Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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ist, noch einmal traurig zugenickt. Dann ist er fortgewesen und ist auch nie wiedergekommen … er ist in der Schlacht erschossen worden, und sein alter Dienen auch, der mit ihm war … es war dazumal der Dreißigjährige Krieg.«

      »Nun, und das schöne Mädchen?« fragte Elisabeth.

      »Ja, von dem hat niemand weiter eine Spur gehört noch gesehen … Der Jost hat auf dem Rathause zu L. ein großes versiegeltes Paket niedergelegt und hat gesagt, das sei sein letzter Wille. Man solle es aufmachen, wenn die Nachricht von seinem Tode käme. Aber da war eine große, große Feuersbrunst in L., viele Häuser, selbst die Kirchen und das Rathaus mit allem, was darin war, sind bis auf den Grund niedergebrannt, und das Paket natürlich auch mit.

      »In der letzten Zeit soll auch einige Male der Pfarrer von Lindhof oben bei dem Jost gewesen sein. Der geistliche Herr hat aber stillgeschwiegen wie ein Mäuschen; und weil er alt war und bald darauf das Zeitliche segnen mußte, so hat er das, was er vielleicht da droben erfahren hat, mit ins Grab genommen … So weiß nun kein Mensch, was es mit dem fremden Mädchen für ein Bewenden gehabt hat, und es wird wohl auch ein Geheimnis bleiben bis an den jüngsten Tag.«

      »Na, geniere dich nur nicht, Sabine.« rief der Oberförster herüber, indem er seine Pfeife ausklopfte, »es ist besser, die Else gewöhnt sich gleich von vornherein an den schauerlichen Schluß deiner Geschichten – sag’s nur, denn du weißt es ja doch ganz genau, daß das schöne Mädchen eines schönen Tages auf dem Besen zum Schornsteine hinausgefahren ist.«

      »Nein, das glaube ich nicht, Herr Oberförster, wenn ich auch –«

      »Drauf schwöre, daß es in der Umgegend wimmelt von solchen, die jeden Tag zum Scheiterhaufen reif wären,« unterbrach sie der Oberförster. »Ja, ja,« wandte er sich zu den anderen, »die Sabine ist noch vom alten Thüringer Schlage. Es fehlt ihr sonst nicht an Verstand und sie hat auch das Herz auf dem rechten Flecke; wenn aber der Hexenglaube ins Spiel kommt, da verliert sie beides und ist im stande, ein armes, altes Weib, weil es rote Augen hat, von der Thür wegzuschicken, ohne einen Bissen Brot abzuschneiden.«

      »Nu, so schlimm ist’s doch nicht, Herr Oberförster,« entgegnete die Alte gekränkt, »ich gebe ihr zu essen, aber ich ziehe die Daumen ein und antworte weder ja noch nein – und das kann mir kein Mensch verdenken.«

      Alle lachten über dies Präservativ gegen das Behexen, welch ersteres augenscheinlich sehr ernst gemeint war. Die alte Haushälterin aber strich die Möhrenüberreste von der Schürze und erhob sich, um das Abendbrot für die Leute herzurichten, die heute früher essen sollten, denn bis zum Einbruche der Nacht gab es noch tüchtig zu thun im alten Schlosse.

      5.

       Inhaltsverzeichnis

      Als Elisabeth am andern Morgen die Augen aufschlug, verkündete die große Wanduhr drunten in der Stube gerade die achte Stunde und überzeugte sie zu ihrem Verdrusse und Schrecken, daß sie sich verschlafen habe. Daran aber war nichts schuld, als ein tiefer häßlicher Morgentraum … Der goldene, poetische Duft, den ihre Phantasie gestern um Sabines Erzählung gehaucht hatte, war über Nacht zur trüben Wolke geworden, deren Druck noch im Augenblicke des Erwachens auf ihr lastete … Sie war in Todesangst durch die wüsten, weiten Säle des alten Schlosses gelaufen, immer verfolgt von Jost, dem sich die Haare auf der todblassen Stirn aufbäumten, und der sie mit den schwarzen Augen anglühte, und hatte eben unter tiefem, nie empfundenem Grauen die Hände ausgestreckt, um ihn zurückzustoßen, als sie erwachte … Noch klopfte ihr das Herz, und sie dachte mit Schauder an jene Unglückliche auf der Mauer, die vielleicht, ebenso gehetzt wie sie, verzweiflungsvoll den Tod suchte und in dem fürchterlichen Augenblicke von dem Verfolger ergriffen wurde.

      Sie sprang auf und kühlte sich das Gesicht in frischem Wasser; dann öffnete sie das Fenster und sah hinunter in den Hof. Dort saß Sabine unter einem Birnbaum, mit dem Butterfasse beschäftigt. Das ganze Hühnervolk hatte sich um sie geschart und sah erwartungsvoll zu ihr empor, denn von dem großen Butterbrote, das neben ihr auf dem Steintische lag, warf sie dann und wann einige Brocken auf den Boden, wobei sie nicht unterließ, die Unverschämten zu schelten und die Unterdrückten zu trösten.

      Als sie das junge Mädchen erblickte, nickte sie freundlich und rief hinauf, alles, was im Forsthause Hände und Füße habe, arbeite seit sechs Uhr droben im alten Schlosse. Auf Elisabeths Vorwurf, weshalb man sie nicht geweckt, entgegnete sie, das sei auf den Wunsch der Mama geschehen, weil ihr Töchterlein sich in den letzten Wochen weit über seine Kräfte angestrengt habe.

      Sabines gutes, friedvolles Gesicht und die frische Morgenluft beruhigten Elisabeths Nerven augenblicklich und führten die Wirklichkeit zurück, die sich ja gerade jetzt so hell und so rosig gestaltete … Sie gab sich unsägliche Mühe, sich selbst auszuschelten, daß sie, der väterlichen Ermahnung des Onkels entgegen, gestern bis um Mitternacht am Fenster gelehnt und über die mondbeglänzte Wiese in den schweigenden Wald hinausgesehen hatte. Allein der angeregten Phantasie gegenüber spielt der Verstand oft eine klägliche Rolle. Mitten in der Untersuchung verschwinden plötzlich Ankläger und Zeugen, er sieht sich allein auf seinem Richterstuhle und muß es sich sogar gefallen lassen, daß er hinter die Kulissen gesteckt wird, während um und neben ihm die Spektakelstücke der Phantasie von vorn anheben. Deshalb verstummten Elisabeths ärgerliche Betrachtungen auch sehr bald vor dem Bilde, das sich in einem Nu vor ihrem inneren Auge aufrollte und sich noch einmal den ganzen Zauber einer Mondnacht im Walde nachempfinden ließ.

      Nachdem sie sich angekleidet und rasch ein Glas frische Milch getrunken hatte, eilte sie den Berg hinauf. Der Himmel war bedeckt, aber nur mit jener hellen, hohen Wolkenschicht, die zwar keinen goldenen, aber einen desto frischeren Frühlingstag verheißt. Deswegen dauert auch heute das Morgenkonzert der Vögel etwas länger, und die Tautropfen schaukelten sich noch so voll in den Blumenkelchen, als sei ihr zartes Dasein für heute unantastbar.

      Als Elisabeth in das weit offene Hauptthor des Schlosses trat, fiel ihr sogleich ein ungeheurer grüner Hügel neben dem Brunnen ins Auge. Es waren Distelbüsche, Farnkrautbündel und Brombeerranken, die, ihrem alten, trauten Wohnplatze, dem Garten, entrissen, hier ihr lustiges Leben verhauchen mußten. Der Weg durch den gewölbten Thorbogen des zweiten Hofes bis zur Gitterthür war mit verzetteltem Grünzeuge bestreut, als solle ein fröhlicher Hochzeitszug durch die Ruine wandeln, und sogar an dem Sims eines hohen Fensters, das droben in seinem Spitzbogen eine prächtige durchbrochene Steinrosette mit Resten bunter Glasmalerei zeigte, hatten sich im Vorübertragen einige Ranken gehängt und legten ihr lebendiges Grün traulich neben die steinernen Kleeblätter der heiligen Dreifaltigkeit, die nicht verkennen ließen, daß der dunkle wüste Raum da drinnen einst die Schloßkapelle gewesen war.

      Der Garten, in welchem man gestern nicht zwei Schritt weit vordringen konnte, erschien dem jungen Mädchen völlig verwandelt. Ein beträchtliches Stück lag aufgedeckt und zeigte nun die Reste zierlicher Anlagen. Elisabeth konnte auf einem ziemlich gesäuberten Hauptwege, über den erschreckte Eidechsen blitzschnell huschten, bis nach dem grünen Damme gelangen, den man gestern von der Ferne aus entdeckt hatte. Zu beiden Seiten des langen, berasten Erdaufwurfs führten breite, ausgewaschene Steintreppen in die Höhe bis zu einer niedrigen Brüstung, über die man in den Wald und da, wo die Bäume ein wenig auseinander traten, hinunter in das Thal sehen konnte, wo das Forsthaus mit seinem blauen Schieferdache voll weißer Tauben behaglich auf der grünen Wiese lag. Zu Füßen des Walles, gerade da, wo der Hauptweg endete, befand sich ein kleines Bassin, in das eine grünbemoste Gnomengestalt einen starken, kristallhellen Wasserstrahl spie. Zwei Linden wölbten sich über dem rauschenden Brunnen und warfen ihren wohltätigen Schatten auf die zarten Vergißmeinnicht, die hier massenhaft aus der feuchten Erde sproßten und das Bassin in dunkler Bläue umfingen.

      Dem Damme

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