Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange
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Tags darauf wanderte Dietmar noch einmal zum Hafen hinunter, um mit den Schiffsführern die eigene Heimreise zu besprechen, doch plötzlich stutzte er: Dicht neben den seinen lag ein fremdes Schiff, und fremd war auch seine Bauart. Zwar war es kaum größer als eine Knorr, doch weitaus bauchiger und mit höheren Bordwänden; der Vordersteven ragte ohne jede Krümmung aus dem Wasser, der hintere war noch steiler und ebenfalls gerade. Auch lag das Schiff viel dichter am Ufer, es schien einen flachen Boden statt des üblichen Kiels zu haben. Das erklärte Dietmar auch, warum es so breit und behäbig erschien. Erstaunlich waren auch die Seitenwände: Nirgends waren die Planken geklinkert, also übereinandergelegt, ehe sie genagelt und gedichtet wurden. Mag sein, dass diese glatte Beplankung schneller durch das Wasser glitt, aber das konnte er nicht beurteilen. Auffällig war auch, das der größte Teil dieses Schiffes nach oben hin geschlossen war, ja, auf dem Heck saß sogar ein erhöhtes Podest wie eine Art flachgedeckter Schuppen.
Neugierig trat Dietmar näher an das Ufer heran. Vom Mast wehte der Wimpel einer St. Knut-Gilde, also kam das Schiff von Schonen oder von Jütland oder einer der dänischen Inseln. Dann kam der Schiffer an Deck, und Dietmar rief ihn an: „Sagt, guter Freund, was habt Ihr da für ein Schiff?“ Der Däne lachte: „Da staunt Ihr, nicht wahr? Dabei gibt es diese Koggen schon seit langem. Die Friesen fahren darauf, denn mit dem flachen Boden liegt es gut auf, wenn im Hafen Niedrigwasser ist. Das ist auch im flachen Wattenmeer ein großer Vorteil. Und wie Ihr seht, lässt sich das Schiff darum auch viel weiter an die Kaikante bringen.“ „Aber Ihr habt keine Ruderer?“ „Nein, wir fahren allein mit dem Segel. Das spart eine gute Anzahl Schiffsvolk, und Ihr wisst selber, dass damit die Frachtkosten sinken.“
„Ja, das ist wahr,“ bestätigte Dietmar, und sein Interesse an diesem Schiffstyp stieg. „Und wer hat Euch diese Kogge, wie Ihr sie nennt, gebaut?“ „Meine Schiffsherren haben sie einem Händler aus Dorestad abgekauft, die Werft kann ich Euch nicht nennen. Aber einige unserer dänischen Schiffbauer haben diese Schiffe genau studiert, und in Jütland, so hörte ich, wurden bereits die ersten gebaut. Allerdings immer noch geklinkert, diese Beplankung hier schien ihnen zu schwierig, auch glauben die meisten, dass man mit Klinkerung besser manövrieren und segeln kann.“ „Und wie viel Last könnt Ihr an Bord nehmen?“ fragte Dietmar. „Nun, mit sechzig Last sind wir vollbeladen.“ „Das hört sich gut an, unsere Knorr faßt gerade einmal die Hälfte.“ Dietmar dachte nach. „Und Ihr sagt, die Jütländer können solche Schiffe auf Kiel legen?“ Der Schiffer lachte: „Kiel ist gut. Der Koggenboden ist platt wie ein großes Brett, da dient der Kiel nur noch dazu, die Steven zu halten. Doch das kann ich Euch leider nicht zeigen, es sei denn, Ihr lasst Euch kielholen.“ Nun lachte auch Dietmar: „Vielen Dank, darauf verzichte ich gern. Dann vertraue ich lieber darauf, dass Ihr die Wahrheit sagt. Jedenfalls wünsche ich Euch eine gute Reise!“
Nachdenklich schritt der Kaufmann zur Herberge zurück. Dieses andere Schiff schien wirklich besser zu sein als die Knorr, die man von Lubeke aus fuhr. Man müsste einmal eine Fahrt nach Schleswig machen oder noch weiter in den Norden, um beim Bau zuzuschauen. „Ich muß darüber mit Jannes und Simon reden,“ dachte er.
Am nächsten Morgen wurden die letzten Waren auf die drei lübischen Schiffe gebracht, Eigner und Schiffsführer begutachteten noch einmal zusammen mit dem Ältermann, ob alles richtig verstaut und gesichert war und keines der Schiffe überladen, was der Ältermann besiegelte. Das Wetter versprach, auch in den nächsten Tagen sonnig zu sein bei kräftigem Ostwind. So wurde beschlossen, am kommenden Tag die Jungfrau Maria um sichere Fahrt zu bitten und dann Visby zu verlassen.
Die Schiffe hatten Bornholm erreicht, das Wetter hatte sich bislang gehalten, also gab es nur kurze Rast, schon am nächsten Morgen stach die kleine Flotte wieder in See Richtung Rügen. Das mochte vielleicht noch zwei Meilen entfernt sein, da zog im Nordwesten urplötzlich eine düstergraue Wolkenwand auf, der Wind sprang um und frischte auf. Es dauerte nur kurze Zeit, dann war der Himmel schwarz gefärbt, Sturm peitschte hohe Wellen gegen die Schiffe, knapp nur gelang es, die Segel einzuholen und das Tuch zu bergen. Nun prasselte auch Regen nieder, man konnte nichts tun, als die Schiffe treiben zu lassen und die Tiefe zu messen, doch auch das misslang immer öfter, der Druck der Wogen war stärker als das Gewicht des Lotes. Rasch wurde es Abend, der Schiffsführer hatte die Orientierung verloren, auch die anderen Schiffe gerieten außer Sicht. Irgendwo zur Rechten musste die Küste liegen, doch die Dunkelheit war undurchdringlich geworden. Der Steuermann versuchte, so gut es nur gelingen mochte, einen Kurs zu halten, der sie nicht gegen das Ufer trieb. Der Sturm heulte, als hätte die Hölle all ihre bösen Geister losgelassen, und viele holten ihren Rosenkranz aus dem Gürtel, um gegen die finsteren Mächte anzubeten.
Dietmar stand neben dem Mast, hielt ihn fest umklammert, seine Gedanken wanderten zu Weib und Kind, und auch er betete inbrünstig, der heilige Nikolaus, Schutzpatron der Seefahrenden, möge ihnen beistehen. Plötzlich ging ein unheimlicher Rück durch den Schiffskörper, als sei er gegen einen Felsen gestoßen. Die Knorr, vom Sturm gegen das unsichtbare Hindernis gedrückt, krängte zur Seite. Dietmar verlor den Halt an dem regennassen Mast, stolperte, stürzte, fiel gegen die Bordkante, wollte sich festhalten, doch die Kante entzog sich ihm, neigte sich immer tiefer, er griff ins Leere. Das Schiff schien ihn auszuspeien, und dann war da nur noch Wasser um ihn, er schmeckte das Salz in seinem Mund, eine Woge schleuderte ihn hoch und wieder hinab in ein Wellental, nirgendwo ein Schiff, ein rettendes Ufer, nur Wasser ringsum und das Heulen des Sturms und das Toben der Wellen und die Finsternis der Nacht. Heilige Maria, du Gottesmutter, hilf mir doch, hilf! Ungehört verklang der Schrei im Gelächter der entfesselten Geister aus dem Reich Satans, des Fürsten der Hölle.
*
Wie auch ihre beiden Brüder, war Katharina unverkennbar ein Kind des Hinrich von Soest: ebenso schlank und hochgewachsen, ebenso mit sonnenblondem Haar und grünlichen Augen. Und auch Katharina hatte dieses schmale Gesicht mit einem langen geraden Nasenrücken – ebenmäßig, wenn auch nicht gerade lieblich zu nennen. Einzig überlebende Tochter des Kaufmanns war sie; spät erst geboren nach den Brüdern und zwei Mädchen, die allerdings starben, ehe sie noch auf ihren Beinchen stehen konnten, spätes Zeugnis für die innige Liebe, die der schon reife Hinrich immer noch für sein Eheweib empfunden hatte. Und diese Liebe hatte er nach dem baldigen Tod seiner Frau auf die Tochter übertragen. Er verwöhnte sie gern, sah ihr vieles nach, was er selbst seinen Söhnen früher verboten hätte. So war sie ein rechter Wildfang, der es den großen Brüdern stets gleichtun wollte. Dabei war sie im Grunde eher unsicher und eigentlich von ängstlichem Gemüt, doch gerade deswegen mühte sie sich, das vor den anderen und sogar vor sich selbst zu verbergen.
Auch später schwankte sie häufig zwischen Härte und Milde gegenüber dem Gesinde, zwischen Strenge und Nachgiebigkeit gegenüber den eigenen Kindern. Als launisch empfanden das oft ihre Mägde und Knechte, als ungerecht vor allem die beiden Töchter, denn als nach ihnen endlich der ersehnte Sohn geboren wurde, Reinhold, da umsorgte Katharina ihn mehr, als es ihm gut tat. Jede Strafe, die sie dennoch aussprechen musste, schmerzte sie selber oft mehr als den Knaben, denn der war neugierig und unternehmungslustig, ungeachtet aller ängstlichen Mahnungen, und zweimal schon hatten die Schifferknechte ihn aus der Trave gezogen, so dass sich auch der Vater ernstlich vornahm,