Killertime. Charlie Meyer

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Killertime - Charlie Meyer

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gelegt hatte. Mittlerweile sah er genervt und müde aus.

      »Frag mich nicht, okay?«

      »Das tue ich aber gerade. Ich will wissen, woran ich bin. Jetzt.

      »Es gibt da eine Frau, die dir etwas bedeutet. Lucy Sowieso. Namen vergesse ich immer. Die Frau jedenfalls, die mit dir bei diesem grässlichen Unfall im Auto saß. Dieselbe, für die ich die Einweisung in die Psychiatrie verhindert habe.«

      Ich biss die Zähne zusammen und schwieg. Wie weit würde er noch gehen?

      »Es gab da einen Vorfall, noch keine drei Jahre her. Eine kleine Brasilianerin. Eine Schönheit unter uns gesagt, ich habe ihr Foto gesehen. Aber sie war erst fünfzehn, und diese Lucy Sowieso hat sie mit gefälschten Papieren aus dem Land geschmuggelt und in die USA einreisen lassen. So was erhitzt die politischen Gemüter und gefährdet unsere Beziehungen zu den USA. Muss ich ausführlicher werden?«

      Eine ganze Weile standen wir voreinander und keiner sagte etwas. Dutton hatte in seinem Spiegel-Bestseller Psychopathen bei den Gemeinsamkeiten zwischen Serienmördern, Wirtschaftsbossen und Politikern recht, und das beste Beispiel hierfür stand gerade vor mir.

      Mein Halbbruder Maik Willem. Janus, der Mann mit den zwei Gesichtern.

      Vor Jahren hatte sein Einfluss mir und Lucy aus einer Riesenklemme geholfen, jetzt drohte er sie einzubuchten. Er hätte natürlich einfach sagen können: Hey Dylan, du schuldest mir noch was! Aber die einfache Variante reichte ihm nicht. Er drohte, um seine Macht zu demonstrieren und seiner Erpressung doppeltes Gewicht zu verleihen.

      Trotzdem war ich ihm von damals etwas schuldig. Mir blieb keine Wahl.

      »Okay, ich tue es. Aber wenn dieser Deal hier beendet ist, treffen wir uns wieder. Genau hier und glaube mir, ich brauche nur zwei Minuten, um Danke schön zu sagen.«

      Ganz kurz nur flackerte etwas wie Furcht im Gesicht meines Bruders auf, dann war da wieder nur das Pokerface des Politikers. Ich spielte mit dem Gedanken, ihm eine Kopie der Geschichte von Kain und Abel zukommen zu lassen.

      »Einverstanden.«

      »Nur vorab schon mal, damit die Fronten geklärt sind: Du bist das größte Arschloch, das ich kenne, aber du hast Lucy damals geholfen, dafür schulde ich dir was. So, wie geht’s weiter?«

      Er reichte mir eine Plastikkarte mit meinem eingeschweißten Foto, demselben, das auch meinen Personalausweis zierte, und funkelte mich wütend an. Die Karte wies mich als Mitarbeiter des Innenministeriums aus, mit einer ellenlangen ID-Nummer und einem Chip.

      »Diese Chipkarte öffnet dir alle Türen. Du operierst vom Revier aus. Mit der ID-Nummer kannst du dich in alle Datenbanken einloggen, die für den Fall von Interesse sind. AFIS, Einwohnermeldeamt, Fahrzeugregister, was du eben brauchst. Du arbeitest ausschließlich auf dem Laptop, den du von uns bekommst. Keine handschriftlichen Notizen, keine Ausdrucke.«

      Er schwieg einen Moment lang, ließ mich aber nicht aus den Augen.

      Ich tat ihm nicht den Gefallen, über das Ausmaß seiner Befugnisse beeindruckt zu sein, war es aber tatsächlich.

      »Santos und sein Gehilfe werden in diesem Moment angewiesen, dir zuzuarbeiten. Sie werden nicht erfreut sein, aber kooperieren. Wenn nicht, ruf mich an, und sie sind ihre Jobs los. Ich halte dir den Rücken frei, solange nichts, was du herausfindest, irgendwo anders hingerät, außer an mich persönlich. Keine Presse, kein Facebook, keine Freundin.«

      »Warum diese Geheimniskrämerei?«

      »Warum? Der Kerl, der Rosanna gevögelt hat, war nicht nur doppelt so alt wie sie, sondern auch noch russischer Staatsbürger. Das macht das Ganze zu einer hochpolitischen Affäre, gerade jetzt während des Ukraine-Konfliktes und den Reibereien mit Putin. Möglicherweise steckt viel mehr dahinter als die Schwärmerei einer Sechzehnjährigen.«

      Ich dachte an die Köpfung des amerikanischen Journalisten nach den Luftangriffen der USA auf die Stellungen der IS-Miliz in Syrien. Vorstellen konnte ich es mir nicht in unserer idyllischen Provinz, aber es gab jede Menge Seltsames in der Welt, das sich meiner Vorstellungskraft komplett entzog. Möglicherweise fielen auch Exekutionen heutzutage unter den Oberbegriff Reibereien.

      Ich sah ihm und seinen Men in Black zu, wie sie allesamt in einem schwarzen BMW mit getönten Scheiben verschluckt wurden, der wie auf Kommando an diesem Punkt unserer kleinen Plauderei vorfuhr. Panzerglas?

      Dann ging ich mein Mountainbike vom verabredeten Platz holen, dem Fahrradständer des Cafés zwei Blocks von der Polizeistation entfernt.

      Erst auf halbem Weg zum Anleger fiel mir auf, dass ich nicht einmal gefragt hatte, was für ein hohes Tier Rosannas Vater war.

      6

      Zehn Minuten später übernahm ich die Meerjungfrau am Anleger von dem Schiffsführer, der nachmittags die Rundfahrten gefahren hatte. Wir sind drei, alle in Teilzeit, und Lucas war mit zweiundsiebzig Jahren der Dienstälteste und Unduldsamste von uns. Er presste die Lippen zusammen, weil er an Bord hatte ausharren müssen, um gegebenenfalls für mich einzuspringen, sollte ich verschollen bleiben. Meine Entschuldigung hörte er sich nicht bis zum Ende an, sondern knallte wortlos die Schiffsschlüssel auf den Tisch und verschwand.

      Meine eigene Besatzung begrüßte mich kaum weniger unfreundlich. Bei der Vorbereitung von Charterfahrten muss auch der Kapitän mit Hand anlegen, wenn es gilt, Tische und Stühle hin- und herzutragen, um eine Tanzfläche oder Platz fürs Buffet zu schaffen. Lucas jedoch ist noch ein Nautiker der alten Schule und lehnt alle niederen Arbeiten ab. Wenn einer aber ausfällt, müssen die anderen doppelt ran.

      Nirgendwo ist die soziale Kontrolle größer als an Arbeitsplätzen, wo man räumlich so nah aufeinanderhockt wie auf einem Schiff. Sich mit dem Rest der Mannschaft zu verkrachen, bedeutet in der Regel, sich ein neues Schiff suchen zu müssen.

      Seit ich den Polizeidienst quittiert hatte, arbeitet ich in der Saison im Mai, Juli und September an vier bis fünf Tagen die Woche für die kleine Reederei Sonnemann vor Ort. Wenn mich die Langeweile packt, nehme ich in den Monaten dazwischen Springerjobs auf Schiffen in ganz Deutschland oder sogar in den Nachbarländern an.

      Da ich mit fünfzehn als Decksmann auf einem Binnenschiff angeheuert hatte und zehn Jahre lang erst als Matrose, dann als Steuermann und schließlich als Schiffsführer auf Schüttguttransportern und das letzte Jahr auf einem Tanker gefahren war, kenne ich fahrtechnisch die meisten Flüsse und Kanäle wie meine Westentasche und besitze die nötigen Streckenpatente. An das, was bei Sonnemann dazukam, die Fahrgäste, gewöhnte ich mich rasch.

      Wir fahren einen Großteil der Reisegruppen, die zur Sababurg hoch wollen, und die Reederei kann sich damit gut über Wasser halten.

      Eigentlich habe ich zwei Jobs, die sich perfekt miteinander verbinden lassen. Ich jobbe als Schiffsführer für die Reederei und übersetze als Freelancer Anleitungen von Computerspielen aus dem Englischen ins Deutsche. Das bringt mir genug Geld ein, um über die Runden zu kommen, zumal ich mietfrei in einer Waldarbeiterhütte mit Außenklo am Rande des Reinhardswaldes wohne.

      Gehört hatte sie mal einem hiesigen Adeligen, dem auch der Buchenmischwald gehört, der sie umgab. Ich hatte ihm die Hütte beim Pokern abgenommen, und da er seinen Verlust nicht eben gentlemanlike hingenommen hatte, lebe ich seitdem in latenter Furcht, eines Morgens durch das Geräusch eines Bulldozers aufzuwachen, der sich den Forstweg hocharbeitet,

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