Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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das für den Augenblick durch das dichte Gebüsch zwar sehr erschwert wurde, trotzdem aber dem ersten halsbrechenden Weg vorzuziehen war.

      Als die Heimkehrenden den Garten des Forsthauses betraten, kamen ihnen Sabine in Begleitung des kleinen Ernst, den man ihrer Obhut anvertraut hatte, erwartungsvoll entgegen. Sie hatte unter den Buchen auf einem weißgedeckten Tische den Nachmittagskaffee serviert und das schattige Plätzchen auf das Behaglichste eingerichtet, wollte nun aber auch wissen, wie man die Dinge droben gefunden, und schlug bei dem Berichte vor freudigem Erstaunen die Hände zusammen.

      »Ach, du meine Güte,« rief sie aus, »sehen der Herr Oberförster, daß ich recht hatte? … Ja, ja, die Sachen sind vergessen worden, und ist auch gar nicht zu verwundern. Sowie der junge Herr von Gnadewitz unter die Erde gebracht war, ist der alte Gnädige über Hals und Kopf abgereist und hat alle Dienerschaft mitgenommen. Nur der alte Hausverwalter Silber ist zurückgeblieben; der war aber zuletzt ganz schwach im Kopfe, und ein unmenschlich viel Zeug hat auch drunten im neuen Schlosse gesteckt, da hatte er mehr als genug zu thun, daß ihm nichts unter der Hand wegkam, und da ist zuletzt das alles da droben stehen geblieben, und keine Menschenseele hat mehr davon gewußt … Du lieber Gott, ich habe ja jedes Stück davon unter den Händen gehabt und habe es abstäuben und putzen müssen … Und vor der Uhr habe ich mich immer so gefürchtet, denn die spielt ein trauriges Stückchen, wenn sie schlägt, und das klang so grausig durch die Stuben, wo ich mutterseelenallein hantieren mußte … Ja, damals war ich noch jung … wo sind die Zeiten hin!«

      Es folgte nun eine gemütliche Stunde der Ruhe und des behaglichen Ueberlegens, während der Kaffee getrunken wurde. Weil Elisabeth gemeint hatte, sie könne sich nichts Schöneres denken, als zum erstenmal am Pfingstmorgen da droben aufzuwachen, wenn die Kirchenglocken der umliegenden Dörfer hinauf klängen, eine Ansicht, die auch Frau Ferber teilte, so wurde beschlossen, die Renovierung mit allen Kräften schon morgen ins Werk zu setzen, um das Beziehen der Wohnung bis zum Pfingstabend zu ermöglichen, und der Oberförster stellte alle seine Leute zur Verfügung.

      Sabine hatte nicht weit von der Gesellschaft auf einer Rasenbank Platz genommen, um bei der Hand zu sein, wenn man etwas bedürfe. Um nicht ganz müßig zu bleiben, hatte sie ein paar Hände voll junger Möhren aus dem Beete gezogen, die sie eifrig schabte und putzte. Elisabeth setzte sich zu ihr. Die Alte warf einen schelmischen Blick auf die schlanken weißen Finger, die neben ihren eigenen braunen, schwielenharten Händen erschienen und einige Möhren von ihrem Schoße nahmen.

      »Nichts da,« sagte sie abwehrend, »das ist keine Arbeit für Sie – Sie kriegen gelbe Finger.«

      »Daraus mache ich mir nichts!« lachte Elisabeth. »Ich helfe Ihnen und Sie erzählen mir ein wenig. Sie sind hier aus der Gegend und wissen gewiß auch etwas von der Geschichte des alten Schlosses.«

      »I nu freilich,« entgegnete die alte Haushälterin; »Lindhof, wo ich geboren bin, hat ja den Herren von Gnadewitz seit undenklichen Zeiten gehört, und sehen Sie, in einem so kleinen Orte da dreht sich nachher alles um die Herrschaft, der man unterthänig ist. Da geht nichts verloren, was besonderes im Herrenhause vorfällt; das vererbt sich auf Kind und Kindeskinder; und wenn den vornehmen Leuten schon lange kein Zahn mehr weh thut, da erzählen sich noch die Bursche und Mädchen im Dorfe ihre Geschichte.

      »Da war meine selige Urgroßmutter, die ich noch recht gut gekannt habe, die wußte Dinge, daß einem die Haare zu Berge standen. Sie hatte aber einen heiligen Respekt vor denen auf Gnadeck und duckte mich mit ihren beiden zitternden Händen immer tief auf den Boden, wenn die Herrschaft vorbeifuhr; denn ich war dazumal noch ein kleines Ding und konnte keinen rechten Knicks machen … Sie wußte weit, weit in die uralte Zeit hinein die Namen von all den Herren, wie sie der Reihe nach da droben gehaust haben, und gar vieles, was dort wider Gott und Recht geschehen ist.

      »Wie ich nachher auf das neue Schloß kam und die großen Säle fegen mußte, wo sie alle abgemalt waren, von denen vielleicht jetzt kein Staubkörnchen mehr übrig ist, da habe ich manchmal dort gestanden und mich gewundert, wie sie doch ganz und gar nicht anders ausgesehen haben als andere Menschenkinder auch, und haben doch ein Wesens von sich gemacht, als ob sie der liebe Gott in eigener Person auf die Welt ‘runter gebracht hätte … Von Schönheit war bei den Weibern auch nicht viel zu sehen. Ich meinte immer in meinen dummen Gedanken, wenn das schöne Lieschen, das schönste und feinste Mädchen im Dorfe, in den goldenen Rahmen ‘naufgestiegen wäre, in der seidenen Schleppe und mit so viel Edelsteinen auf der Brust und in den Haaren und der Mohr mit dem silbernen Präsentierteller hätte hinter ihrem schneeweißen Gesichte gestanden, das wär’ tausendmal schöner gewesen, als die Dame, die eigentlich bitter häßlich war und zwei schwarze, dicke Striche über den Augen hatte, die sie bis unter die Haare hinaufzog vor lauter Hochmut. Aber gerade auf die war die ganze Familie stolz. Es sollte eine reiche, reiche Gräfin gewesen sein, aber hart und gefühllos wie Stein.

      »Unter den Männern war auch nur einer, den ich gern ansehen mochte. Der hat aber gar ein liebes, treuherziges Gesicht gehabt und ein paar Augen, so schwarz wie die Schlehen; und an dem ist’s auch wieder wahr geworden, daß der Beste am meisten zu leiden hat in der Welt. Von allen anderen in der langen Reihe hat man nichts gewußt, als daß es ihnen gut gegangen ist ihr lebenlang … Viele davon haben Unglück genug in die Welt gebracht, und haben sich doch nachher so ruhig auf ihr Sterbebett gelegt, als sei das alles von Rechts wegen geschehen … Na, um wieder auf den Jost von Gnadewitz zu kommen, der hat ein recht trauriges Schicksal gehabt. Die Großmutter von meiner Urgroßmutter hat ihn selbst gekannt, als sie noch ein kleines Kind gewesen ist. Er hat dazumal nur der wilde Jäger geheißen, weil er den ganzen geschlagenen Tag nicht aus dem Walde gekommen ist. – Auf dem Bilde war er auch im grünen Rocke gemalt und hatte eine lange, weiße Feder auf dem Hute, was mir immer so gefallen hat zu seinen kohlschwarzen lockigen Haaren. Aber gut ist er gewesen und hat keinem Kinde was zuleide thun mögen. Dazumal ist es den Leuten im Dorfe gar gut gegangen, und sie haben gewünscht, es möchte immer so bleiben.

      »Aber auf einmal ist er eine Zeit fortgewesen; kein Mensch hat gewußt, wo er steckt, bis er endlich bei Nacht und Nebel wiedergekommen ist, ohne daß es jemand gemerkt hätte … Von der Zeit an war er aber ganz verwandelt … Den Leuten in Lindhof ist zwar nichts entzogen worden; aber sie haben ihren Herrn nicht mehr zu sehen gekriegt. Er hat alle Dienerschaft fortgeschickt und ist im alten Schlosse mutterseelenallein mit einem Lieblingsdiener geblieben.

      »Da haben denn endlich die Leute viel gemunkelt von der schwarzen Kunst, die er da oben treibe, und hat sich kein Mensch mehr bei hellem, lichtem Tage auf den Berg getraut, geschweige denn in der Nacht … Die alte Großmutter ist aber in ihrer Jugendzeit gar ein keckes Ding gewesen und hat just erst recht ihre Ziegen bei den Schloßmauern grasen lassen … Nun, und da hat sie einmal ganz still und in Gedanken unter einem Baume gesessen und hat hinübergesehen nach der Mauer, wie die doch so hoch sei, und was wohl dahinter stecken möchte. Und da ist mit einem Male da droben ein Arm, so weiß wie Schnee, hervorgekommen, nachher ein Gesicht – die Großmutter hat erzählt, schöner sei das gewesen, als Sonne, Mond und Sterne – und zuletzt hat mit einem Sprunge ein Mädchen droben gestanden, das hat die Arme in die Lust gestreckt, hat etwas gerufen, was die Großmutter nicht verstehen konnte, und wäre um ein Haar hinunter in das Wasser gesprungen, das dazumal um das ganze Schloß herumgelaufen ist … Aber da hat auf einmal der Jost hinter ihr gestanden, der hat sie umfaßt und mit ihr gerungen und hat sie gebeten und gefleht, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen, und die kohlschwarzen Haare haben ihm vor Angst in die Höhe gestanden. Nachher hat er sie auf seinen Arm genommen, wie ein Kind, und weg waren sie von der Mauer … Dem Mädchen ist aber der Schleier vom Kopfe gefallen und ist hinübergeflogen bis zu der Großmutter. Er ist wunderfein gewesen, und sie hat ihn voller Freude mit heimgenommen zu ihrem Vater; der hat ihn voll Schreck ins Feuer geworfen, weil es Teufelsspuk sei, und die Großmutter hat nie wieder auf den Berg gedurft.

      »Später – es ist wohl ein volles Jahr herum gewesen, seit der Jost so still auf Gnadeck gelebt hat – ist er auf einmal frühmorgens zu Pferde den Berg herangekommen; aber niemand

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