Feindliche Sektoren. Hartmut Höhne
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Hartmut Höhne
Feindliche Sektoren
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Inhaltsverzeichnis
3. Vom Broterwerb des Künstlers
1. Arnos Kiez
Es reichte nur noch für einen traurigen Klecks auf der Palette. Ärgerlich warf er die zu einem schmalen Streifen zerdrückte Metalltube auf die riesige Arbeitsplatte, auf der sich seine Malutensilien ausbreiteten.
Dabei war er sich ganz sicher gewesen, dass sein Vorrat an Schwarz noch bis morgen reichen würde. Er räumte Gläser, Terpentinflaschen, Pinsel, Spachtel, zerknüllte Stofffetzen, Rahmenteile und jede Menge weiße Farbtuben hin und her, schwarz war nicht dabei. Auch in den Regalen fand sich nichts.
Weiß brachte ihn heute nicht weiter, die Grundierung der Leinwand war längst abgeschlossen.
Arno verbrauchte also den schwarzen Klecks, indem er ihn zu einem Dreieck vermalte, nur die Außenlinien. Die linke Hälfte der Leinwand war mit Dutzenden ineinander verschränkter Dreiecke bedeckt, während die rechte Seite, noch gänzlich unberührt, in einem reinen Titanweiß schimmerte.
Die hölzerne Handpalette nahm sich recht übersichtlich aus, da sie in lediglich zwei Farbbereiche unterteilt war, eben in Schwarz und in Weiß. Arno arbeitete ausschließlich mit den unbunten Farben, wobei die Grautöne für ihn keine Rolle spielten. Er schätzte die klare, eindeutige Zuordnung.
Schwarz = dunkel, weiß = hell, grau = gar nix.
Rot, blau, gelb, grün & Co waren etwas für den Kindergarten, wo sie die Gören mit einer bunten, freundlichen Weltsicht indoktrinierten, so als gäbe es täglich nur Fun und Party. Die wirkliche Welt war anders beschaffen, nämlich unbunt, wie seine Werke.
Am meisten hasste er pink, die billig wirkende, amerikanische Lutscherfarbe, die nichts als Kitsch und Künstlichkeit ausdrückte. Scheußlich. Vor Jahren hatte er ein Schreiben an den Petitionsausschuss des Bundestags gerichtet, um ein staatliches Pink-Verbot zu erwirken, aber die Herrschaften hatten es nicht für nötig gehalten zu reagieren. Die verstanden eben nichts von einer anspruchsvollen Farbenlehre, da konnte man sich auch in Zukunft nichts erwarten.
Die Kopfhaut fing an zu jucken, wie immer, wenn er angespannt war. Er fuhr mit dem Pinselstiel durch das dichte, kurz geschnittene Haar um sich zu kratzen, aber es juckte eher noch mehr, so, als würden sich sämtliche Nervenenden gegen ihn verbünden, um ihr Spiel mit ihm zu treiben. Es war schon vorgekommen, dass er sich in solchen Situationen ein schwarzes Haarbüschel ausgerissen hatte, oder die Kopfhaut blutig kratzte. Möglicherweise könnten auf diese Weise Narben entstanden sein, Arno wusste es nicht. Er hatte mit Anfang fünfzig noch keinerlei Probleme mit dem Haarausfall, sodass man nichts sah.
Es nützte nichts. Wenn er heute noch weiterarbeiten wollte, musste er sich auf den Weg zu Jacek machen, schwarze Farbe besorgen.
Wie unangenehm! Einfach lästig, vor allem jetzt, am Monatsende. Die knappe Geldreserve, vom letzten Monat noch, war so gut wie aufgebraucht und Farbe – Acrylfarbe musste es schon sein – war teuer. Eigentlich lohnt es sich für mich gar nicht, eine Geldbörse zu besitzen, ging es ihm durch den Kopf, bei den paar Kröten.
Als er vor die Tür trat, bemerkte er gleich, dass der Platz an der gegenüberliegenden Hauswand, an der er immer sein Fahrrad abstellte, leer war. Es erstaunte ihn nicht, letztlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es jemand klauen würde. In Hamburg wurden ständig Räder gestohlen, speziell hier in Ottensen. Meistens waren es die besseren Vehikel, für die man sich interessierte. Seines war ein einziger Schrotthaufen, aber anscheinend gab es auch hierfür einen Bedarf. Das zerstörte Schloss lag vor der Wand. Arno inspizierte es kurz. Bolzenschneider, saubere Arbeit. Er pfefferte das Ding in die Mülltonne, bevor er durch den Torbogen in den ersten Sektor feindlichen Territoriums eindrang.
Auf der Friedensallee war die Hölle los, Feierabendverkehr. Kriegsallee wäre die passendere Straßenbezeichnung, nachmittags um fünf. Um diese Zeit sollte man einfach nicht auf die Straße gehen, weil nur Idioten unterwegs waren. Auf dem Bürgersteig klingeln einen die Radfahrer beiseite, zischen wie ein Pfeil an einem vorbei, erschrecken einen fast ins Koma. Autofahrer rasen mit hoher Geschwindigkeit auf die rote Ampel zu, bremsen erst im letzten Moment. Zum Teufel mit ihnen!
Er war auf alles gefasst. Mit dem Fahrrad würde er sich etwas unabhängiger fühlen. Vor allem aber käme er schneller ans Ziel und wäre auch früher wieder zu Hause.
Wo sollte er denn in nächster Zeit ein neues gebrauchtes Rad herbekommen? Beim Fundbüro der Bahn war erst in vier Wochen wieder eine Versteigerung von gefundenen Fahrrädern angesetzt. Die Termine hatte er im Kopf, denn er steigerte gerne mit und sei es auch nur, um die Preise nach oben zu treiben.
Einmal hatte er eines seiner eigenen Bilder zum Fundbüro gebracht, dort als Fund gemeldet. Bei der nächsten Versteigerung setzte er sich in die letzte Reihe und verfolgte die Gebote, ohne selbst einzugreifen. Es ging nur schleppend voran und Arno befürchtete schon, dass keiner sein Werk haben wolle. Schließlich hob eine dicke, hässliche Mittzwanzigerin, Typ Biotonne, eine ihrer Wurstpratzen und ersteigerte sein Bild für schlappe zwanzig Euro! Allerhand, fand er. Da fehlten ja wohl hinten noch ungefähr zwei Nullen! Die Vorstellung, das Bild hinge jetzt in der Wohnung dieser Person, widerte ihn an. Sie war entschieden zu hässlich für sein Werk. Na, egal. War ja auch eine Schnapsidee gewesen, eines seiner Prachtstücke zu opfern. Ein Opfer für die ästhetische Bildung hätte es sein können, aber das Experiment hatte er in den Sand gesetzt, ganz klar.
Sein letztes Fahrrad hatte er auch für zwanzig Euro ersteigert. Für seine bescheidenen Zwecke - die Überwindung feindlicher