Der Zarewitsch. Martin Woletz

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Der Zarewitsch - Martin Woletz

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Major zur Aufgabe gemacht, mich so rasch als möglich loszuwerden. Und wenn ich dabei noch in den tiefsten Keller verschwinden würde, dann wäre das aus seiner Sicht das Beste. Doch die Erfolge gaben bisher immer mir Recht. Und die Rüffel, die ich mir wegen meiner Ermittlungsmethoden einfing, betrachtete ich als Teil meiner Arbeit.

      Ich drehte mich wieder zu Schweiger um. Der ruderte wild mit den Armen in der Badewanne und versuchte hinter meinem Rücken wieder auf die Beine zu kommen.

      „Lassen Sie das, Schweiger. Und machen Sie den Mund auf. Was sind das für Leute? Was wollen die hier? Und warum sind keine Mädchen dabei?“

      „Chef, ich weiß es wirklich nicht. Das sind keine normalen Jungs. Das sehe ich auch. Aber ich weiß wirklich nicht, was die wollen!“ Er machte eine kurze Pause.

      „Mir wird das Ganze zu heiß. Können Sie mich nicht mitnehmen. In Schutzhaft oder sowas. Mann, Sie müssen mich schützen!“

      Schweiger hatte seine Taktik geändert, aber ich fiel auf den Trick nicht herein.

      „Ich hab Angst vor diesen Typen. Die machen keine Gefangenen. Wenn die mitkriegen, dass die Polizei da war, dann bin ich Geschichte. Ich flehe Sie an. Nehmen Sie mich mit, bitte!“

      Wenn er nicht so ein hässliches, stinkendes Schwein wäre, hätte er einem fast leidtun können.

      „Ich werde Sie mitnehmen, Schweiger. Aber freuen Sie sich nicht zu früh. Wir beide sind noch nicht fertig. Sie werden sich noch an Dinge erinnern, von denen Sie gar nicht wussten, dass sie sie jemals vergessen haben. Das verspreche ich Ihnen. Und Gnade Ihnen Gott, wenn ich dahinter komme, dass Sie mich belogen haben!“

      Ich öffnete die Badezimmertür und trat auf den Flur hinaus. Ich blieb einen Augenblick stehen und zog dann langsam meinen Mantel aus.

      „Jetzt legt er erst richtig los“, raunte der ältere Polizist seinem jüngeren Kollegen ins Ohr. In seiner Stimme schwang ein Unterton irgendwo zwischen Achtung und Sorge mit.

      „Ich hab den Chefinspektor einmal beobachtet, wie er einen knallharten Burschen, der mit uns nur gespielt hat, innerhalb von fünfzehn Minuten zum Singen gebracht hat. Ein Gespräch unter Männern, verstehst Du?“ Der junge Kollege nickte und wäre beinahe in Versuchung gekommen, mich zu seinem Vorbild zu machen.

      „Allerdings konnte Korelev das Geständnis nicht verwenden, weil ihn der Typ beim Staatsanwalt angezeigt hat. Tja, übertreiben darf man’s natürlich nicht. Da hat er dann zum Rapport müssen und hat einen gewaltigen Anschiss bekommen.“

      Sein jüngerer Kollege verwarf die Idee mit dem Vorbild wieder.

      „Und hat er den Typen dann doch festnageln können?“

      „Ja. Er hat einen Mann in die Zelle eingeschleust und dem hat der Trottel alles brühwarm erzählt.“ Nun war ich doch noch zum Vorbild geworden.

      „Kommen Sie her!“ rief ich dem Erzähler zu. Der Beamte setzte sich sofort in Bewegung.

      „Bringen Sie Herrn Schweiger zur Dienststelle und lassen Sie ihn wegen Menschenhandels in eine Zelle stecken. Um den Papierkram kümmern Sie sich auch.“ Mit dieser Anweisung ließ ich den Kollegen alleine und ging wieder zu dem Zimmer, in dem die unbekannten Männer warteten.

      „Wir fangen nochmals von vorne an.“ Diesmal sprach ich russisch. Ich sprach laut und sah mir die Männer genau an.

      „Ich werde Sie jetzt nochmals fragen, wer Sie sind und woher sie kommen. Ich werde Sie einzeln fragen. Derjenige von Ihnen, der mir als erster brauchbare Informationen gibt, darf vielleicht in Österreich bleiben. Den anderen lasse ich noch heute zur Grenze bringen.“ Ich machte eine kurze Pause und las in den Gesichtern, wer am deutlichsten reagierte. Mittlerweile war ich sicher, dass mich die Männer verstanden. Beide versuchten betont uninteressiert zu wirken. Der ruhige, ausgezehrte Mann blickte mich die ganze Zeit mit müden Augen an, während der andere abwechselnd lässig auf mich und den anderen Mann blickte.

      „Wer von Ihnen möchte beginnen?“ Ich setzte mein Spiel fort. Noch bevor einer der Männer reagieren konnte, sprach ich weiter.

      „Ok, wenn Sie wollen, fangen wir also mit Ihnen an.“ Er trat wieder auf den kleineren Mann zu, der mittlerweile wieder am Boden saß. Ich tat, als hätte er sich gemeldet und bekam die erwartete Reaktion des anderen Kerls. Der blickte wütend auf den hageren Kerl, der erschrocken zur Seite rutschte. Damit hatte ich den ersten Stachel in das Fleisch getrieben. Wenn sich die beiden nicht mehr sicher sein konnten, dass der andere schwieg, war sicher bald eine Information zu bekommen.

      „Berger, Sie und Ihr Kollege haben weiterhin ein Auge auf den anderen. Sie melden mir umgehend alle Auffälligkeiten, ist das klar?“ Ich blickte den älteren Beamten prüfend an.

      „Was meinen Sie mit Auffälligkeiten, Chefinspektor?“ Berger wollte sicher gehen, dass er mich richtig verstanden hatte.

      „Ich meine damit, dass Sie mir sagen sollen, wenn er Sie anblickt, anspricht oder anrempelt. Ich meine damit, dass mir sagen sollen, wenn er umkippt, zum Heulen anfängt oder nach seiner Mami ruft. Haben Sie das verstanden?“

      „Ja natürlich, Herr Chefinspektor. Hab ich verstanden.“ Der Polizist tippte sich beflissen an die Mütze.

      „Wir werden ja sehen.“ Ich hievte den anderen an den Handgelenken hoch.

      „Wir gehen nach nebenan. Sorgen Sie dafür, dass wir nicht gestört werden, Kollege.“ Der Auftrag richtete sich an den jüngeren Beamten.

      „Ich bin Revierinspektor Novotny, Herr Chefinspektor.“

      „Sollten Sie sonst auch noch etwas zum Fall beitragen können, dann werde ich mir Ihren Namen merken. In Ordnung?“ Ich konnte Informationen, die ich nicht verlangt hatte, nicht leiden. Das war vielleicht menschlich eine Schwäche, half mir aber, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren.

      „Gehen wir.“ Ich führte den Mann absichtlich in das Zimmer, in dem der Tote gelegen hatte. Auf dem Boden war die übliche Skizze zu sehen. Eine weiße Linie zeichnete die Umrisse des toten Körpers nach. An der Stelle, an der der Kopf gelegen hatte, klebte ein Blutfleck am Parkett.

      Diesen Fall würde ich bis Mittag geklärt haben. Es war mir schon ziemlich klar, was geschehen war. Ich war schon mitten in meinem Schauspiel. Es war mir bereits gelungen, einen Zweifel zwischen die Männer zu bringen. Die weicheren Jungs klappten meistens bereits zusammen, wenn ich sie in den Raum zur Einzelbefragung führte, in dem das Verbrechen geschehen war. In den darauffolgenden Phasen gelang es mir dann immer, dem Verhörten die entscheidenden Informationen zu entlocken. Auf die eine oder andere Weise.

      Als Junge hatte ich meinen Vater einige Male gefragt, wie es denn so sei, wenn man ein Verhör führen musste. Welche Tricks er angewandt hatte, wenn er einen Verbrecher überführen konnte? Wie weit er gehen durfte? Wie hatte er erkannt, ob der Befragte log oder die Wahrheit sagte? Vater hatte mir immer eine Antwort gegeben, aber ich war mir sicher, dass Vater nicht immer die ganze Wahrheit gesagt hatte. Die Kleinverbrecher, Trickdiebe oder Fälscher, waren nie ein Problem für ihn gewesen. Aber wenn sie einen vom organisierten Verbrechen geschnappt hatten, dann hatte die Sache sicher anders ausgesehen. Diese Männer waren Profis und einer strengen Hierarchie unterworfen. Sie wussten, dass sie ihr Todesurteil unterschreiben würden, wenn Sie der Miliz Hinweise auf die Organisation, deren Geschäfte oder Mitglieder gegeben hätten. Vater war Realist gewesen. Er hatte mir immer erklärt, dass Gewalt keine Probleme lösen würde, sondern der Grund für Probleme ist. Es gab

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