Wasser, Fische und Agenten. Claus Beese
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Читать онлайн книгу Wasser, Fische und Agenten - Claus Beese страница 8
Er griff sich den Stecker des Landkabels, flitzte davon und nach genau drei Sekunden hatten wir Strom. Ein Mann wie ein Erdbeben. Aber er hatte seinen Laden in Schuss, das musste man ihm lassen. Bis in den späten Abend kamen noch Boote aus allen Ländern Europas an und Werner schickte keinen Skipper weg, obwohl es langsam eng wurde an seinen Stegen. Es wurde geschoben, gequetscht und gestapelt und alle fanden ein Plätzchen. Das Schöne war, jeder Skipper wusste zu jedem Zeitpunkt, wo sich der Hafenmeister aufhielt, denn Werner war einfach nicht zu überhören. Seine Flüche und die gebrüllten Anweisungen waren im ganzen Hafen deutlich vernehmbar.
Das dritte, was uns allerdings erst am nächsten Vormittag auffiel, war, dass man in Rendsburg wunderbar einkaufen konnte. Wir erreichten das Stadtzentrum nach kurzem Fußmarsch und waren begeistert von der liebevoll gestalteten Fußgängerzone mit ihren Gassen und Winkeln, den vielen kleinen Geschäften, in denen man herrlich stöbern konnte. Auch für das leibliche Wohl war hier ausreichend gesorgt. Egal, was man brauchte oder suchte, es gab hier alles.
Mittags warfen wir die Leinen los und ich manövrierte unsere DODI vorsichtig rückwärts aus der Box. Schnell noch an den Tanksteg, denn wer wusste schon, wo es wieder so bequem Sprit zu fassen gab. Die nächste Bunkermöglichkeit sollte in Kiel-Holtenau ein Tankschiff sein, das irgendwo im Vorhafen der Schleuse stationiert war. Wenn man Pech hatte, war es aber nicht da, sondern versorgte gerade einen Kümo oder sonst wen mit dem nötigen Diesel. Also: die Gelegenheit nutzen!
Kurz nach unserer Abreise passierten wir die Autobahnbrücke der A 7.
»Schau mal, Claudi. Sonst haben wir auf dem Weg nach Dänemark von da oben immer runtergeguckt und den Kanal gesehen. Jetzt fahren wir auf dem Kanal und gucken mal nach oben!«
»Mann, is‘ das hoooooch!«, murmelte unser Ableger beeindruckt und legte den Kopf weit in den Nacken, um das imposante Bauwerk zu bestaunen.
Zweieinhalb Stunden bis nach Holtenau. Die Sonne schien, der Himmel war blau und wolkenlos, die Gegend sehr reizvoll. Mit jedem Kilometer, den wir weiter fuhren, wurde das Wasser im Kanal blauer und sauberer. Wir hatten das Brackwasser der Nordsee nun endgültig hinter uns gelassen.
In der alten Schleuse in Holtenau hieß es erst einmal zahlen. Ich amüsierte mich köstlich, als ich mitbekam, wie hier gefeilscht wurde. Je größer die Yacht, umso höher das Kanalgeld. Alles in allem keine sonderlich hohen Beträge, einmal Eis essen mit der ganzen Familie kostete in etwa das Gleiche, aber egal: Hier versuchte jeder Skipper ab zehn Metern Schiffslänge sein Boot kürzer zu machen, als es war. Die Schleusenmeister blieben jedoch unerbittlich.
»Bootsname?«
»WINDSBRAUT!«
»Länge?«
»Neunfünfundachtzig!«
Der Schleusenmeister warf einen kurzen Blick von der Plattform seines Turmes herab in die Schleusenkammer.
»Zwölffünfunddreißig!«, korrigierte er mit vorwurfsvollem Unterton und schaute den Eigner strafend an. »Mal ehrlich, haben Sie das nötig?«
Der Ertappte errötete in der Regel ein wenig und zahlte dann leise murrend den angezeigten Betrag.
»Möchte mal wissen, woran die das so schnell erkennen können«, brummelte einer der ertappten Skipper, mit dem ich zusammen durch das enge Treppenhaus wieder nach unten ging.
»Die wissen doch auf den Zentimeter genau, wie lang die Schlengel in der Schleuse sind«, gab ich grinsend zurück. »Und von oben kann man hervorragend Boote und Schlengel miteinander vergleichen. Sie hatten keine Chance.«
»Oh, verdammt!«, war alles, was dem verhinderten Teppichhändler dazu noch einfiel.
Es ging einen knappen halben Meter abwärts, dann öffneten sich die schwarzen Tore und ich holte tief Luft. Welch ein Anblick!
Vor uns lag im gleißenden Sonnenlicht die Kieler Förde. Blau und hellgrün das Wasser, gelb die Strände, dunkelgrün die Wälder an den Hängen der Ufer. Und auf dem Wasser schneeweiße Segel. Meine Güte, und wir gleich mittendrin.
»DODI! Bitte räumen Sie die Schleusenkammer!«, dröhnten die Lautsprecher auf. Also auch hier hatten sie diese Marterinstrumente. Ich startete den Diesel und fuhr aus der Schleuse. Mit weit mehr als zweitausend Touren ließ ich DODI durch die Wellen preschen. Die Gischt flog über das gesamte Schiff und die Sonnenstrahlen brachen ihr Licht in den Millionen Wassertropfen. Wir flogen in einem farbigen Nebel über die Förde und zogen einen kleinen Regenbogen hinter uns her.
»Willkommen daheim!« sangen die Wellen und ein Schwarm Möwen umkreiste laut schreiend unser Schiff. Ich blickte voraus, am Friedrichsorter Leuchtturm vorbei konnte ich schon das Marineehrenmal und die Windmühle von Laboe erkennen.
»Papa! Wo wollen wir hin? Fahren wir jetzt nach Dänemark?«
Ich sah in die entsetzten Augen meiner besseren Hälfte und musste lachen.
»Erst mal bleiben wir hier. Ich glaube, Mama hat eine kleine Erholungspause verdient.«
Ich genoss den schmatzenden Kuss, den sie mir dankbar auf die stoppelige Wange drückte, und nahm Kurs auf Laboe, einem schönen Urlaub entgegen.
Aufgelaufen
»Hier rühre ich mich keinen Zentimeter mehr weg!«, bemerkte meine bessere Hälfte mit Bestimmtheit und ließ sich ächzend auf ihren Stammplatz fallen.
Ich wischte mir verstohlen den Schweiß von der Stirn und hatte ein gewisses Verständnis für ihre Feststellung. Das war bislang unser bei weitem chaotischstes Anlegemanöver gewesen, obwohl ich sagen musste, dass wir es wahrscheinlich schlimmer fanden als andere.
Es fing schon damit an, dass wir gutgelaunt auf die Einfahrt von Laboe zuhielten, ohne weiter auf die Seekarten zu achten. Das hatte sich postwendend gerächt, denn plötzlich war unter dem Rumpf ein verdächtiges Knirschen zu vernehmen. Ein Blick auf das Echolot machte mir schnell klar: Null Wasser unter dem Kiel. Ein weiterer Blick aus dem Seitenfenster zeigte, dass ich hier ohne Probleme Kieselsteine auf dem Grund zählen konnte. Aber das war nicht das, was ich heute noch wollte!
Also, Rückwärtsgang rein, dass es kracht, die Mannschaft auf die Steuerbordseite kommandiert, bis das Boot krängt. Hurra! Es klappte. Wir kamen frei. Mit blasser Nasenspitze kurvte ich um die Untiefe herum und orientierte mich dabei neu. Ach, da war ja auch die Rinne. Nicht ganz leicht zu finden für jemanden, der sich nicht auskannte. Das konnte, sollte aber nicht passieren. Leicht entnervt machte meine Frau die Leinen klar, während ich langsam durch den Hafen tourte, der sich nicht nur als gut besucht, sondern auch als absolut voll erwies. Ha! Da vorne war noch eine Box frei und das Schild zeigte grün. Also, nix wie rein!
Oha! Was war jetzt? Eine Leine über den Dalben, aber wo war der andere verflixte Pfahl? Junge, Junge, standen die Dinger hier weit auseinander. Ich musste nach hinten, um uns mit einem kräftigen Schubs abzudrücken, damit wir in Reichweite des zweiten Pfahles kamen. Der leichte Seewind fasste nach unseren Aufbauten und schon standen wir fast quer in der Box. Egal, Leine rüber, fertig! Jetzt hatte ich das Problem mit der Manövrierfähigkeit eines Langkielers im Rückwärtsgang. Der Dampfer ging überall hin, nur nicht in die Richtung, in die er sollte. Mein Bestmann stand inzwischen