Spiel und Stirb. Charlie Meyer

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Spiel und Stirb - Charlie Meyer

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      Charlie Meyer

      Spiel und Stirb

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Spiel und Stirb

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       Impressum

       Spiel und Stirb

       Bist du bereit für einen Spieleabend der ganz besonderen Art?

      Cordelius Bley starrte unbehaglich auf die Worte. Obgleich der Schein der Stehlampe hinter dem Ohrensessel seine Haut angenehm wärmte, spürte er die feinen Härchen auf seinen Unterarmen sich fröstelnd aufstellen. Etwas an dieser Kleinanzeige im Täglichen Anzeiger berührte ihn eigenartig und nicht zum Guten. Die Worte faszinierten ihn, zogen ihn unwiderstehlich in ihren Bann und stießen ihn gleichzeitig mit einer Vehemenz ab, die ihn schaudern ließ. Noch während er die Schultern hochzog, glaubte er irgendwo in weiter Ferne eine Frau schreien zu hören. Beunruhigt stand er auf und trat ans Fenster. Die Straße lag leer und dunkel unter ihm. Die Schreie jedoch hörte er noch immer, und während er mit sich haderte, was zu tun sei, schwollen sie in seinen Ohren so unvermittelt an, dass er in den Knien einknickte und die Zeitung fallen ließ.

      Seine Hände zuckten hoch zu den Ohren. Er fuhr herum und starrte voll ungläubigen Entsetzens Lucys schwarz gerahmtes Foto auf dem Marmortischchen neben dem Ohrensessel an. Um des barmherzigen Heilands willen, war nicht sie es, die da in höchster Todesnot schrie? Hörte er nicht die Todesschreie einer Frau, auf die wieder und wieder eingestochen wurde? Lucys Schreie?

      Als das Schreien endlich mit einem unbeschreiblichen Röcheln endete, lehnte er kreidebleich und schweißgebadet an der Wand. Am ganzen Körper zitternd ließ er sich erneut in den Ohrensessel sinken. Unmittelbar darauf angelte er, weit vorgebeugt, nach der Zeitung auf dem Boden, strich sie mit bebenden Fingern auf seinen Knien glatt und las die Anzeige noch einmal, obgleich ihm grenzenlose Furcht schier die Kehle zuschnürte: Bist du bereit für einen Spieleabend der ganz besonderen Art?

      Als er sich endlich zwang, sein Schlafzimmer aufzusuchen, nahm er die Zeitung mit und legte sie auf den Nachttisch neben seinem Bett. Er duschte heiß und starrte im Anschluss lange sein Spiegelbild an. Ein schmales, markantes Gesicht mit gehetzt blickenden Augen, braune Haare, noch immer voll und ohne Geheimratsecken. Ein Wirbel in den Haaren über der Narbe, dort wo die Ärzte seinen Schädel aufgebohrt hatten.

      Unruhig, in nur leichtem Schlaf, wälzte er sich auf seinem Seidenlaken, während die flackernde Leuchtreklame des gegenüberliegenden Hauses im Sekundentakt seine verzerrten Züge erhellte. Wieder träumte er von Lucy, davon, wie die Hand mit dem bluttriefenden Messer auf- und niederfuhr, immer und immer wieder. Wie jede Nacht sah er sie ihren Mund zu gellenden Schreien aufreißen, ohne, dass ein einziger Ton über ihre Lippen kam. Wie jede Nacht wollte er zu ihr laufen und sie vor ihrem Mörder beschützen und konnte doch nur hilflos auf den Knien rutschen.

      Mit rasendem Herzschlag erwachte er in der ersten Morgendämmerung. Halb hinter dem Vorhang verborgen, beobachtete er, wie unten auf der Straße ein Mann mit einer Schaufel den blutigen Kadaver einer Katze vom Asphalt hob und in einer Mülltonne entsorgte, die zum Leeren am Bordstein bereitstand. Erneut glaubte er Lucy schreien zu hören, leiser diesmal, aber nicht weniger furchtbar, und am ganzen Körper bebend, wandte er sich um zu der Zeitung auf seinem Nachttischchen.

      Gegen neun Uhr am nächsten Morgen wählte er die Telefonnummer in der Anzeige, und eine monotone Frauenstimme auf Band wies ihn an, sich noch am selben Abend vor dem Pulverturm der alten Befestigungsanlagen am Rande der Altstadt einzufinden. Cordelius Bleys Hände zitterten, als er den Hörer auflegte, und den ganzen Tag über schüttelten ihn in der Hitze seines Wohnzimmers fiebrige Kälteschauer. Endlich kam der Abend und mit ihm die Helle einer klaren Vollmondnacht. Damals, in der Nacht von Lucys Ermordung, hatte sich der Mond ebenfalls gerade gerundet. Niemand vermochte zu sagen, wo Lucy an jenem Abend gewesen war, nur dass sie gegen zehn oder elf Uhr nach Hause gekommen sein musste und ihr der Mörder in der Diele hinter der Haustür auflauerte. Er selbst, Cordelius, hatte in derselben Nacht schlaflos im Schein des Vollmondes auf dem Balkon des Krankenhauszimmers gestanden und, von rastloser, unbestimmter Unruhe ergriffen, über die Dächer der Stadt geblickt. Das war die Nacht vor seiner Entlassung gewesen. Die Nacht von Lucys Ermordung.

      Als er sie am nächsten Morgen in ihrem Blut fand, atmete auch das Kind in ihrem Bauch nicht mehr. Sein Kind. Einundzwanzig Messerstiche in Brust, Bauch und Arme, hatte ihm der Pathologe mit grausamer Sachlichkeit erklärt. Erst einer der letzten habe ihr Herz getroffen und sie und ihr Kind endlich sterben lassen. Seitdem träumte er Nacht für Nacht davon, wie sich einundzwanzig Mal die Hand des Mörders hob und senkte und Mutter und Kind abschlachtete, während er, hilflos auf den Knien rutschend, zum Zusehen verdammt war.

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