Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie Marlitt страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

Скачать книгу

in welchem sie nach Gottes Gebot zu ihm reden sollen, ist ihnen zu klein und nicht nach ihrem Geschmacke … Aber mir ist nicht allein das Gesperr ein Greuel; nein, es ist auch geradezu gottheillos, so mir nichts dir nichts das Heiligste in die Berufsgeschäfte hineinzuziehen … Jetzt frage ich, ob die Jungfer, die eben ein glühendes Plätteisen handhabt, oder der Koch, der einen heiklen Braten in der Röhre hat, sich freuen kann, wenn das Glöckchen mit einemmale anfängt?«

      »Ja, in diese Art Andacht setze ich allerdings einige Zweifel,« sagte lächelnd Frau Ferber.

      »Oder ob der Gnädigen selbst – die vielleicht gerade einen interessanten Roman liest, oder eine neue Hofintrige im Kopfe hat – denn diese Geschichten lassen sich auch neben der Frömmigkeit ganz vortrefflich abwickeln – ein solcher Harrassprung vom Weltlichen in die Gottesverehrung wohl möglich ist? … Ja, ja, da laufen diese Leute ungesäubert und ungewaschen im Reiche Gottes aus und ein und denken auch noch wunder, wie sehr sich unser Herrgott freuen muß, daß sie ihm diese Ehre schenken.«

      »Und ist Herr von Walde mit den Reformen der Baronin Lessen einverstanden?« fragte Frau Ferber.

      »Nach allem, was ich in der Beziehung von ihm höre, wahrscheinlicherweise nicht; aber was hilft das? … Der durchstöbert vielleicht im Augenblicke die Pyramiden, um Licht in die alten Zeiten zu bringen; daß seine Frau Kousine unterdes im christlichen Eifer das anrüchige Licht der Gegenwart nach Kräften mit auszublasen sucht, das kann er ja nicht wissen … Er mag übrigens auch seinen ganz gehörigen Sparren haben … Der Fürst von L., dem er sehr nahe steht, soll in früheren Jahren lebhaft eine Verbindung zwischen ihm und einer jungen Dame am Hofe gewünscht haben; er hat, dem Vernehmen nach, die Partie ausgeschlagen, weil das Fräulein nicht die erforderliche Anzahl Ahnen besitze.«

      »Nun, da kann es sich wohl ereignen, daß er einstmals eine schöne Fellahtochter, die ihre Ahnen noch unter den Mumien von Memphis suchen darf, als Herrin in das reizende Lindhof einführt?« meinte lachend Elisabeth.

      »Ich glaube überhaupt nicht, daß er sich noch verheiratet,« entgegnete der Oberförster. »Er ist nicht mehr ganz jung, hängt viel zu sehr am Wanderleben und soll sich auch im ganzen nie was aus Weibsleuten gemacht haben …. Ich will gleich meinen kleinen Finger verwetten, daß der da drunten mit dem Buche in der Hand diese meine Ansicht teilt und Lindhof und alle die anderen schönen Besitzungen in Sachsen und Gott weiß wo noch im innersten Schrein seiner Seele als unverlierbares Eigentum betrachtet.«

      »Hat er Ansprüche daran?« fragte Frau Ferber.

      »Freilich wohl. Er ist der Sohn der Baronin Lessen. Außer dieser Familie haben die Geschwister von Walde keine Verwandten in der ganzen weiten Welt. Die Baronin war zuerst mit einem Herrn von Hollfeld verheiratet; aus dieser Ehe stammt der junge Mann da drunten, der durch den frühen Tod seines Vaters Herr von Odenberg, einer großen Besitzung jenseits L., geworden ist. Die schöne Witwe hat damals gemeint, sie müsse eiligst ihre Freiheit benützen, um wenigstens noch eine Staffel auf der Leiter menschlicher Glückseligkeit und Vollkommenheit zu ersteigen; diese Staffel aber konnte natürlicherweise nur der Freiherrnrang sein, und deshalb wurde Frau von Hollfeld eines schönen Tages die Gemahlin des Baron Lessen. Sein Name war zwar etwas anrüchig, es klebten einige Thatsachen daran, die man in niedrigerer Sphäre spießbürgerlicherweise unehrenhaft nennt, aber das schadete nichts, er war ja auch Kammerherr, der Schlüssel am Rockknopfe schließt das Hofparadies auf, und davor müssen sich selbst die gewaltigen Schlüssel des heiligen Petrus verstecken, trotz aller Verheißungen, die sie einst wahrmachen sollen. Der Baron machte übrigens nach zehnjähriger Ehe seine Gemahlin abermals zur Witwe und hinterließ ihr, außer einer kleinen Tochter, eine enorme Schuldenlast … Es mag ihr nun freilich gefallen, in Lindhof unumschränkt die Herrin spielen zu dürfen, denn wie ich höre, hat sie auf dem Gute ihres Sohnes weder Sitz noch Stimme.«

      Eine Magd aus dem Forsthause unterbrach hier das Gespräch, indem sie, mit Scheuereimer und Kehrbesen bewaffnet, durch unzweideutige Bewegungen zu erkennen gab, daß jetzt ihr Herrscheramt hier beginne. Das Fernrohr wurde eiligst zusammengeschraubt, und während der Oberförster daran ging, die Fenstersimse an der Gartenseite von den Umarmungen der Schlingpflanzen vollends zu befreien, nahmen Frau Ferber und Elisabeth die inmitten der Zimmer zusammengestellten Möbel in Angriff, um deren ursprünglichen Glanz mittels Staubtuch und Bürste wiederherzustellen.

      6.

       Inhaltsverzeichnis

      Pfingsten war vorüber. Die Glocken, die ehernen, hatten sich ins Stillleben zurückgezogen und blickten droben schwarz und ganz unbeweglich durch die Schalllöcher, als seien sie die Särge des melodischen Lebens, das während der Feiertage die Türme umbraust hatte. Die bunten Glöckchen im Walde aber, lose auf grünem Stengel hängend und ihres feierlichen Amtes wohl bewußt, konnten das Fest nicht vergessen. Sie waren wacker mit eingefallen, wenn es durch die Lüfte harmonisch und erhaben gezittert hatte, und läuteten nun auch unermüdlich weiter bei jedem Windhauche, der durch das Unterholz strich. Es kümmerte sie ganz und gar nicht, daß der Holzhacker, Sonntagsstaat und Festmiene zu Hause lassend, nun mit grober Sohle an ihnen hinstreifte und ein rauhes Lied vor sich hin pfiff. Ließ sich doch der Wald auch nicht irre machen; es zog und wehte geheimnisvoll durch seine Baumwipfel, wie ein von tausend Stimmen geflüstertes Gebet, und die Vögel sangen in den Morgen-und Abendstunden nach wie vor ihre Hymne zur Ehre Gottes.

      Droben im alten Schlosse Gnadeck harmonierte die nachhaltige Festtagsstimmung mit der des Waldes, obgleich Ferber seine Geschäfte übernommen und außerdem die unvermeidlichen Antrittsbesuche in L. abzumachen hatte. Frau Ferber und Elisabeth hatten sich durch Sabine bedeutende Aufträge eines Weißwarengeschäfts in L. zu verschaffen gewußt und waren nebenbei im Garten beschäftigt, der in diesem Jahre noch nach Kräften seinen Tribut abgeben sollte. Daß trotz dieser Rührigkeit immer noch ein sonntäglicher Hauch durch die Räume des Zwischenbaues wehte, lag in der gehobenen Stimmung der Familie selbst, die den Einfluß eines glücklichen Wendepunktes in ihrem Leben ungeschwächt fortempfand und sich jeden Augenblick angeregt fühlte, das Sonst mit dem Jetzt zu vergleichen; das Waldleben, so ungewohnt und neu, wirkte fast berauschend auf die Gemüter.

      Die zärtlichen Eltern hatten Elisabeth das Zimmer mit den Gobelins angewiesen, weil es die schönste Aussicht bot und gleich bei der ersten Musterung des Zwischenbaues von dem jungen Mädchen für das hübscheste und gemütlichste erklärt worden war. Die unheimliche Thür, die nach dem großen Flügel führte, hatte man wieder zugemauert; die hohen Eichenflügel mit den Messingschlössern und Riegeln bedeckte das Mauerwerk und ließ nicht ahnen, daß jenseits die Wüstenei begann. Den Hintergrund des Zimmers füllte eines der neu hergerichteten Himmelbetten aus; in der Nähe des Fensters befand sich der altertümliche Schreibtisch, außer einem altmodischen Porzellanschreibzeuge und den nötigen Schreibutensilien auch noch zwei hübsche kleine Vasen voll frischer Blumen auf seiner Platte tragend, und draußen auf dem breiten Steinsims, von der Krone eines Syringenbusches schmeichelnd umspielt, stand der gelbe Messingkäfig, in welchem Hänschen, der Kanarienvogel, mit dem ganzen Neide einer verzogenen Bravoursängerin seine schmetternden Triller vor denen der Waldvirtuosen geltend zu machen suchte.

      Als das Zimmer eingerichtet wurde und Frau Ferber alle Augenblicke einen neuen Gegenstand brachte, um den kleinen Raum auch recht anmutend auszuschmücken, da trat der Vater endlich an die längste Wand, breitete die Arme darüber und verbannte den kleinen Divan, der eben hereingeschoben werden sollte, wieder in das Nebenzimmer.

      »Halt, diesen Platz reserviere ich mir!« rief er lachend. Er holte eine große Konsole von dunklem Holze und befestigte sie an der Wand, die gerade an dieser Stelle eine sehr breite Holzleiste zeigte. »Hier,« fuhr er fort, indem er eine Büste Beethovens darauf stellte, »hier soll er, der Einzige, ganz allein thronen!«

      »Aber

Скачать книгу