Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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wirst du dich überzeugen, daß mein Arrangement nicht so sehr zu verwerfen ist, und daß für Elisabeth noch ein ganz besonderer Vorteil aus den vorgefundenen Möbeln entspringt.«

      Am folgenden Tage, es war der Pfingstabend, fuhr er mit dem Oberförster nach der Stadt, und als er gegen Abend zurückkehrte, kam er nicht durch das Mauerpförtchen. Das große Thor wurde geöffnet, und vier starke Männer trugen einen großen, glänzenden Gegenstand durch die Ruinen. Elisabeth stand gerade in der Nähe des Küchenfensters und war – zum erstenmal in der neuen Wohnung – mit der Zubereitung des Abendbrotes beschäftigt, als die Männer mit ihrer Last den Garten betraten.

      Sie schrie laut auf; denn das war ja ein Klavier, ein schönes, tafelförmiges Instrument, das ohne weiteres in den Zwischenbau hineingetragen und droben im Gobelinzimmer unter Beethovens Büste gestellt wurde. Elisabeth weinte und lachte in einem Atem und schlang jubelnd die Arme um den Hals des Vaters, der sein einziges kleines Kapital – den Erlös aus den Möbeln in B. – hingegeben hatte, um ihr das, was die Wonne ihres Lebens war, wieder zu verschaffen. Dann aber öffnete sie das Instrument, und gleich darauf schlugen mächtige Akkorde an die engen Wände, die so lange das Schweigen des Todes umfangen hatte.

      Der Oberförster war auch mitgekommen, denn er wollte Elisabeths Freude und Ueberraschung sehen. Er lehnte jetzt stumm an der Wand, als die wunderbaren Melodieen unter den Fingern des jungen Mädchens hervorrauschten. In diesem Augenblicke sprach ja die glühende, mächtige Seele, die in der lieblichen jungen Hülle wohnte, zum erstenmal in ihrer ganzen Gewalt zu ihm. Dieser feingemeißelte Kopf, wie wunderbar beseelt und gedankenschwer erhob er sich jetzt über der zarten Gestalt, welche der ganze Zauber des Mädchenhaften und Tiefsinnigen umwob. Bis dahin waren ja nur Neckereien und Witzworte zwischen ihr und dem Onkel hin und her geflogen. Er nannte sie der Leichtigkeit ihrer Bewegungen und ihrer Gedankenschnelle halber, die nie um eine witzige Replik verlegen sein ließ, oft seinen Schmetterling, am meisten aber »Goldelse«, indem er behauptete, ihr Haar sei so golden, daß er es durch den dichtesten Wald blitzen und schimmern sähe, wie einst jung Roland das Kleinod im Schilde des Riesen.

      Als Elisabeth geendet, legte sie beide Hände über das Klavier, als wollte sie den neuen Besitz umarmen, und lächelte glückselig vor sich hin; der Oberförster aber näherte sich ihr leise, küßte sie auf die Stirn und ging schweigend hinaus.

      Von diesem Momente an kam er jeden Abend hinauf ins alte Schloß. Sobald die letzten Streiflichter der Sonne auf den Baumgipfeln erloschen waren, mußte sich Elisabeth an das Klavier setzen. Die kleine Familie nahm Platz in der Nische des weiten Bogenfensters und versenkte sich in das Gedankenmeer des Meisters, dessen Bild von der Wand herab ernst auf die begeisterte junge Spielerin schaute. Dann dachte Ferber wohl daran, wie sich Elisabeth das Leben im Walde ausgemalt hatte, als der Brief vom Försteronkel in B. eingelaufen war. Elfen und Kobolde erschienen freilich nicht; wohl aber zogen die Geister, die der gewaltige Tondichter in die Töne gebannt hat, entfesselt auf dem Musikstrome hinaus und hauchten in die feierliche Stille jenes geheimnisvolle Leben, dessen Wonnen und Leiden, wenn auch durch jede empfindende Menschenbrust flutend, auszusprechen und zu verkörpern doch nur dem Genius beschieden ist.

      Eines Nachmittags saß die Familie Ferber beim Kaffee. Der Oberförster war auch heraufgekommen, hatte Zeitung und Pfeife mitgebracht und ließ es sich gern gefallen, daß ihm Elisabeth eine Tasse des dampfenden Trankes einschenkte. Er wollte eben einen interessanten Artikel vorlesen, als draußen am Mauerpförtchen geläutet wurde. Zum Erstaunen aller trat, nachdem der kleine Ernst geöffnet hatte, ein Bedienter vom Schlosse zu Lindhof ein und überreichte Elisabeth einen Brief. Er war von der Baronin Lessen. Sie begann damit, dem jungen Mädchen sehr viel Schmeichelhaftes zu sagen über sein vortreffliches Klavierspiel, das sie bei ihren Spaziergängen durch den Wald seit einigen Abenden belauscht haben wollte, und knüpfte daran die Frage, ob Fräulein Ferber geneigt sei, natürlich unter vorher festzustellenden Bedingungen, wöchentlich einigemal mit Fräulein von Walde vierhändig zu spielen.

      Der Brief war in sehr höflichem Tone gehalten; gleichwohl warf ihn der Oberförster, nachdem er ihn zum zweitenmal durchgelesen, unmutig auf den Tisch und sagte, Elisabeth scharf anblickend:

      »Du gehst nicht darauf ein, wie ich denke?«

      »Und warum nicht, lieber Karl?« fragte Ferber an ihrer Stelle.

      »Weil Elisabeth nun und nimmermehr in den Kram da drunten paßt!« rief ziemlich heftig der Oberförster. »Willst du das, was du sorgfältig aufgebaut hast, unter giftigem Mehltau oder Reif vergehen sehen – nun, so thue es.«

      »Ich habe allerdings,« entgegnete Ferber ruhig, »bis jetzt die Seele meines Kindes allein in den Händen gehabt und bin, wie es meine Pflicht war, eifrig besorgt gewesen, jeden Keim zu wecken, jedes Pflänzchen, das ausbiegen wollte, zu stützen. Nichtsdestoweniger ist es mir nie eingefallen, eine kraftlose Treibhauspflanze erziehen zu wollen, und wehe mir und ihr, wenn das, was ich seit achtzehn Jahren unermüdlich gehegt und gepflegt habe, wurzellos im Boden hinge, um von dem ersten Windhauche des Lebens hinweggerissen zu werden . . : Ich habe meine Tochter für das Leben erzogen; denn sie wird den Kampf mit demselben so gut beginnen müssen, wie jedes andere Menschenkind auch. Und wenn ich heute meine Augen schließe, so muß sie das Steuer selbst ergreifen können, das ich bisher für sie geführt habe … Sind die Leute drunten im Schlosse in der That kein Umgang für sie, nun, dann wird sich das sehr bald herausstellen. Entweder es fühlen beide Teile sofort, daß sie nicht für einander passen, und das Verhältnis löst sich von selbst wieder, oder aber Elisabeth geht an dem vorüber, was ihren Grundsätzen widerspricht, und es bleibt deshalb nicht an ihr haften … Du gehörst ja selbst zu denen, die nie einer Gefahr ausweichen, sondern stets ihre Kraft, ihren Wert an ihr erproben.«

      »Alle Wetter, dafür bin ich auch ein Mann, der für sich selbst einstehen muß!«

      »Weißt du denn, ob Elisabeth in späteren Jahren je eine andere Stütze haben wird, als sich selbst, je eine fremde Kraft, die die Verantwortlichkeit für sie mit übernimmt?«

      Der Oberförster warf einen schnellen Blick auf das junge Mädchen, das seine Augen feurig auf den Vater geheftet hielt. Er sprach ihr aus der Seele, der für sie der Inbegriff des Unfehlbaren und der Weisheit war – das lag sprechend in ihren Zügen.

      »Vater,« sagte sie, »du sollst sehen, daß du dich nicht geirrt hast, daß ich nicht schwach bin … Ich habe von jeher das abgenutzte Bild vom Epheu und der Eiche nicht leiden mögen und werde es am allerwenigsten an mir wahr machen … Lasse mich getrost ins Schloß hinuntergehen, Onkelchen,« wandte sie sich schelmisch lächelnd an den Oberförster, dem die grimmige Falte in möglichster Entwickelung zwischen den Augenbrauen erschienen war. »Sind die Bewohner herzlos, ei, so setzt das noch lange nicht voraus, daß ich sofort zum Kannibalen werden und mein eigenes Herz unter dem Mühlsteine der Grausamkeit zermalmen muß. Wollen sie mich treten und verletzen durch Hochmut, dann setze ich mich innerlich auf einen so hohen Standpunkt, daß alle Pfeile umsonst nach mir verschossen werden, und sind sie Heuchler, nun, so sehe ich der Wahrheit um so fester ins sonnige Angesicht und weiß dann desto klarer, wie häßlich jene schwarzen Masken sind.«

      »Schön gesagt, unvergleichliche Elfe, und wäre auch wunderleicht durchzuführen, wenn nur die Leute die Freundlichkeit haben wollten, ihre Masken so handgreiflich zur Schau zu tragen … Wirst dich schon wundern, wenn du eines Tages Spreu da findest, wo du so und so lange auf Gold geschworen hast.«

      »Aber, lieber Onkel, ich werde doch nicht so thöricht sein, mich lediglich Illusionen hinzugeben … Bedenke nur, wie viel Trübes in meine Kinderzeit gefallen ist; und das ist durchaus nicht so unverstanden an mir vorübergegangen … Allein, ein wenig Vertrauen auf seinen guten Stern und auf sich selbst muß das Menschenkind auch haben; und deshalb verzweifle ich noch gar lange nicht, selbst wenn ich gleich beim Eintritt in die fremde Welt in einen Abgrund von ägyptischer Finsternis und greulicher Molche fallen sollte … Siehst du, liebes Onkelchen, das hast du nun

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