Blutgefährtin 2. Thomas M Hoffmann
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«Hallo Mädels. Entschuldigt, dass ich etwas zu spät komme. Ich war noch in ein Gespräch mit Jerome hier verwickelt. Das ist Jerome Merdrignac, ein neuer Student in Weinbau, den ich heute in meinem Kurs getroffen habe. Jerome, das sind Kala Tsotsi und Francine Roux, sie studieren Lebensmitteltechnik, Madelaine Cazardieu, Stadtentwicklung und Trish Strong, Weinbau.»
Oha, ein Neuer, der dasselbe studiert wie ich. Ich habe ihn allerdings bisher noch nicht in meinen auf Weinbau spezialisierten Kursen gesehen. Nun vielleicht besucht er ja die Anfängervorlesungen, die sind auf allgemeine Themen zugeschnitten, die Spezialisierung erfolgt erst ab dem dritten Semester. Wir nicken bei der Vorstellung Jerome jeweils zu, um ihn zu begrüßen, während Emile in seiner hektischen Art sofort weiterredet.
«Wir sind spät dran, lasst uns zur Kantine gehen. Jerome, kommst du mit?»
«Ich will zwar nichts essen, aber klar, ich komme gerne mit. Es ist schön, hier gleich neue Leute kennenzulernen.»
Jeromes Stimme ist irgendwie faszinierend. Nicht so laut und durchdringend, wie die von Emile, aber man hört jedes Wort und der Tonfall gebietet Aufmerksamkeit. Ich habe das Gefühl, dass Jerome gewohnt ist, im Mittelpunkt zu stehen. Daran ist sein extrem guter Körperbau bestimmt nicht unschuldig. Wäre ich nicht bis über beide Ohren in Pierre verliebt, würde ich Stielaugen bekommen. Aber gegen Pierre hat er keine Chance, Pierre ist viel schöner als alles, was ich sonst so gesehen habe.
Der Weg zur Kantine ist zu kurz, um den Neuen in irgendeiner Weise auszuhorchen, also weist Emile ihn nur kurz darauf hin, wo wir uns treffen und jeder macht sich auf den Weg, um sich etwas zu essen zu besorgen. Ich wähle das Standardgericht, Hühnchen Filet auf mediterranem Gemüse mit einem ordentlichen Nachtisch, dann mache ich mich auf zu unserem Treffpunkt. Dort warten schon Madelaine und Jerome. Madelaine hat wie normal lediglich einen Salat geholt, während Jerome nur ein kaltes Getränk in der Hand hält. Als ich die beiden erreiche, sehe ich einen freien Tisch in der Nähe.
«Lasst uns dort drüben hinsetzen», meine ich.
Wir setzen uns, gerade als Emile ankommt. Kala und Francine tauchen ebenfalls auf, so dass wir gemeinsam anfangen können zu essen. Nur Jerome nippt an seinem Getränk und scheint uns der Reihe nach durchzumustern. Sein Blick bleibt schnell an mir hängen, unter der scharfen Prüfung seiner Augen wird mir ungemütlich.
«Erzähl doch mal, Jerome. Wie kommst du denn so mitten im Semester hierher?» meine ich, um das Schweigen zu durchbrechen, das sich ausgebreitet hat.
«Ganz einfach. Eigentlich war ich bis vor kurzem in Bordeaux eingeschrieben, aber ich musste aus persönlichen Gründen hierher nach Montpellier kommen. Also habe ich versucht, mir meine Kurse anrechnen zu lassen und sehe zu, dass ich hier den Anschluss schaffe.»
«Geht das denn so einfach?»
«Nein, einfach nicht. Ich muss einiges nachholen, weil der Aufbau der Kurse hier anders ist als in Bordeaux. Gott sei Dank haben fast alle Professoren irgendwelche Skripte, auf die man sich stützen kann. Ist aber eine Menge Stoff, die ich lernen muss.»
«Das kann ich mir vorstellen. Und woher kommst du so?»
Jerome lächelt mit einem hintergründigen Lächeln, das mir komisch vorkommt. Er starrt mich immer noch intensiv an, so als wollte er sich jedes Detail meines Gesichtes einprägen.
«Ich bin gebürtig aus Spanien, genauer dem Baskenland, lebe aber schon länger in Frankreich. Zuerst habe ich mich etwas in der Gegend herumgetrieben und habe gejobbt. Dann habe ich Interesse an Weinbau entwickelt und mich in Bordeaux eingeschrieben. Und was ist mit dir? Trish Strong hört sich nicht gerade Französisch an.»
«Ich bin gebürtige Amerikanerin. Geboren und aufgewachsen in Kalifornien. Vor ein paar Jahren haben meine Großeltern hier in der Gegend ein Weingut geerbt und wir sind hierher gezogen. Seit einem Jahr habe ich auch die französische Staatsbürgerschaft.»
«Interessant. Und deine Eltern?»
«Sind beide tot.»
«Oh, das tut mir leid. Ein Unfall?»
«Eine Privatangelegenheit», erkläre ich mit Nachdruck.
Ich habe keine Lust, einem Fremden gegenüber meine Vergangenheit offen zu legen, auch wenn ich nichts zu verbergen habe. Mein Vater ist tatsächlich durch einen Unfall ums Leben gekommen, das war sogar noch bevor ich geboren wurde. Aber meine Mutter wurde ermordet, weil sie sich mit einer Bande von Kinderschändern eingelassen hatte, an die sie mich verkauft hatte. So etwas ist nichts, was man so ohne weiteres in der Öffentlichkeit preisgibt. Ohne meine Tante wäre ich jetzt vermutlich auch tot, sie war es gewesen, die mich zusammen mit Onkel Daniel vor der Bande beschützt und die Dreckskerle überführt hat.
Jerome scheint sich an meiner Zurückweisung aber nicht zu stören.
«Klar, verstehe schon. Hört sich an, als hättest du eine interessante Geschichte zu erzählen. Ich liebe Frauen mit Geheimnissen. Wir müssen uns unbedingt näher kennenlernen. Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend treffen würden?»
Geschockt blicke ich Jerome an. Das war nicht gerade subtil, derart direkt hat mich noch nie jemand um ein Date gebeten. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Kala ein fettes Grinsen aufgesetzt hat, normalerweise ist sie es, die die als erstes im Mittelpunkt des männlichen Interesses steht. Schnell versuche ich, meine Verblüffung zu überwinden.
«Tut mir leid, heute Abend habe ich bereits eine Verabredung.»
«Zu schade. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wann hast du denn diese Woche mal Zeit?»
«Lass mal überlegen. Ja, genau, eigentlich habe ich gar keine Zeit, du wirst dich also gedulden müssen.»
«Und nächste Woche?»
Langsam fängt der Kerl an, mich zu nerven. Er scheint wie selbstverständlich davon auszugehen, dass ich nichts Besseres zu tun habe, als mich mit ihm zu treffen.
«Ich bin sicher, wir können in den nächsten Wochen einen gemeinsamen Termin finden. Wie wär es Leute, ist mal wieder ein Kinoabend dran?»
Darauf fährt Emile sofort ab, er ist ein absoluter Liebhaber von Kino- oder Filmeabenden. Leider ist sein Geschmack etwas einseitig.
«Ja, klasse Idee. Nächste Woche kommt die neueste Folge der Transformer Serie in die Kinos, da müssen wir unbedingt hin.»
Auf diese Bemerkung hin stöhnen Kala, Francine und Madelaine kollektiv auf. Ich finde solche Filme ja ganz lustig, also bin ich neutral. Nur bei Vampir Filmen bin ich eigen, die sind mir zu weit weg von der Realität. Aber mein Ablenkungsmanöver funktioniert. Jerome kommt nicht dazu, seine Idee, mich auszuführen, weiter zu verfolgen, da meine Freunde in eine hitzige Diskussion darüber einsteigen, welcher Film wohl geeignet ist. So verfliegt die Mittagspause im Nu und es ist Madelaine, die als erstes auf die Uhr blickt und zur Eile drängt.
«Ich muss los, Leute, meine Vorlesung beginnt in zehn Minuten.»
Ich habe noch eine Stunde mehr Zeit und will die Gelegenheit nutzen, mich in die Bibliothek zu setzen und ein paar Übungen nachzuarbeiten. Francine begleitet mich, denn sie hat am Nachmittag dieselbe Vorlesung. Also ziehen wir nach kurzer Zeit los. Jerome hat nichts mehr gesagt, aber ich spüre seinen Blick auf meinem Rücken, während Francine und ich in Richtung der Bibliothek