Mann.“

      Nazarener

      Es war ein mulmiges Gefühl, mit dem sie die Kirche heute betrat. Zum ersten Mal wieder ein richtiger Präsenz-Gottesdienst. Zum ersten Mal nach dem Tag. Nicht dem Tag, an dem die Sonne am Himmel steht, nein nach dem Tag, dem unverwechselbaren Zeichen eines Graffity-Künstlers – oder Graffity-Dilettanten oder Dilettantin. Nur dies war ja eigentlich kein Tag gewesen sondern ein Symbol der Vogelfreiheit. Hier sind Nazarener, Juden oder Christen, kann man abschlachten.

      Niemand vermutete einen drohenden Anschlag. Viel zu ungenau und hastig hingemalt das Zeichen. Da hatte ein Teenager, der mal so richtig provozieren wollte, die Hosen voll. Einer der irgendwo etwas aufgeschnappt hatte und auch mal einer von den ganz bösen Jungs sein wollte. Denn vor den bösen Jungs hatten alle Angst. Die bösen Jungs wurden weder übersehen noch ausgelacht, auch nicht verbal oder mit Fäusten zusammengefaltet. Die Bösen Jungs waren die, die zusammenfalteten, über alles hinweg gingen und am Ende am lautesten lachten. Eigentlich war die neonfarbene Schmiererei nichts als ein Aufschrei der Ohnmacht. Aber das schlechte Gefühl blieb.

      Es kribbelte im Nacken. Lag das am lang vermissten Hallelujah? Sie konnte den Gedanken nicht mehr zu Ende denken. Plötzlich war alles auf einmal: laut, hell, heiß, drückend, reißend und dann nichts mehr.

      Kerim zuckte zusammen. Es piepte in seinen Ohren, alle Geräusche außerhalb seines Kopfes nahm er wie durch Watte wahr. Ein rauchender Trümmerhaufen, da wo er mehrere Sommer abends auf den Stufen gesessen und mit seinen Kumpels schachtelweise Kippen weggeraucht hatte. Wo er vor ein paar Wochen, etwas an die Wand gemalt hatte. Nur so zum Spaß. Weil die ihn nervten, die komischen Leute da, die immer so nett taten, ihn aber in Wirklichkeit nirgends dabei haben wollten. So etwas spürte man.

      Kerim aber, hätte lieber dazu gehört, statt sie jetzt brennen zu sehen. Er hatte nichts getan. Nur ein bisschen gesprüht. Er hatte es nicht so gemeint. Hatte nur die Bilder genossen, die er mit seiner Tat in seinem Kopf heraufbeschworen hatte. Furchtsam aufgerissene Augen in den selbstzufriedenen Gesichtern. Unsicherheit bei den Satten und Etablierten.

      Mit der Gastfreundschaft war das so eine Sache. Er hatte sie verraten, seine Gastgeber an ihre Schlächter verraten, die Gastfreundschaft selbst verraten, ihr Blut klebte jetzt an seinen Händen.

      Christizismus

      „Die haben überall ihre Leute.“, klagte Henning. „Du kannst nichts dagegen machen.“

      „Das klingt mir aber nach einer gewaltigen Verschwörungstheorie.“ Annegret rümpfte die Nase. „Evangelikalen-Mafia. Hört sich an wie Anarcho-Diktatur oder Burn-out-Entspannung.“

      „Ach ja?“, erwiderte Henning gereizt. „Und wie kommt es dann, dass weder das Gesundheitsamt noch die Polizei intervenieren, wenn die sich mit über hundert Leuten ohne Abstand und Maske zum Sing-Gottesdienst treffen?“

      „Die Polizei hat genug andere Probleme und das Gesundheitsamt ist auch total überfordert. Genehmigt ist genehmigt. Die schaffen das nicht.“

      „Die laufen in jedem städtischen und volkskirchlichen Jugendzentrum auf und gucken nach, ob die Arbeitsflächen auch sauber sind und ob da Küchenpapier rumsteht. Auf jedem kleinen Weihnachtsmarkt wurde kontrolliert, ob am Waffelstand auch warmes Wasser zum Händewaschen zur Verfügung steht. Aber wenn die Mennoniten oder Baptisten ihre Jesus-Partys im Bethaus veranstalten, halten alle die Füße still. Da stimmt doch was nicht.“

      „Ist wegen Religionsfreiheit.“, erklärte Annegret schulterzuckend.

      „Mit Religionsfreiheit ist aber eigentlich was Anderes gemeint. Auf jeden Fall steht die Religion nicht über staatlichen Gesetzen.“

      „Meine Fresse!“ Annegret atmete tief durch. „Jetzt reg dich mal ab.“

      „Einen Teufel werde ich tun!“, empörte Henning sich weiter. „Als ich vor zwei Jahren einen Bauantrag gestellt habe für ein Mehrfamilienhaus mit Wohneinheiten in unterschiedlichen Preissegmenten, Single- und Familien-Wohnungen, tolles Konzept, super Architekt, da wurde der Antrag ratz fatz abgelehnt. Jetzt wurde da plötzlich gerade eben ein Klotz hochgezogen, der nur eine Zielgruppe anspricht und der außerdem verboten hässlich aussieht und sich optisch absolut gar nicht in die Umgebung einfügt. Rate mal, wer der Bauherr ist.“

      „Dann hat eben mal einer Vitamin B beim Bauamt. So was kommt vor.“, erklärte Annegret lapidar.

      „Ja, aber die sitzen überall, halten zusammen wie Pech und Schwefel und schustern sich gegenseitig die Vorteile zu. Und keiner macht was dagegen, nur weil die keine SUVs fahren und sich nicht auf Menschenhandel verlegen.“

      „Nee, die haben ja so schon genug Kinder zur Verfügung.“

      Für einen Moment schien Henning die Sprache verloren zu haben, dann sagte er betont langsam: „Das ist jetzt aber böse.“

      „Das ist jetzt aber auch nicht unwahrscheinlich.“, erwiderte Annegret.

      „Die machen doch nicht in Kinderpornographie.“

      „Nee, eher altmodisch. Analog statt digital.“

      „Ja, kann sein, aber darum geht es nicht.“

      „Worum geht es dann?“ hakte Annegret nach

      „Die sind gefährlich.“ erklärte Henning. „Die haben einen Plan.“

      „Meinst du so was wie evangelischen Dschihad?“

      „Ja. Vielleicht nicht mit Bomben und Schusswaffen. Perfider. Durch Infiltration. So in dem Stil wie in Polen. Den Staat immer ein bisschen weiter nach rechts rücken. Bis sich niemand mehr traut, gegen die Religionsdiktatur aufzumucken.“

      „Gut, das wäre denkbar. Gibt ja etliche Religionsfaschisten in deren Kreisen. Sieht man ja in den USA, wozu das führen kann.“

      Elisa hatte alles mit angehört. Jedes einzelne Wort. Die beiden hatten nicht bedacht, dass die Wand zwischen dem Pausenraum und dem Lager dünn wie Papier war. Elisa notierte ihre Namen und noch ein paar Einzelheiten. Peter würde alles dokumentieren. Für später.

      Verkürzt

      Hätte sie das Ende abgewartet, hätte sie ihn nicht umgebracht.

      Sie dachte an Fabiola. Fabiola war die erste, an die sie dachte, wenn sie morgens aufwachte und die letzte, wenn sie abends einschlief. Auch den ganzen Tag über dachte sie an sie. Fabiola lebte nicht mehr. Leukämie. Sie war gerade mal acht Jahre alt geworden. Zwei davon hatte sie erfolglos gegen den Tod angekämpft. Ein Viertel ihrer viel zu kurzen Lebenszeit.

      „Jaja,

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