STURM ÜBER THEDRA. Michael Stuhr
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Читать онлайн книгу STURM ÜBER THEDRA - Michael Stuhr страница 23
Der Kranke kam in dieser Nacht natürlich doch an Teris Lager. Teri lag auf dem Rücken und konnte sich nicht bewegen, als es begann. Zuerst hörte sie ein Schaben, so wie Stoff auf Stein, das aus der finsteren Ecke drang. Teri versuchte den Kopf zu drehen, aber es wollte einfach nicht gelingen.
Angst kam sacht aus der Dunkelheit geweht und legte sich wie ein schwarzes Tuch über Teri. Jetzt hörte sie ein Keuchen. Rasselnder Atem näherte sich, brach ab, setzte näher und gieriger wieder ein. Teri wollte schreien vor Angst. Das Herz krampfte sich ihr zusammen. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie war krank. Die Anderen würden sie zurücklassen! - Der Fenko-Baum. Gab es hier irgendwo Holz vom Fenko-Baum?
Schlurfendes Tappen war zu hören. Der Kranke kam.
Viel zu viele schabende, unsichere Schritte waren zu hören. So groß war der Raum doch überhaupt nicht. Jeden Moment mußte der Mann in Teris Gesichtsfeld auftauchen. Krampfhaft versuchte sie die Augen zu schließen, um das Entsetzliche nicht sehen zu müssen, aber nicht einmal das gelang.
Ein dunkler Schatten schob sich vor die Höhlendecke, die von der Restglut des Kochfeuers rot angestrahlt wurde. Jetzt beugte der Schatten sich zu Teri herab. Ein blasses Oval wurde sichtbar. Ein Gesicht, an dem das Fleisch in langen Fetzen herunterhing. Ein Gesicht, das keine Augen mehr hatte. Ein Gesicht, das grausam auf Teri herablächelte.
Teri schrie, wie nie zuvor in ihrem Leben. Ihr ganzer Körper vibrierte und wand sich. - Doch kein Laut kam über ihre Lippen. Die Angst hatte ihr den Mund mit Leichenhänden verschlossen.
"Hab' doch keine Angst", sagte das Ding mit leiser, zischender Stimme. "Ich habe auch ein Geschenk für dich." Plötzlich zog es so etwas wie einen großen Fächer hinter seinem Rücken hervor und hielt ihn über Teri.
Ein Zweig des Fenko-Baums! Genau konnte Teri die gefiederten Blätter erkennen. In stummem Entsetzen lag sie da und sah zu, wie der Zweig sich langsam auf ihre Brust senkte. Größer und immer größer wurden die Blätter vor ihren Augen und fingen an, sich zu bewegen. - Aber das waren ja überhaupt keine Blätter! - Hände waren es! Kleine, knochige, dornige Skeletthände, die nach Teris Körper und Gesicht griffen. - Schon hatten sich die ersten Klauen in ihre Kleidung gekrallt, da begann das Bild langsam zu verblassen. "Es geht mir jetzt besser", sagte das Ding wie von weither mit seiner dünnen, zischelnden Stimme. Teri wälzte sich wimmernd auf ihrem Lager hin und her und fuhr plötzlich auf.
Verstört starrte sie in den düsteren Raum. Nur ein Traum! Alle schliefen. Teri war froh, dass sie nicht geschrien hatte, es wäre ihr peinlich gewesen, die anderen zu stören. Sie zwang sich, sich wieder ruhig auf den Rücken zu legen und lauschte ihrem heftig pochenden Herzen, da fiel ihr etwas auf. Eine Stelle der Höhlendecke schien dunkler zu sein, so als wenn ... Abwehrbereit riß Teri die Arme vor den Körper.
Der dunkle Fleck bewegte sich, beugte sich zu Teri herab. Ein bleiches Oval wurde erkennbar ... "Es geht mir besser", sagte das formlose Ding mit dünner, zischender Stimme.
Teri blieb der Verstand stehen. Sie fühlte, wie ihre Blase sich krampfartig entleerte, dann sah sie, dass das Ding eine Hand nach ihr ausstreckte.
Plötzlich verschwand die Lähmung aus Teris Körper. Blitzartig warf sie sich zur Seite, nur fort von diesem Entsetzen, sprang auf und rannte laut schreiend über die Schlafenden hinweg. Wie ein gejagtes Tier rannte sie im Dämmerschein der heruntergebrannten Glut zum Ausgang und prallte dort gegen das massive Tor. Fieberhaft suchte sie die schweren Balken nach einem Durchschlupf ab. Nur fort hier! Aber es war hoffnungslos. Schluchzend sackte Teri an dem Tor in sich zusammen.
Teri schämte sich furchtbar. Nicht nur, dass sie sich benommen hatte, wie ein dummes, furchtsames Erdhörnchen - nein - sie hatte ja auch Tana und Gerit in höchster Gefahr allein gelassen. Zum Glück schien das den beiden Erwachsenen nicht weiter aufgefallen zu sein. Sie hatten nur das erschreckte Kind gesehen, das zitternd und beschmutzt vor dem Eingangstor kauerte und dringend getröstet werden mußte.
Mittlerweile verstand Teri selbst nicht mehr, wie Fakun sie so sehr hatte erschrecken können. Fakun, der zurückgelassene Hirte hatte mitten in der Nacht bemerkt, wie das Fieber seinen Körper verlassen hatte. "Es war, als sei ich ein Weinschlauch", berichtete er, "und das Fieber ränne durch ein Loch am Boden aus mir heraus."
Fakun hatte noch einige Zeit ruhig dagelegen und Kraft gesammelt, denn er war sehr schwach. Dann hatte er sich aufgerappelt und war schlurfend zu irgendeinem Nachtlager gewankt. "Es tut mir Leid, dass ich dich erschreckt habe", entschuldigte er sich bei Teri. "Aber ich habe mich doch so gefreut, dass ich wieder gesund bin!"
"Schon gut", gab Teri mürrisch zurück. Zum Glück hatte außer Tana niemand bemerkt, was ihr in ihrer Not passiert war, aber der Gedanke daran war nicht dazu angetan, die Laune eines zehnjährigen Mädchens zu heben.
Teri staunte, wie jung Fakun noch war, er konnte kaum älter als zwölf Jahre sein, schätzte sie. Jetzt saß er am Feuer, das die alte Kraan-Frau wieder geschürt hatte und wärmte sich wohlig an den rot-gelben Flammen. Freundlich sah er aus. Viel freundlicher als das halbverweste, riesige Monster, das Teri aus dem Schlaf gerissen hatte - und viel hübscher. Teri beschloß ihn zu mögen.
Nach und nach gingen alle, die durch Teris Geschrei aus dem Schlaf gerissen worden waren, wieder zu Bett. Nur Fakun, der vorsichtig von den Vorräten der Kraan-Leute aß und die Mutter Bgobos blieben am Feuer zurück.
Nach einiger Zeit, als alles ruhig geworden war, begann die Kraan-Frau leise in ihrer Heimatsprache zu singen. Teri verstand zwar die Worte nicht, wohl aber den Sinn des Liedes: Von sonnendurchglühten Steppen sang die alte Frau, von einsamen Dörfern im steinigen Vorgebirge, von Herden auf der Suche nach Wasser und Gras, von der Hochzeit eines Königspaares und von einem großen Fest zu Ehren der Götter. Es war ein ruhiges, ein beruhigendes Lied. Teris Phantasie fügte den Bildern die es besang ein weiteres hinzu: ein Erdhörnchen, das friedlich in seinem Bau schläft. Langsam trug die fremdartige Melodie sie weiter in den Schlaf, und so bemerkte sie nicht den erstaunten Blick der Alten, die, mit den Lauten ihrer Sprache Traumbilder malend, weitersang, wobei ihre Augen zu lächeln begannen. - Diese Teri war ein besonderes Mädchen. Sie würde sich auf der Reise sehr um sie kümmern, nahm sich die Alte vor.
Am nächsten Morgen war Fakun wieder einigermaßen bei Kräften. Blass zwar und sehr dünn, aber immerhin fest auf den Beinen. Erfreut gratulierten die Kraan ihm zu seiner Genesung und er bedankte sich immer wieder für die gute Pflege.
"Was wirst du jetzt anfangen?", wollte Teri von ihm wissen, als er beim Frühstück neben ihr saß. Tana hatte sofort, als das Tor wieder geöffnet wurde, ein großes Brot besorgt und auf eine Decke neben die Feuerstelle gelegt. Ohne zu zögern griffen die Kraan erfreut zu. Auch Fakun kaute genießerisch auf einer Brotkruste herum, bis ihm Teris Frage den Appetit zu verderben schien.
"Ich, ich weiß nicht", gab er zögernd zu. "Meine Gefährten haben mich hier als Todgeweihten zurückgelassen. Das dürft ihr ihnen nicht übelnehmen." Auch Tana und Gerit hörten interessiert zu. "Das ist bei unserem Volk so Sitte. Wir wandern sehr viel im Land umher. Wenn jemand stirbt, dann darf er die Gruppe nicht aufhalten. Sein Besitz wird verteilt und seine Familienbande erlöschen. Er selbst wird an geeigneter Stelle zurückgelassen."
"Was ist eine geeignete Stelle?" Gerit beugte sich vor.
"Ein Dach! Ein Dach gegen Regen und Sonne und Wind. Ein Dach aus Zweigen, aus Holz oder aus Stein.