Tagungsband über das Historische Symposium "220 Jahre Humboldt in Franken". Группа авторов
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An den Grenzen des fränkischen Reichskreises lagen die gefürstete Grafschaft Henneberg, deren Nachfolgeterritorien - neben Sachsen-Meiningen verfügten über Teile des Henneberger Erbes Kursachsen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Gotha und Sachsen-Hildburghausen, Hessen-Kassel - und die gefürstete Grafschaft Hohenlohe. Sechs Linien der Fürsten von Hohenlohe gehörten dem Fränkischen Grafenkollegium an: Öhringen, Langenburg, Ingelfingen, Kirchberg, Bartenstein und Schillingsfürst. Die Grafschaft bildete insgesamt einen Fideikommißbesitz des Hauses, doch waren innerhalb der Grafenfamilie Teilungen die Regel. Sie umfaßte etwa 100000 Einwohner, die in 17 Städten - am bedeutendsten war Öhringen - , sieben Marktflecken und circa 250 Dörfern und Weilern lebten. Auch an diesen Territorien war die Aufklärung nicht spurlos vorübergegangen, doch blieben die Herrschaftsverhältnisse patriarchalisch geprägt.
Die übrigen Grafschaften beruhten auf Rodungsherrschaften. An den Rändern des Steigerwaldes lagen Castell, Limpurg, Schwarzenberg und Wiesentheid. Im Odenwald und Spessart befanden sich die Grafschaften Erbach, Löwenstein-Wertheim und Rieneck. Diese Territorien wurden nach der Gründung des Rheinbunds mediatisiert und unter den Rheinbundstaaten aufgeteilt.
Fünf Reichsstädte gehörten dem fränkischen Reichskreis an, welche die Städtebank bildeten. Nürnberg, eine der größten Reichsstädte des Alten Reiches, besaß das umfangreichste Territorium einer Reichsstadt.45 Dazu gehörten die sechs Städte Lauf, Hersbruck, Velden, Altdorf, Gräfenberg und Betzenstein. Über weite Teile des Nürnberger Territoriums bis vor die Stadtmauern beanspruchten allerdings die Markgrafen die Fraisch. 1796 wurden dies von Preußen unter Hardenberg mit militärischer Gewalt durchgesetzt. Kurbayern hatte bereits 1790 bis 1792 Okkupationen vorgenommen, um die Gebietsabtretungen des Landshuter Erbfolgekrieges, besonders des Pflegamts Velden, rückgängig zu machen. Das Territorium umfaßte so nur noch 30 Quadratmeilen und 30000 Einwohner.
Der Nürnberger Rat wurde ausschließlich vom Patriziat besetzt.46 Legislative, Exekutive und Jurisdiktion übte der Innere Rat aus. Die aristokratische Oligarchie hatte während des 18. Jahrhunderts zu einer gewissen Erstarrung der Politik geführt, die von einem wirtschaftlichen Niedergang infolge der merkantilistischen Politik der benachbarten Fürsten und einem Anwachsen der städtischen Schulden durch überhöhte Reichsabgaben begleitet war.47 So mußte Nürnberg in Friedenszeiten 20% und in Kriegszeiten über 50% seines Haushaltes für Kaiser und Reich zur Verfügung stellen. Moderne Manufakturen wurden in Nürnberg nicht gegründet, die Stadt verschloß sich weitgehend der gewerblichen Innovation. Der Größere Rat, in dem das Bürgertum und die Handwerker vertreten waren, erzwang mit dem Grundvertrag von 1794 die Teilhabe an der Stadtregierung, insbesondere das Mitspracherecht bei finanziellen Angelegenheiten.48 Allein 1796 erwuchs der Reichsstadt durch französische Einquartierungen ein Schaden von über drei Millionen Gulden. 1796 hatte der Rat die Reichskleinodien zum Schutz vor den Franzosen über Regensburg an den Kaiserhof bringen lassen. Wegen der desolaten Finanzlage wurde die Reichsstadt seit 1797 von einer kaiserlichen Subdelegationskommission regiert. Die kirchliche Aufklärung erfaßte um die Jahrhundertwende die Liturgie, die Apostel- und Marienfeiertage wurden 1805 abgeschafft.49
Neben Nürnberg saßen Rothenburg,50 Schweinfurt, Weißenburg und Windsheim auf der Städtebank des Fränkischen Kreises. Während Rothenburg mit seinem umfangreichen Territorium den Rang einer Mittelstadt beanspruchen konnte, waren die übrigen drei nur Kleinstädte mit Mittelpunktsfunktionen in reichen Agrargebieten. Auch ihre Geschicke wurden von patrizischen Oligarchien bestimmt, sie lehnten sich eng an Nürnberg an.
Nun ist noch die Reichsritterschaft vorzustellen, die sich endgültig Mitte des 16. Jahrhunderts aus den landesfürstlichen Territorien gelöst und als eigenständige Korporation organisiert hatte.51 Allerdings konnte sie keine Kreisstandschaft erwerben. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 hatte sie die Religionshoheit errungen. Die territoriale Ausdehnung des fränkischen Ritterkreises übertraf noch die des Reichskreises. Die „reichsfrey ohnmittelbare Ritterschaft Landes zu Francken“ war in sechs Kantone oder Ritterorte organisiert: Odenwald, Gebürg, Rhön-Werra, Steigerwald, Altmühl und Baunach. Die Reichsritterschaft stand unter dem besonderen Schutz des Kaisers, dem sie ihrerseits Einflußsphären am Rande und innerhalb der sich verfestigenden Territorialfürstentümer offenhielt. Sehr selbstbewußt bezeichnete sich ein Angehöriger der Ritterschaft und zugleich brandenburg-ansbachischer Minister, Christoph Ludwig von Seckendorff-Aberdar, 1754 anläßlich einer Geburtstagsfeier für Markgraf Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach als freier Franke: „Ein freyer Frank feiert seines Fürsten Fest mit andern freyen Franken in einer freyen Stadt.“52 Der leider viel zu früh verstorbene bedeutende Kenner des fränkischen Adels, Gerhard Rechter, hat gezeigt, daß Franke hier aber im Verständnis des Reichsritter nicht in erster Linie die landschaftliche Zugehörigkeit charakterisieren sollte, sondern in der Verbindung mit frei als ständisches Merkmal zu werten ist.53
Wir haben gesehen, wie vielgestaltig sich Franken noch am Ende des 18. Jahrhunderts darstellte. Franken war kein staatsrechtlicher Begriff, lediglich der seit 1522 so bezeichnete Fränkische Reichskreis bildete ein gemeinsames Dach der fränkischen Reichsstände.54 Der Reichskreis war ab 1500 zunächst zur Wahl für die Beisitzer des Reichsregiments und später des Kammergerichts eingerichtet und dann mit weiteren Aufgaben wie der Erhebung der Reichssteuern, der Münzaufsicht und der Friedenswahrung betraut worden.55 Das Kreisdirektorium führte der Bischof von Bamberg, seit 1559 konnten die Markgrafen das Mit-Ausschreiberecht behaupten. Die Zollern übten auch das Amt des Kreisobristen aus. Bereits 1747 (Frankfurt und Leipzig) hatte Georg Paul Hönn ein „Lexicon Topographicum in welchem alle des Fränckischen Craises Städte, Clöster, Schlösser, Markflecken, und Dörfer“ verzeichnet waren, vorgelegt.
Der Fränkische Kreis war am Ende des 18. Jahrhunderts noch funktionsfähig, unterhielt ein stehendes Heer, nahm die Landfriedenswahrung wahr, kontrollierte das Münzwesen und überwachte die Durchführung der Reichshandwerksordnung. 1788 war eine Finanzreform durchgeführt worden, nach der mit der Amortisation der Schulden begonnen wurde. Seit 1791 tagte der fränkische Kreistag permanent in Nürnberg und entwickelte sich zu einer eigenständigen politischen Institution. Die Gesandten der 27 Kreisstände verstanden sich ein Stück weit als Gemeinschaft und begannen, eigene Konzepte zu entwickeln. Eine führende Rolle unter ihnen spielte Friedrich Adolph von Zwanziger (1745-1800), der als Delegierter die Interessen der Reichsgrafschaft Castell und mehrerer kleinerer Stände beim Kreis vertrat.56 Schon frühzeitig forderte er, den Kreis als Gesellschaft gleichberechtigter Stände mit Mehrheitsbeschlüssen zu organisieren.57 Den Usurpationsbemühungen Hardenbergs erwuchs in ihm ein ernsthafter Gegner. Auf Druck Preußens erhielten die Kreisstände 1795 sogar erweiterte Mitwirkungsrechte, worüber sie ein Abkommen schlossen, das in 1200 Druckexemplaren verbreitet wurde.58 Allerdings blockierten die brandenburgischen Delegierten dann bald die Zusammenarbeit im Kreis.59
Zwanziger nahm direkte Verhandlungen mit Vertretern der französischen Republik auf und reiste im Auftrag des Fränkischen Kreises im August 1796 nach Paris.60 Dies brachte ihm von Hardenbergs Pariser Gesandten den Vorwurf ein, er plane, den Fränkischen Reichskreis in „eine förmliche, unter französischem Schutz stehende, ständische Republik“ zu verwandeln.61 Mehrfach machte auch Hardenberg Zwanziger diesen Vorwurf und beschuldigte ihn damit als Jakobiner.62 Die Kreisgesandten waren aber sicher realistisch genug, keinen Umsturz der politischen Verhältnisse zu erstreben. Sicher haben sie sich Gedanken über eine künftige gemeinsame Verfassung der fränkischen Territorien gemacht, die Verbindung mit jakobinischen Gedanken ist aber allein den Anklagen Hardenbergs zu entnehmen. Die Identität als Mitglied des fränkischen Kreises dürfte sich auf einen engen Kreis politischer Eliten unter den Kreisgesandten beschränkt haben. Es gibt keine überzeugenden Beweise, daß die Bewohner der fränkischen Territorien ein grenzüberschreitendes, reichskreisweites fränkisches Gemeinschaftsgefühl entwickelt hätten.