Was dieses Weib so alles treibt. Monika Starzengruber
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„Alte Leute brauchen ohnehin weniger Schlaf.“
Noch wenn alle in den Betten lagen, zog feiner, genüsslicher Kaffeeduft durch die Räume, produziert von der Kaffeemaschine, die Mutter bediente. Mittags benebelten Düfte von Fleisch, Fisch und Gemüse die Luft, je nachdem was Mutter gerade kochte. Am Nachmittag wurde sie um komplizierte Schulaufgaben von den Kindern befragt, als wäre es immer so gewesen. Auch abends waltete und schaltete nur einer im Haus - Mutter. Was sie nicht schaffte, erledigten die Elektrogeräte, und was die Elektrogeräte nicht schafften, machte sie. Nicht, dass Luisa es zu Anfang nicht genossen hätte, nach langer Zeit wieder einmal so richtig verwöhnt zu werden. Wenn man stets für andere eingespannt gewesen war, kam faulenzen einer Freiheit gleich. Trotzdem fühlte sie sich mit zunehmenden Tagen und Wochen mehr und mehr verdrängt und zuletzt auch noch nutzlos. Ihr blieb nicht einmal die schmutzige Wäsche, um das Gefühl der Nutzlosigkeit ein bisschen zu mindern.
„Du sollst einmal richtig ausspannen, Kind, ich mach das schon.“ Diese Worte hörte Luisa mehrmals am Tag. Schließlich führten sie dazu, dass sie nur mehr herumsaß, die Daumen drehte und darauf wartete, dass sie dick und fett wurde. Die Hoffnung, Mutters Elan würde nur vorübergehend sein, bestätigte sich als Trugschluss. Sie versprühte mehr Kraft und Lebensgeist denn je. Am meisten ärgerte Luisa, dass Klaus und die Kinder tatenlos zusahen und das Verhalten von Mutter tolerierten. War bisher Luisa der Mittelpunkt der Familie gewesen, so war es nun Mutter. Das zeigte sich, indem der Familienclan nunmehr wegen allem Mutter befragte, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Hast du meine Turnschuhe gesehen, Oma? Unterschreibst du meine Deutsch-Schularbeit, Oma? Was kochst du heute, Oma? Sag Mutter, dass es heute später wird“, dabei hätte Daniel nur ins Wohnzimmer zu gehen brauchen, wo Luisa saß. Selbst wenn Klaus Luisa ein Hemd in die Hand drückte, weil ein Knopf fehlte, musste sie sich mit Mutter regelrecht um diese Aufgabe "raufen".
“Du kannst deiner Frau ruhig ein paar Minuten Ruhe gönnen, Klaus. Ich kann den Knopf genauso annähen.“
Das Nächstliegende war natürlich, Mutter darauf anzusprechen. Aber diese wollte scheinbar nicht verstehen.
"Ich weiß nicht, was du hast? Sei froh, wenn ich dir die lästigen Pflichten abnehme.“
Luisa blieb natürlich nicht verborgen, wie sehr ihre alte Mutter in der Zeit, in der sie bei ihnen lebte, aufgeblüht war. Sie verglich gedanklich das Heute mit Früher, als sie selbst Kind war und Mutter sie, neben Vater und ihren Bruder, umhegt und gepflegt hatte und zum ersten Mal ahnte sie, wie sehr Mutter das Familienleben vermisst haben musste. Darum ließ Luisa nichts unversucht, den Hausfrieden aufrechtzuerhalten. Antworten wie: „Ja, Mutter. Natürlich, Mutter. Ist schon gut, Mutter“, stöhnte sie bald im Schlaf. Nur, als Mutter anfing, sie zu allem Übel zu bevormunden, wie ein kleines Kind: „Trink nicht die kalte Milch vom Kühlschrank, würge nicht so beim Essen, verschone deine Haare mit dem künstlichen Zeug, kannst du mit diesen hohen Absätzen überhaupt gehen?!“, platzte ihr der Kragen.
„Wenn ich kalte Milch aus dem Kühlschrank trinke, so ist es mein Magen, der darunter zu leiden hat, und spar dir die Mühe, mir Essensmanieren beibringen zu wollen, darüber verfüge ich nämlich schon seit Jahren! Außerdem sind es meine Haare und es sind meine Füße, die ich zuviel beanspruche und damit Du's weißt, es ist mein Mann und es sind meine Kinder, es ist meine Familie und mein Haushalt und ich verlange alles zurück - auf der Stelle!“
Zwar hatte Luisa ihrem Herzen damit Luft gemacht und, was sie bisher vermied, ihre Mutter aufs höchste gekränkt und beleidigt, aber erreicht hatte sie damit gar nichts.
Selbst Klaus stellte sich auf die Seite seiner Schwiegermutter:
„Sie meint es nur gut.“
Aber so gut Mutter es meinte und so gern Luisa sie mochte, so ging es nicht weiter. Irgendwas musste sich ändern und Luisa wusste auch schon was. Um aus dem Dilemma herauszukommen, gab es eine simple Lösung: Weg mit der Hausfrau, her mit dem Beruf. Als Buchhalterin und Bürokauffrau fand sie bestimmt eine geeignete Stellung, auch wenn sie seit Jahren aus dem Berufsleben heraus war. Den Computer beherrschte sie gut, und die Buchungssätze waren ohnehin ihr zweites Sprachrohr, fest mit ihr verwachsen. Luisa legte sich Informationsmaterial der neuesten Gesetze bezüglich der Steuerpflichten zu und studierte sie heimlich. Auf diesem Sektor hatte sich in den vergangenen Jahren ihrer Hausfrauentätigkeit viel getan und sie hatte einiges nachzulernen.
Wochen später, kurz vor dem Abendessen, trommelte sie ihre Meute zusammen.
„Ich verstehe immer arbeiten.“ Klaus begriff nicht. Im Gegensatz zu Mutter, die schaltete sofort. „Du bist verheiratet, hast Kinder die dich brauchen, und zwar zu Hause brauchen, und dann steht in Frage, ob du der Doppelbelastung von Hausfrau und Beruf überhaupt gewachsen bist.“
„Aber Mutter, von einer Doppelbelastung kann in meinem Fall wirklich keine Rede sein. Den Haushalt erledigst wie immer du.“
„Du vergisst, dass ich eine alte Frau bin.“
„Bisher warst du kerngesund, und falls es nötig sein sollte, kann ich jederzeit aufhören zu arbeiten.“
„Ist es dort dreckig, wo du arbeiten willst?“ mischte Florian sich wichtig in das Gespräch. Luisa achtete nicht auf ihn. Sie wusste natürlich, was Klaus von berufstätigen Ehefrauen hielt, nämlich gar nichts. Besonders dann nicht, wenn es die eigene Frau betraf. Wahrscheinlich, weil eine berufstätige Frau an seinem Selbstbewusstsein nagte. In diesen Dingen war und blieb er altmodisch
„Ob es dort dreckig ist, wo du arbeiten willst.“
„Was sagtest du, Flori?“
Florian wiederholte den Satz lautstark: „Ob e s dort dreckig ist, w o d u arbeiten willst!“
„Wie kommst du darauf? Ich hoffe nicht.“
„Und du meinst, es macht dort nie einer was dreckig?“
Daniel, fand, dass viel Wirbel um nichts gemacht wurde. „Wenn Mutter arbeiten will, soll sie es, andere Frauen arbeiten auch. Frauen werden dann selbstsicherer.“
Luisa staunte. „Woher nimmst du die Weisheit denn?“
„Gehört zur Allgemeinbildung.“
“Dann muss ich ja sehr ungebildet sein“, bemerkte Klaus trocken.
Luisa zeigte Ungeduld. „Mir fehlt keine Selbstsicherheit, mir fehlt Arbeit.“
„... und dort macht keiner was dreckig?“
Luisa wurde ärgerlich. „Jetzt halt bitte den Mund, Flori!“
„Aber das ist wichtig, sehr sogar“, beharrte Florian auf Antwort.
„Es ist ungezogen, Erwachsene im Gespräch zu unterbrechen“, tadelte Mutter, „wenn du nicht artig bist, darfst du heute nicht fernsehen.“
„Macht dort jemand Dreck oder nicht?“, schrie Florian ungerührt.
Nur die Ruhe bewahren, Luisa, du hast nur das eine Nervensystem, und das kannst du nicht wechseln, wie einen geplatzten Reifen. „Es trampelt keiner mit lehmbeschmierten Schuhen auf dem Teppich herum, und es verstreut keiner Sand aus der Sandkiste, wenn es das ist, was du meinst – zufrieden?“
„Dann kannst du ruhig zu Hause bleiben. Ehrlich, Mama, die brauchen