Ernteplanet. Rolf-Dieter Meier
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Kirstin wollte sich Igor vor der Verhandlung noch einmal vornehmen und machte sich deshalb schon einige Zeit vor dem Gerichtstermin auf den Weg. Sie nahm ein Taxi, das sie auf schnellstem Wege zum Amtsgericht brachte. Der Taxifahrer war gut gelaunt und machte einige humorvolle Bemerkungen, über die er allerdings selbst am meisten lachte. Kirstin war in Gedanken mehr bei ihrem Fall, konnte aber nicht umhin, bei einer besonderen Pointe, sofern sie diese mitbekam, herzhaft in das Lachen des Fahrers einzufallen. So war sie in guter Stimmung, als sie das Taxi verließ. Die Sonne, die von einem makellos blauen Himmel herab schien, tat ein Übriges, ihre gute Laune und damit ihren Optimismus zu stärken. Sie betrat das imposante Gebäude durch das mittlere der großen Portale, das zu ihrer Erleichterung bereits geöffnet war, da sie immer Schwierigkeiten hatte, die riesigen Türen zu bewegen. Hinter dem Eingang musste sie sich der obligatorischen Sicherheitskontrolle unterziehen. Nachdem sie diese ohne Probleme hinter sich gebracht hatte, ging sie die beeindruckende große Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sie in einem Besprechungszimmer Igor treffen würde. Da sie etwas früh dran war, besorgte sie sich an einem Kaffeeautomaten noch zwei Cappuccino, der von gar nicht so übler Qualität war. Einer war für Igor bestimmt, in der Hoffnung, dass ihn diese kleine Aufmerksamkeit etwas von seiner Aggressivität nahm.
Als Kirstin das Besprechungszimmer betrat, saß Igor schon an dem kleinen Tischchen und wandte ihr sein Gesicht zu. Er war von großer Statur, schlank aber muskulös. Sein markantes Gesicht wurde dominiert von einem kräftigen Kinn und grauen Augen. Mit seinen blonden Haaren und den Augenbrauen in gleicher Farbe erinnerte er Kirstin mehr an einen Wikinger als einen Russen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Er begann verschmitzt zu Grinsen, wobei er auf den Kaffeebecher deutete: „Für mich?“ Kirstin nickte und schob den Becher noch ein Stück zu ihm hin. Sie fühlte sich ertappt, er hatte wohl ihren kleinen Bestechungsversuch durchschaut. „Egal“, dachte sie, dann wusste er eben, worauf sie hinauswollte. Vielleicht würde das die Sache erleichtern.
„Herr Ibramowitsch“, begann sie mit beschwörendem Tonfall, „sie wissen, sie haben sich in eine schwierige Lage gebracht.“
Bevor sie fortfahren konnte, unterbrach sie Igor: „Sie sehen verdammt gut aus für eine Anwältin.“
„Lassen sie das, jetzt ist keine Zeit für Komplimente. Wir müssen uns jetzt auf die Verhandlung konzentrieren.“ Kirstin versuchte ihrer Stimme Strenge zu verleihen, was Igor aber nicht davon abhielt, sie unverändert anzugrinsen.
„Herr Ibramowitsch“, begann sie erneut, „in diesem Fall hängt alles vom Richter ab. Geht er von einem minderschweren Fall aus, weil Alkohol im Spiel war und der Juniorchef sie vorher verbal attackiert hat, kommen sie vielleicht mit einer geringen Geldstrafe oder ein paar Stunden Sozialarbeit davon. Schlimmstenfalls folgt er dem Antrag des Staatsanwalts, der auf Körperverletzung plädiert und sie wandern wieder in den Knast.“
Igor erweckte den Eindruck, als folgte er den Ausführungen von Kirstin mit größtem Vergnügen. Hatte er zunächst leicht vorgebeugt am Tisch gesessen, lehnte er sich jetzt entspannt zurück, wobei er sie unverwandt betrachtete. Sein ständiges Grinsen irritierte Kirstin, erweckte er doch den Eindruck, als wäre ihm alles völlig egal. Langsam verging ihre bis dahin gute Laune und stattdessen keimte Ärger in ihr hoch. Sie wollte alles tun, ihn vor einer erneuten Haftstrafe zu bewahren und er machte keine Anstalten, sie bei ihren Bemühungen zu unterstützen. Stattdessen schien er das alles, seinem stetigen Grinsen nach zu urteilen, nur lächerlich zu finden. Plötzlich machte er so etwas wie eine abwehrende Handbewegung und beugte sich wieder vor.
„Machen sie sich mal keine Sorgen, Frau Stendahl, das wird schon. Ich habe das im Gefühl.“
„Mein Gott, sie haben vielleicht Nerven“, antwortete Kirstin nach einer kurzen Pause der Verblüffung, „mit Gefühlen allein gewinnt man aber keinen Prozess.“
„Sie wollen, dass ich Reue zeige, obwohl der Kerl mich beleidigt hat.“
„Das wäre zumindest ein Anfang“, entgegnete Kirstin.
„Vielleicht hätte ja eine Schelle gereicht. Aber eine Abreibung hat dieser Ausbeuter verdient.“ Igor lächelte, mit sich und der Welt zufrieden.
„Wissen sie, was der für einen Wagen fährt?“
„Nein !“, antwortete sie, verblüfft über die Wendung, die das Gespräch nahm.
„Einen Ferrari ! Wir bekommen ein paar Euro die Stunde und er sahnt ab. Er ist ein Ausbeuter.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schlug Igor mit der rechten Hand auf den Tisch.
„Herr Ibramowitsch, wenn sie bei der Befragung so argumentieren, sehe ich schwarz.“
Kirstin war nun überzeugt, dass Ihr Klient beratungsresistent war und sah in einer weiteren Unterhaltung keinen Sinn mehr. Während sie noch überlegte, was sie noch tun könnte, erschien der Gerichtsdiener und teilte ihnen mit, dass der Prozess in fünfzehn Minuten beginnen würde. Kirstin war dankbar für diesen Hinweis, enthob er sie doch von der Verpflichtung, sich weitere Gedanken machen zu müssen. Sie machte es kurz, wünschte Igor und sich selbst viel Glück für die anstehende Verhandlung und verließ das Besprechungszimmer, während Igor unverändert grinsend ihren Abgang mit Interesse verfolgte.
Die Gerichtsverhandlung wurde für Kirstin zu einem unerwarteten Highlight in ihrer Karriere, woran sie aber, wie sie zugeben musste, nur einen geringen Anteil hatte. Als sie den kleinen Gerichtssaal betrat, war der Staatsanwalt und Behrendt jun. schon anwesend. Sie nickte den beiden Herren zur Begrüßung zu und setzte sich auf einen der beiden Stühle an dem kleinen Verteidigertisch. Sie hatte kaum Platz genommen, als sich die Tür zum Gerichtssaal erneut öffnete und eine ältere Dame eintrat. Sie steuerte auf einen der hinteren Sitzplätze zu und setzte sich, holte eine Illustrierte aus ihrer Tasche und begann sich die noch verbleibende Zeit mit dem Studium derselben zu vertreiben. Schließlich erschien auch Igor von einem Justizbeamten begleitet und setzte sich neben Kirstin. Dabei lächelte er ihr aufmunternd zu. Er schien wirklich davon überzeugt zu sein, dass die Geschichte für ihn glimpflich verlaufen würde. Kirstin lächelte etwas verkrampft zurück und widmete sich dann aus Verlegenheit ihren Unterlagen.
„Meine Damen und Herren, ich eröffne hiermit die Verhandlung.“
Erschrocken blickte Kirstin auf. Sie hatte sich so in ihre Papiere vertieft, dass ihr entgangen war, dass der Richter den Saal betreten hatte. Der Richter hieß Alexander Koslowski und war Kirstin bereits aus einigen Verhandlungen bekannt. Das Schwierige bei ihm war, dass seine Entscheidungen nie vorhersehbar waren. Er hatte sie immer überrascht. Wo sie ein scharfes Urteil erwartet hätte, zeigte er unerwartete Milde. Ein anderes Mal ließ er ihrem Klienten fast die Höchststrafe angedeihen, wo sie ein minderschweres Vergehen gesehen hatte. Erst in der nächsten Instanz wurde das Urteil wieder teilweise zurückgenommen. Aber genau diese Unwägbarkeit machte Kirstin Sorgen. Der Richter nahm routinemäßig die Personalien auf, verlas die Anklageschrift und fragte dann Igor, ob er noch vorab etwas sagen wollte. Igor nickte und erhob sich, was Kirstin derartig überraschte, dass sie sich nicht vom Fleck rührte und kein