Geschichten aus dem Leben. Claus Beese

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ist, verschwindet das Wasser dann vollkommen.“

      Verstanden hatte ich es nicht, aber mir einen weiteren Vortrag anhören, nee, das wollte ich auch nicht. Ich hoffte nur, dass das Wasser irgendwann wiederkommen würde.

      „Ja, so etwa alle sechs Stunden kommt das Wasser zurück, um zu schauen, ob der Jürgen noch da ist“, lachte Vati. Ich hätte zu gerne gewusst, was er damit hatte andeuten wollen, doch vorsichtshalber fragte ich gar nicht erst.

      Der Hafen mit seinen vier Krabbenkuttern, die in unterschiedlichen Farben angestrichen waren, wirkte irgendwie fröhlich und friesisch anders. Die Kutter waren richtig schön anzusehen. Ein Fischer war noch dabei sein Schiff aufzuklaren. Er lud einige Plastikkörbe mit kleinen krebsartigen Tierchen mit langen Fühlern auf den Kai.

      „Können sie uns davon einige verkaufen? Die Jungs sollen die mal probieren“, fragte Vater und der Fischer nickte.

      „Klor, wie viele möchtest denn? ‘Ne Büchse voll kost ‘ne Mark.“ Der Fischer nahm eine leere Konservenbüchse als Maßstab und füllte sie mit den Krabben. „So, da ist euer Granat, wie wir hier in Friesland sagen.“ Dann wandte er sich an mich, denn ich stand mit großen Augen und bestaunte den schönen Kutter. „Un wat kiekst du, mien Jung?“

      „Wenn ich groß bin, werde ich auch Fischer“, stellte ich fest. So ein Schiff wollte ich auch haben.

      Nachdem wir das Städtchen erkundet hatten, ging es zurück zum Campingplatz.

      „Wir gehen noch mal kurz ins Watt. Wollen doch mal sehen, wie es sich anfühlt.“

      Das Watt war schlammig. Am Anfang, gleich hinter dem Sandstrand, war noch alles in Ordnung. Die Füße versanken nur bis zu den Knöcheln im Matsch. Je weiter wir gingen, desto tiefer sackten wir ein.

      „Kinder, ihr müsst vorsichtig gehen, im Boden stecken scharfkantige Muscheln,“ warnte unser Vater, um im selben Moment laut aufzuschreien. Er hatte gerade eines dieser Schalentierchen mit dem Fuß gefunden.

       „Welches Ferkel hat diese vielen kleinen Häufchen ins Watt gemacht?“, wollte ich wissen, und Vati humpelte zu mir herüber.

      „Die sind von den Wattwürmern“, meinte er.

      „Die machen überall hin? Igitt!“

      „Schafskopp! Nein, die wühlen sich durchs Watt bis zum Sand und suchen dabei nach Nahrung. So ähnlich wie ein Staubsauger. Vorne der Sand rein und hinten Sand wieder raus. Das sind dann diese ringelförmigen Häufchen. Morgen machen wir eine größere Wattwanderung“, drohte er uns an.

      Wir aßen zu Abend und bekamen dabei eine Anleitung zum Krabben pulen. Sie schmeckten erheblich besser als sie aussahen. Aber Seeluft und die Pulerei machen müde, und wir freuten uns auf unsere Schlaflager. Mit der Flut kam in der Nacht auch Wind auf. Es war herrlich. Das Rauschen der Wellen war zu hören, und der Wind zottelte am Vorzelt herum. Wir drei Jungs verkrochen uns tief in unsere Schlafsäcke.

      Am Morgen schlichen wir noch vor dem Frühstück aus dem Zelt. Wir wollten den Strand nach Strandgut oder nach Flaschenpost, möglichst mit einer Schatzkarte darin, absuchen. Aber außer ein paar Taschenkrebsen, leeren Miesmuscheln und Seetang war nichts zu finden. Nur Heinz fand etwas, der fand eine Klassenkameradin, die ebenfalls hier Ferien machte. Es war ein niedliches Mädchen, und er wollte lieber mit ihr Aale angeln als mit uns durchs Watt laufen. Der Wind war inzwischen vollkommen abgeflaut, und die Sonne versuchte sich durch die diesige Luft zu kämpfen. Es gelang ihr zunächst nur spärlich.

      Nach dem Frühstück zogen wir die Badehosen an. Heinz natürlich nicht. Er zog seine besten Klamotten für sein Treffen mit dem Mädchen an. Wir vier gingen ins Watt hinaus. Zunächst marschierten wir in Richtung des Leuchtturmes Arngast.

      „Das wird bestimmt spannend. Dort wo der Leuchtturm steht, war vor ein paar hundert Jahren ein Dorf mit ziemlich reichen Bewohnern. Das Dorf hieß ebenfalls Arngast“, erklärte uns Vater. „Es wurde damals durch eine sehr schwere Sturmflut vernichtet. Na, vielleicht finden wir ja noch etwas Interessantes. Erst vor kurzem wurden noch Scherben von sehr alten Tonkrügen gefunden.“

      Ich hingegen fand die kleinen Flüsschen sehr praktisch, man konnte seine Füße immer mal wieder vom Schlamm befreien.

      „Das sind sogenannte Priele, die kleinen laufen in größere und die größeren in noch größere. Die werden dann Balgen genannt und sind auch bei Ebbe noch mit Booten, die nicht so einen großen Tiefgang haben, befahrbar“, erklärte Vater uns. „Ich habe Hunger und Durst“, fing ich an zu quengeln.

      Mutter war bestens darauf vorbereitet. Sie hatte kleine Tüten Kakao und Brötchen dabei. Während wir aßen und tranken, fiel Manfred etwas auf.

      „Wir gehen und gehen, aber der Leuchtturm ist immer noch ganz weit weg. Wie lange brauchen wir denn noch?“

      Mein Vater blickte sich jetzt um und wurde verdammt nervös.

      „In einer Stunde ist wieder Hochwasser, also kehren wir um“, beschloss er.

      „Aber Dangast ist auch so weit weg”, stellte Manfred fest. Bevor ich losheulen konnte, bekam ich noch ein Brötchen. Das stoppte den Tränenfluss im Ansatz. Allen war klar, dass wir bei der Suche nach Schätzen im Watt die Zeit und die Tide ganz vergessen hatten. Beim Durchqueren der Priele fiel uns auf, dass diese inzwischen einen höheren Wasserstand bekamen. Der nächste Priel, den wir erreichten, war schon randvoll und fing an, das Watt mit Wasser zu bedecken.

      „Müssen wir jetzt ertrinken?“, fragte ich.

      „Wenn wir ein wenig schneller gehen, dann ist alles gut“, beruhigte uns Vater.

      „Das kommt bestimmt nur, weil ich die Lutscher genommen habe.“

      „Das war wirklich nicht in Ordnung, aber das verursacht keine vollen Priele.” Wir gingen nun erheblich schneller, denn das Wasser lief inzwischen mit bedenklichem Tempo auf.

      „So, da ist nun der große Priel, da noch rüber und dann haben wir es geschafft.“ An der Flutrinne waren in bestimmten Abständen umgedrehte Reisigbesen ins Watt gesteckt.

      „Die waren doch vorhin nicht da“, stellte Mutter fest.

      „Wir müssen da aber rüber“, drängte Vater. Er ging zu einem der Reisigbesen, der eine Fahrrinnenmarkierung darstellte, und tastete sich ins Wasser hinein, um die Tiefe abzuschätzen. Nach drei Schritten steckte er bis zu den Knien im Schlick fest. Wir bemühten uns, ihn zu dritt wieder rauszuziehen, was erst nach mehreren Bemühungen gelang.

      „Kinder, wir müssen jetzt alle ganz laut um Hilfe rufen. Wir haben uns wirklich total mit der Zeit verschätzt. Inzwischen ist schon überall Wasser zu sehen, sodass ich gar nicht erkennen kann, wo die Priele laufen. Wir können dort nicht einfach durchgehen, weil ihr nicht schwimmen könnt.“

      So hallten unsere „Hiiilllffeee“ und „Haaalloooo“-Rufe immer und immer wieder über die Weite des volllaufenden Wattenmeeres.

      Im Dangaster Hafen schaute der Kutterkapitän der GRETEL kopfschüttelnd durch sein Fernglas.

      „Mann, seht euch nur diese Familie dort hinten im Wattenmeer an. Bei auflaufendem Wasser mit zwei kleinen Kindern. Oh, diese leichtsinnigen Touristen. Haben keine Ahnung, dass Hochwasser der höchste Stand ist, aber das Wasser natürlich schon vorher aufläuft. Und wenn die Priele bedeckt sind, wird die Nordsee zur Mordsee.“

      Heinz, der mit seiner selbstgebauten Angel

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