Die Begegnung. Ralf Wider
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Auf Ferrys Schultern prangte seit Neuem der Master-Stern. Er war zu stolz gewesen, um diese Uniform heute nicht zu tragen. Am Tag nach der Begegnung mit Annunfala hatte ihm die Toilette die Master-Uniform zugestanden. Obwohl - es gab nebst der Farbe noch einen weiteren, kleinen Unterschied an seiner Uniform. Master Paris hatte ihn soeben darauf angesprochen.
"Sag mal, Ferry, was soll der Kringel da neben dem Stern?" Paris deutete auf Ferrys Epauletten. Neben dem Stern, der den Grad eines Meisters bekundete, prangte ein weiteres Symbol in Gold. Es war bogenförmig und ähnelte einer Rune, oder einem Zeichen, das mit Pinsel gemalt worden war.
Ferrys Ohren begannen zu leuchten. Es war ihm peinlich, dass er, als jüngster Master der Runde, etwas Zusätzliches auf den Schultern trug. Auch Laura hatte dieses Zeichen auf ihren Gradabzeichen, neben den vier breiten Goldstreifen.
"Also, wenn wir Fala richtig verstanden haben, dann ist das ein Zeichen in der Schrift der Grauen, die einen hohen Funktionsträger bezeichnet. So etwas wie einen Staatsmann oder einen Diplomaten oder so. Die Erklärung war ein wenig verwirrend, da ihr Staatssystem und ihr soziales System irgendwie anders aufgebaut sind. Wir glauben, dass ihr die richtigen Worte gefehlt haben, um es genau zu erklären. Und der Dolmetscher scheint nur Worte zu übersetzen, die in beiden Sprachen deckungsgleich sind. Es ist ein bisschen schwierig…", erklärte Ferry.
"Aber als sie uns das zweite Mal besuchte, hat sie das Zeichen sofort erkannt!", warf Laura ein. "Es schien sie auch nicht weiter zu stören, dass wir diese Zeichen trugen, sie fand es gut." Mit einem Augenzwinkern in Ferrys Richtung ergänzte sie: "Viele A-und-N-Worte!" Sie lachte ihr ansteckendes Lachen. Ferry stimmte in ihr Lachen ein.
Die Meister des Ältestenrates schauten sich jedoch fragend an und Laura beeilte sich, ihnen die Interna zu erklären.
"Uns ist aufgefallen, dass in der Sprache der Grauen die guten Dinge unüblich häufig mit A beginnen und viele Ns haben. Diese Worte werden hell und offen ausgesprochen. Schlechte Dinge werden eher gezischt oder geknurrt und enthalten überdurchschnittlich viele CHs und Konsonanten wie P, T, G und K, zum Beispiel. Also haben wir uns jedes Mal gefreut, wenn wir ein Wort nicht übersetzt bekamen, wenn es viele As und Ns hatte… Wir sind dann einfach davon ausgegangen, dass es etwas Gutes ist… " Die drei Master nickten gewichtig, zum Zeichen, dass sie verstanden hatten. Sie schienen sehr beindruckt.
"Und wie genau funktioniert dieser Dolmetscher?", hakte Master Wei in seinem chinesisch gefärbten Englisch nach. Ferry tippte an die linke Seite seines Kopfes.
"Annunfala hatte diese kleine Black Box, mit der sie unsere Köpfe abgesucht hat. Scheinbar hat das Gerät unsere Funkverbindungs-Implantate im Wernicke-Zentrum gefunden und dort eine Art Übersetzungs-Software installiert. Wenn Fala spricht, unterdrückt das Gerät das akustische Signal, das vom Ohr geliefert wird, und man hört die Übersetzung direkt im Kopf. Als ob man vom HQ angefunkt wird. Wahnsinn, nicht?" Ferry gestikulierte wild mit den Armen um seinen Kopf herum, um die Worte zu unterstreichen.
Jedes Mitglied des P1-Corps hatte dieses Implantat im Wernicke-Zentrum, dem sensorischen Sprachzentrum des Gehirns. Es ermöglichte den Funkkontakt vom Hauptquartier an den Träger, ohne weitere Hilfsmittel. So konnte zum Beispiel ein Pilot angefunkt werden, auch wenn er seinen Helm gerade nicht trug oder nicht in seinem IFO war.
"Und dein Störsender?", fragte Paris mit einer hochgezogenen Augenbraue. Es war ihm immer ein Dorn im Auge gewesen, dass Ferry eine Abschirmung aus Permalloy in Form eines Ohrrings gebaut hatte, die das schwache Signal dieser Funkkommunikation abfangen konnte. Ferry grinste.
"War nicht eingeschaltet.", gab er knapp zur Antwort. "Aber so oder so: die Technik der Grauen ist scheinbar der Unseren um einiges voraus…" Er zuckte mit den Schultern. Paris machte ein säuerliches Gesicht. Es schien ihm nicht zu schmecken, dass Ferry die Grauen als technisch überlegen bezeichnete. Obwohl das eigentlich schon lange klar gewesen war: allein die Grösse und Feuerkraft der grauen Zerstörer-IFOs zeigte diese Überlegenheit mehr als deutlich.
"Heisst die graue Königin nun Fala oder Annunfala? Und ist sie wirklich eine Königin?", fragte Monica dazwischen. Ferry und Laura hatten ihr Zusammentreffen mit der grauen Königin und ihrem Baby so detailliert wie möglich geschildert - bei der ersten Flasche Wein - doch verständlicherweise gab es von Seiten des Rates noch viele offene Fragen.
Nach einem kurzen Blickwechsel zwischen den Eheleuten setzte Laura zur Erklärung an. Was sprachliche Dinge betraf, war sie die Fachfrau.
"Beides ist richtig. Es ist so: ihr Rufname ist Fala. Annun ist eher so etwas wie ein Familienname. Nur, dass die Familie in diesem Fall sehr gross ist. Ihr ganzer Stamm, oder Clan oder ihre soziale Einheit, wenn man so will, trägt diesen Namen.", erklärte sie.
"Und bedeutet der Name etwas?", hakte Monica nach. Laura und Ferry nickten simultan.
"Annun heisst Mensch. Eigentlich sogar Gut-Mensch, dabei steht das An für gut und Nún für Mensch.", antwortete Laura. In perfekter Choreographie gingen die Augenbrauen der erstaunten Ratsmitglieder nach oben.
"Ja, das hat im ersten Moment für etwas Verwirrung gesorgt, auch bei uns.", fiel Ferry ein. "Als Fala uns erklärt hat, dass ihr Volk die "Annun" sind und wir die "Gach" - ein gezischtes Wort übrigens, mit einem heftigen "ch", also negativ konnotiert -, kam die Übersetzung vom Dolmetscher als "Menschen" und "Andere". Wir haben einen Moment gebraucht, um zu verstehen, dass sich die Grauen als Menschen bezeichnen. Als wir dann erklärt haben, dass wir Menschen seien und sie Graue, hat das wiederum zu grosser Verwirrung bei Fala geführt. Nach einigem Hin- und Her haben wir zusammen gelacht und uns geeinigt, dass wir beide Annun sind, aus jeweils unserer eigenen Perspektive."
"Sie lachen?", fragte Paris ungläubig. Er hatte sich den Erzfeind immer als grimmig, verbissen und düster vorgestellt. Es schien irgendwie absurd, sich den Gegner lachend vorzustellen.
"Ja, und es klingt ganz drollig.", entgegnete Laura. "Es ist so eine Art helles Gurgeln und Pfeifen, und dazu klappern sie mit ihrem Gebiss, oder ihren Zahnplatten, das trifft es eher." Sie versuchte, das Lachen der Grauen nachzuahmen, was urkomisch klang, worauf die ganze Runde in Gelächter ausbrach.
"Auch Fala hat eine Bedeutung, die sich uns erst nach einigem Nachfragen erschlossen hat.", fuhr Laura fort, als das Gelächter abgeklungen war. Sie zog damit neugierige Blicke des Rates auf sich. "Fala bedeutet Königin."
"Ha! Also ist sie wirklich eine Königin!", rief Monica. Laura hob die Hand zum Zeichen, dass sie noch nicht fertig war.
"Fala heisst auch Mutter. Und ebenso Leben. Die drei Bedeutungen sind in ihrer Kultur scheinbar gleichbedeutend. Die Mutter ist die Lebensbringerin und damit auch eine Art Königin. Wir vermuten, dass ihre Gesellschaft auf einem Matriarchat aufbaut, doch der Dolmetscher hat bei diesem Wort gestreikt. Wir müssen dieser Sache noch auf den Grund gehen…"
Die drei Räte nickten bedeutungsvoll. Sie waren beeindruckt, was Laura und Ferry bereits hatten herausfinden können. Schweigen trat ein.
Natürlich, es gab noch unendlich viele Fragen, die den Ältesten auf der Zunge brannten, aber es würde Zeit brauchen, alles herauszufinden und alle Fragen zu beantworten. Monica brach das Schweigen.
"Und was wollen sie?", fragte sie.
Ferry und Laura antworteten gleichzeitig: "Frieden."
Man konnte spüren, wie sich eine gewisse Anspannung, die sich aufgebaut hatte, verflüchtigte. Monica atmete hörbar aus.
"Seid