Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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und blickte, bevor sie das Gleichgewicht verlor und unsanft auf dem Hintern landete, den langen leeren Kiesweg bis zu Sauerbachs Haus hinunter. Kein Mensch zu sehen. Nichts! Nur ihr Kopf, der verrückt spielte und sich mit akustischen Angsthalluzinationen quälte. Ihr Atem ging stoßweise, als sie sich wieder aufrappelte, und einen Moment lang lehnte sie blind mit dem Rücken am Reifen, während ein Wirbelsturm durch ihren Kopf brauste.

      Beim nächsten Versuch schlug Emmi zwar kurz aber ausgesprochen heftig zu. Der Nagel bohrte sich auf Millimeter ins dicke Gummi und blieb schwankend stecken. Zwei Schläge später steckte er bis zum Anschlag im Reifen. Sie ruckelte vorsichtig mit der Kneifzange am Nagelkopf. Pfff machte es. Sie ruckelte kräftiger. Aus dem dezenten Pfff wurde ein deutlich hörbares Pfffffffffff. Emmi stand auf, stemmte den rechten Fuß gegen den Reifen und zog, mit der Kneifzange heftige Kreisbewegungen beschreibend, den Nagel mit Brachialgewalt wieder heraus. Das Pfffffffffffffffffffffffffffffff war nicht nur deutlich hörbar, es war ausgesprochen laut, und die kleine gebündelte Luftfontäne über dem Loch pustete ihr die Löckchen aus der Stirn.

      Emmi trat rasch einen Schritt zurück und - traf auf etwas großes Weiches, das unter ihrem Fuß entsetzlich zuckte. Ein schmerzerfülltes Jaulen gellte durch die klare Morgenluft, und einen Moment lang jaulte sie erschrocken mit, dann hopste sie wie eine aufgescheuchte Springmaus wieder nach vorn und prallte hart gegen die Tür des Möbelwagens. Dackel Dreizehn wankte krummbeinig und mit eingezogenem Schwanz zur Seite, und blickte sie aus triefenden braunen Augen anklagend an.

      „Grrrrrrr“, knurrte er vorwurfsvoll, „grrrrrrrr!“

      „Schleich dich!“, flüsterte Emmi wütend und stupste ihn mit dem Fuß an, während ihre Blicke besorgt umherschweiften.

      Im nächsten Augenblick stieß sie einen erstickten Laut aus, und fuhr sich mit beiden Händen zum Mund. Das Taubesche Wohnzimmer! Die Fensterflügel standen nicht mehr offen, sondern waren fest verschlossen, dafür war nun die Gardine vollständig aufgezogen. Sie starrte auf die gleißende, die Morgensonne reflektierende Glasscheibe und fragte sich entsetzt, ob die Taube, für sie, Emmi, unsichtbar, hinter dem Fenster stand und zurückstarrte.

      Natürlich! Sie hätte es wissen müssen, und hatte sie es nicht auch zumindest geahnt? Das Einschlagen des widerspenstigen Nagels konnte tatsächlich nicht mehr als eine Minute gedauert haben, aber ausgerechnet in dieser einer Minute, einer von siebenhundertzwanzig möglichen eines Zwölfstundentages, entschloss sich die Taube, ihr Fenster wieder zu schließen. Zufall oder Hexenwerk? Spökenkiekerei oder Eingebung?

      Emmi beeilte sich, in den Sattel des Fahrrades zu kommen und bog mit sehr gemischten Gefühlen in die Weidenstraße ein, während Dackel Dreizehn mit fliegenden Ohren an ihrem Hinterrad klebte und heisere Wuffs bellte. Erst an der Abzweigung zur Kastanienallee gab er die Verfolgung auf und humpelte hechelnd aber stolz erhobener Schnauze wieder zurück.

      „Dussliger Kläffer!“, murmelte sie geistesabwesend, den Kopf bereits voll mit Schreckensvisionen über die Konsequenzen und das Ausmaß der Katastrophe, falls die Taube sie tatsächlich beobachtet haben sollte. Meine Mutter?, würde David mit Sicherheit seinem Chef antworten, wenn er wegen des Fernsehberichtes zur Rede gestellt wurde. Ach um Himmels willen, wo denken Sie denn hin. Meine Mutter ist schon lange unter der Erde. Und dann würden er sie einweisen lassen. David und seine dünkelhafte Moral.

      Der laue Fahrtwind wehte ihr um die Nase, und das gleichförmige Treten der Pedalen, rundherum und immer wieder rundherum, wirkte beruhigend auf ihr Gemüt. „Nein“, entschied sie bereits am Ende der Kastanienallee. „Nein! Keine zehn Pferde hätten die Olle daran gehindert, herauszukommen, um mich in flagranti zu ertappen! Oder zumindest auf dem Fensterbrett zu liegen und quer durch die Siedlung zu brüllen: Sieeee, Frau Nichterlein, was machen Sie denn da? Oder: Mein Thomas, wissen Sie, der wo mein Ältester is’, der hätt‘ Sie das aber viel besser machen können! Oder: Wenn Sie sich so dusselig anstellen tun, wird das nie nich’ was!“ Emmi lachte grimmig.

      „Nein“, wiederholte sie beruhigt und bog auf den Parkplatz des Supermarktes ein. Eine Heimliche war die Taube nicht. Der machte es viel zu viel Spaß, jemandem unerwartet von hinten auf die Schulter zu tippen. Zum Beispiel dem Herbert Rosenstock mit seiner schwachen Blase, wenn er in Sipkovs Hecke pieselte. Nein, die Wahrscheinlichkeit sprach eher für eine momentane Unaufmerksamkeit der ollen Taube, als sie das Fenster schloss und die Gardine aufzog. Vielleicht eine Mücke im tränenden Auge? Durchs schrillende Telefon abgelenkt und über die Schwiegertochter und ihren Hiesterischen geschimpft? Dem Müller von gegenüber dabei zugesehen, wie ihm die Bissen des Frühstücksbrötchens wieder aus dem schiefen Mund fielen, und seine Schwiegertochter, die nun manchmal zum Pflegen kommen musste nach dem dritten Schlaganfall, verkniffenen Gesichtes das Kehrblech hervorkramte?

      Oder aber die olle Taube hatte sie zwar vor dem Möbelwagen hocken sehen, jedoch bar jeglichen Argwohns angenommen, sie binde ihre Schnürsenkel oder angele nach einem blinkenden Fünfziger im Rinnstein. Aus dieser Entfernung einen Nagel als Nagel zu erkennen - na ... ? Den Hammer mit Sicherheit, aber was sprach dagegen, dass ihn just in diesem Moment ihr Oberkörper verdeckte, als die Taube am Fenster stand? Und im schlimmsten Fall konnte es so ausgesehen haben, als zwinge sie eine plötzliche Blasenschwäche in die Hocke. Schließlich schaffte es der Rosenstock auch nie bis nach Hause.

      Dennoch überkam sie mit einem Mal das dringende Bedürfnis, sich des verdächtigen Werkzeuges zu entledigen, auch wenn es ihrer Sparsamkeit arg widerstrebte. Sie bremste vor den Müllcontainern, wickelte Hammer, Kneifzange und Nagel in das alte Handtuch und warf das Bündel in den Trichter. Es schepperte mörderisch, und mehrere Leute stoppten abrupt und suchten mit neugierigen Blicken den Verursacher des Lärms. Emmi lächelte verzerrt. Nur Weißglas einwerfen, stand unter dem Einwurftrichter, Nur für Müll auf dem Container daneben. Was für ein Tag! Sie hob den Blick zum dicken Buckel des Ribbenkopp, der breit, behäbig und buchenbestanden gleich hinter dem Supermarkt anstieg, und seufzte ergeben.

      „Morgen muss ich in den Kleingärten nach dem Rechten sehen“, murmelte sie und schob ihr Fahrrad zu den langen Reihen ineinandergeschobener Einkaufswagen hinüber. Da hinten, an der Laderampe hinter dem Supermarkt, da hatte der andere Lastwagen geparkt. Der große Kühlwagen mit Pieps, dem Meerschweinchen, in seinen Rillen.

      Alles im Leben wiederholt sich, dachte sie, philosophisch gestimmt, eine halbe Stunde später, als sie in der langen Schlange vor der Kasse stand. Obgleich sie heute keine Veranlassung sah, ihr Gewissen zu beunruhigen wie damals, an jenem Abend an Christinas Bett, als sie ein Pflaster auf die kleine Bisswunde am Finger ihrer Tochter klebte.

      „Schätzchen, woher hast du denn die Wunde? Hat dich das Dackelbiest von Rosenstocks gebissen?“

      Und Christina? Christina blickte sie aus ihren rot verheulten, geschwollenen Augen an und schüttelte nur heftig den Kopf.

      „Nein?“

      „Neeeiiin!“

      „Der olle Kater von Kuhnerts?“

      „Neeeiiin!“

      „Na, wer dann? Komm Schätzchen, sag es deiner Mama.“

      „Piiiieeeps!“

      „Dein Meerschweinchen?“, hatte sie erstaunt gefragt. „Hast du es deshalb fallen gelassen, weil es dich gebissen hat?“

      „Neeeiiin!“ Sie war vor Schluchzern schon keines vollständigen Satzes mehr fähig gewesen. „Schooon vorher gebisssssen. Es war böööse!“

      Und da war dann in ihr doch ein dumpfer Verdacht aufgestiegen, der sie eine ganze Weile nicht wagen ließ, die nächste Frage zu stellen.

      „Schätzchen,

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