Der Zarewitsch. Martin Woletz

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Der Zarewitsch - Martin Woletz

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Ich blickte auf.

      „Haben Sie in der Wunde einen gefunden oder wie kommen Sie gerade auf einen Baseballschläger?“

      „Das nicht direkt, aber es sind einige Holzsplitter in der Wunde. Ich muss sie erst analysieren.“

      „Der Bericht ist morgen früh fertig?“ Ich betonte die Frage wie eine Aufforderung. Die Mundwinkel der Ärztin verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. Sie kannte meine Ungeduld. Ich hasste es aus bürokratischen Gründen nichts unternehmen zu können.

      „Habe ich Sie je länger warten lassen, als unbedingt notwendig, Chefinspektor? Spätestens morgen Mittag ist der Bericht auf ihrem Schreibtisch.“

      Ich blickte mich um und winkte den Polizeifotografen zu mir, gab ihm einige knappe Anweisungen, welche Fotografien ich zusätzlich zum normalen Umfang gerne hätte und verlangte die Abzüge ebenfalls bis zum nächsten Morgen. Dann verließ ich den Raum.

      „Gibt es Zeugen?“ fragte ich die Beamtin vor der Tür.

      „Wir haben alle im Nebenraum zusammen geholt. Aber die sprechen nur russisch oder so ein Zeug.“ Im gleichen Moment wurde ihr bewusst, dass sie in das nächste Fettnäpfchen getreten war. Sie blickte entschuldigend zu mir. Doch ich überhörte diese Bemerkung diesmal und begab mich zum Nebenraum.

      „Bringen Sie mir den Hauswirten“, befahl ich einem Kollegen in Uniform. Ich betrat den Raum und sah zwei Männer, die mit Handschellen gefesselt am Boden saßen. Zwei Uniformierte bewachten die beiden Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Einer von ihnen war klein, wirkte ausgezehrt und hatte ausgebleichte und leicht verschlissene Kleidung am Körper. Er saß am Boden und blickte ängstlich zu mir herauf. Der andere war ein Stück größer als ich, wog sicherlich einhundertzwanzig Kilo und passte so gar nicht in das herkömmliche Flüchtlingsschema. Sein Äußeres war gepflegt, er saß kerzengerade vor mir und blickte mich gleichgültig an. Ich witterte eine freudige Überraschung, denn wenn ich Glück hatte, war das sogar ein Schlepper!

      Ich wandte mich direkt den Männern zu, blieb rund einen Meter vor ihnen stehen und betrachtete jeden einzelnen eingehend.

      „Sollen wir die Männer gleich mit aufs Revier mitnehmen, Chefinspektor?“ unterbrach einer der Uniformierten, ein weiterer Revierinspektor, meine Psychospielchen. Ich reagierte auf die Frage nicht. Ich fixierte die beiden Männer am Boden mit meinen Augen. Einer von ihnen würde auspacken und ich suchte nach jenen Anzeichen, die mir verrieten, wer das sein konnte. Ausweichende Blicke, übergroße Nervosität und gutgemeinte Ratschläge waren die häufigsten Merkmale. Ich selbst konnte ebenfalls mehrere Rollen spielen um rasch an mein Ziel zu kommen. Den guten Polizisten, der mit Verständnis und Hilfsbereitschaft auf die Flüchtlinge zuging. Den bösen Bullen, der sie einschüchterte und bedrohte oder auch den gleichgültigen Beamten, der nur seiner Pflicht nachging und streng nach Vorschrift arbeitete. Und dabei wollte ich immer nur eines: So schnell als möglich ans Ziel kommen. Daher war es mir egal, in welche Rolle ich schlüpfte.

      „Mehr als die beiden und den Toten haben Sie nicht gesehen?“

      „Nein, auch der Hauswirt meinte, dass nur die drei Männer da waren“, antwortete ein Beamter. Das war ungewöhnlich. Bisher waren bei jeder Razzia mindestens ein Dutzend Personen aufgegriffen worden, überwiegend Frauen und junge Mädchen. Eine Gruppe wie diese hatte ich bisher noch nicht gesehen.

      Für mich war es unerklärlich, warum sich die Menschen solchen Verbrechern auslieferten. Ich wusste, dass viele mit ihrem Leben bezahlen mussten, irgendwem musste doch schon aufgefallen sein, dass kaum einer hier ankam! Und wenn es mir gelang, einige wenige zu finden, bevor sie in Bordellen oder Leichenschauhäusern landeten, dann waren sie so stumm wie Fische und behielten alle wichtigen Hinweise über die Verbrecher für sich. Mich ärgerte diese penetrante Verstocktheit maßlos. Diese mangelnde Courage. Wo wäre ich heute, wenn ich mich damals nicht dafür entschieden hätte, alleine in den Wald zu laufen?! Entgegen den Befehlen der Schlepper. Tot und verscharrt im Wald. Nach meiner Genesung und der Einbürgerung war es für mich glasklar gewesen, dass ich diese Verbrecher weiter bekämpfen würde. Wenn es von Bulgarien aus nicht mehr ging, dann eben von hier. Aber nichts zu sagen, wäre für mich nie in Frage gekommen. Klar hatte ich mich nicht freiwillig für die Flucht entschieden, außer für den letzten Teil. Und ich hatte vielleicht auch keine Verwandten und Freunde mehr in der Heimat, die man unter Druck setzen konnte. Obwohl ich immer noch hoffte, meine Mutter und meine Schwester eines Tages lebend zu finden. Aber ob ich nun auf der Flucht mein Leben riskierte oder durch meine Aussage, war doch egal. War es diesen Menschen denn immer noch nicht klar, dass sie sich und allen anderen einen Gefallen taten, wenn sie auspackten und die Hintermänner preisgaben? Damit niemand mehr in einsamen Wäldern von Kugeln durchsiebt werden würde.

      „Woher kommen Sie?“ eröffnete ich die Befragung mit ruhiger, klarer Stimme. Ich hatte mich vor den kleineren Mann auf den Boden gehockt und blickte ihm direkt in die Augen. Der Mann war etwa vierzig bis fünfundvierzig Jahre alt, sah aber bei weitem älter aus. Sein gebräuntes Gesicht war von einem stoppeligen Bart geprägt, der schon mehr grau als schwarz war. Die Wangen waren eingefallen und von tiefen Falten geprägt. Auf der Stirn war eine verkrustete Wunde zu sehen, so als hätte er sich vor ein paar Tagen den Kopf gestoßen. Die Haare waren ungepflegt, jedoch noch dunkel bis auf die Ränder.

      „Woher kommen Sie?“, wiederholte ich die Frage eine Spur lauter und eindringlicher. Ich zog den Mann an den Handschellen nach oben und stand ihm nun gegenüber. Schmale Schultern, sehnige Arme. Ich war davon überzeugt, dass dieser Mann eine lange harte Flucht hinter sich hatte. Die an sich gebräunte Haut hatte einen grauen Teint. Seine Augen waren milchig-gelb. Sein Atem roch schlecht und war flach. Der Mann war am Ende seiner Kräfte, fertig, wahrscheinlich krank. Doch gleichzeitig versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. Er wich meinem Blick nicht aus. Er wartete einfach ab. Es schien, als habe er nichts mehr zu verlieren.

      „Verstehen Sie meine Frage?“, lockte ich ihn.

      „Verstehen Sie, was ich von Ihnen wissen möchte?“ Noch immer kam keine Reaktion. Ich trat einen Schritt zurück und blieb noch einen Augenblick vor den Männern stehen, drehte mich dann um und ging zur Tür zurück. Den beiden Beamten befahl ich, die Männer zu bewachen.

      „Wo ist der Hauswirt?“, fragte ich die Beamtin.

      „Hier!“ antwortete sie sofort und deutete in Richtung Eingangstür. Dort stand ein nervöser fetter Mann, jenseits der fünfzig im Unterhemd und Jogginghose. Er war ungepflegt mit gelben Zähnen. Er stank nach Schweiß und kaltem Rauch. Ich öffnete eine Türe im Flur.

      „Hier rein!“ herrschte ich den Mann an. Die Beamtin schickte sich an mitzugehen, doch ich blockte sie im Türrahmen ab.

      „Sie bleiben hier. Wenn ich wieder rauskomme, dann sagen sie mir, wie Sie darauf gekommen sind, dass die Männer aus Russland stammen.“

      „Das kann ich Ihnen auch gleich sagen, Chefinspektor. Für mich klingen „Stoy“ und „Njet“ nach den russischen Wörtern für „Stopp“ und „Nein“.“ Die Kollegin lächelte triumphierend und war sich sicher, die Scharte von vorhin ausgemerzt zu haben.

      „Das ist alles?“ fragte ich sie gelangweilt. Ich hatte nicht vor, sie Oberwasser gewinnen zu lassen.

      „Ich hoffe, Ihnen fallen noch bessere Gründe ein.“ Damit ließ ich die verdutzte Polizistin stehen und schloss die Türe von innen.

      „Warum ist der Kerl so ein Arschloch?“, fragte die Polizistin die beiden Kollegen nachdem ich die Türe von innen geschlossen hatte.

      „Nimm’s nicht so tragisch. Er hat seine Macken

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