Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Seinigen angeboten ... Sie mußte an die mitgenommenen Kellerschlüssel denken – die Frau Baronin war nicht allein tückisch, wie sie damals einzig und allein angenommen, sie war auch geizig ... Sie schüttelte sich vor Ekel. Sollte sie von Bezahlung sprechen? Oder der Dame in etwas feinerer Form einige ihrer ungefaßten kostbaren Juwelen hinaufschicken? – Was aber würde er zu einem solchen Schritt sagen? – Er würde noch schlechter von ihr denken als bisher ...

      Sie sank in ihrem Lehnstuhl zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen.

      27.

       Inhaltsverzeichnis

      Nun hatte sich der sehnliche Wunsch der Dienerschaft erfüllt – die Herrin war zurückgekehrt; allein die Schadenfreude war schon am anderen Morgen einer allgemeinen Niedergeschlagenheit gewichen. Die nervöse Reizbarkeit der Gnädigen hatte sich, wie jedesmal auf den Wallfahrtsreisen, sehr verschlimmert. Dazu kam der heftige Unwille über die Abwesenheit ihres Gemahls. Sie hatte es zwar aufgegeben, ihm nachzureisen, nachdem ihr der Bediente Robert mitgeteilt, daß er und Mamsell Birkner nur für wenige Tage Befehle erhalten und deshalb den gnädigen Herrn in der Kürze zurückerwarten dürften – allein die unstete Hast, die gallig verbitterte Laune, mit welcher sie das Regiment im Hause wieder aufgenommen, waren damit nicht besser geworden. Selbst Minka durfte ihr nicht unter die Augen kommen – sie hatte »die kleine, schwarze Kanaille« in der Pension belassen.

      Mamsell Birkner kam selbstverständlich, als völlig in Ungnade Gefallene, mit keinem Fuß in das erste Stockwerk; die anderen gratulierten ihr insgeheim dazu; denn die Gnädige habe, wie sie sich zuraunten, einen Blick mitgebracht, vor dem man am liebsten in ein Mäuseloch kriechen möchte. Alle Türen der Zimmerreihe droben, selbst die des großen Mittelsaales, sollten weit offen stehen, und während Fräulein von Riedt an ihrer veilchenfarbenen Altardecke sticke, fege die Gnädige ohne Ruh und Rast, ohne Ziel den langen Weg durch die Zimmer auf und ab. Manchmal flüstere sie leise vor sich hin; sie bleibe oft mitten im großen Saal stehen und sehe sich mit einem tückischen Auflachen um, gerade als wolle sie alle die stolzen Herren von Schilling an den Wänden verhöhnen; dem Bilde des alten Freiherrn aber habe sie schon verschiedene Male mit der Faust gedroht und ihm recht derbe Schimpfworts, wie man sie einer solchen Dame gar nicht zutraue, hinaufgerufen – das alles wollte der Bediente Robert beobachtet haben ... Dann und wann hörte man auch durch die offenstehenden Fenster tolles Gelächter und Aufkreischen; »die Gnädige hat ihre Krämpfe,« sagte dann Hannchen gelassen, wenn Donna Mercedes erschreckt zusammenfuhr. Die Dienstboten dagegen beachteten den Lärm kaum – an Krämpfen hatte ja die Gnädige stets gelitten.

      Die Kohlenbecken in der Flurhalle dampften noch tagtäglich, sie sollten vermutlich nicht eher gelöscht werden, als bis Baron Schilling zurückgekehrt war und sich bereuend überzeugt hatte, daß er doch eigentlich seine selbst so kränkliche Gemahlin in augenscheinliche Gefahr, in eine recht peinliche Lage gebracht habe. Im übrigen wurden seine Schützlinge in der Erdgeschoßwohnung zwar in keiner Weise mehr behelligt, aber auch so vollständig ignoriert, als lägen die inneren Läden, das leere, spukhafte Revier von der Außenwelt abschließend, wie immer hinter den Scheiben.

      Donna Mercedes wich stets in die Tiefe des Salons zurück, sobald sie die beiden Damen von der Straße herkommen sah – und sie kamen täglich zweimal, morgens und zur Abendzeit, aus der Benediktinerkirche ... Sie stand ihrem eigenen innersten Wesen wie einem dunklen Rätsel gegenüber. Irgend ein Zug von Sympathie konnte jene Frau allerdings nicht erwecken, die trotz ihrer schlaffen Haltung, ihres müde-schleppenden Ganges dennoch Zoll für Zoll die unumschränkte Beherrscherin des Schillingshofes und dessen, was in ihm lebte und webte, unverkennbar und verletzend herauszukehren wußte. Donna Mercedes hatte auch sonst alle Ursache, der Dame des Hauses zu grollen, welche die gesellschaftlichen Formen, die allereinfachsten Anstandsregeln ihr gegenüber in hochmütiger Willkür völlig aus den Augen setzte – aber das Haßgefühl, das in ihr aufwogte, die heftig schmerzenden Stiche, die ihr Herz durchfuhren und ihr wie in wahnsinnigem Zusammenschrecken das Blut plötzlich stocken machten, sobald die graue Schleppe zwischen den Büschen auftauchte – diese namenlose innere Aufregung war ihr selbst unbegreiflich und verwirrte sie.

      So waren abermals zwei Tage verstrichen, und am dritten befand sich Donna Mercedes vom frühen Morgen an in erwartungsvoller Unruhe – möglicherweise kam Baron Schilling heute zurück. Ob er die Entflohene mitbrachte und ihren Pflichten wieder zuführte? – Die Hoffnung der jungen Dame hatte sich mit jeder Stunde verringert; heute war sie sogar fest überzeugt, daß sie Lucile nicht eher wiedersehen werde, als bis Siechtum und drohender Mangel die Pflichtvergessene unter ihren Schutz zurücktrieben... Gleichwohl harrte sie in unbeschreiblicher Spannung auf Baron Schillings Rückkehr, und da er ihr so fest und entschieden erklärt hatte, das Wiedersehen mit José nur unter den Bäumen des Gartens feiern zu wollen, so konnte sie ebensowenig wie vor einigen Tagen erwarten, daß er, selbst im Besitz dringender Nachrichten, die Erdgeschoßwohnung betreten würde.

      Sie ging deshalb in der Nachmittagstunde, zu welcher Zeit der Erwartete ankommen konnte, nach dem Glashause. Hannchen saß derweil bei José und erzählte ihm Märchen, während sich die kleine Paula unter Deborahs Aufsicht in dem schattigen Fichtenwäldchen hinter dem Atelier tummelte.

      Der Wintergarten war nicht verschlossen, und auch die in das Atelier führende Glastür klaffte; der Gärtner hatte ja auch drüben die Kakteen und Farne zu pflegen und war vermutlich eben hier beschäftigt gewesen – man sah die frischen Spuren der tropfenden Gießkanne auf dem Asphaltboden, und der grüne Vorhang drüben hinter der Glaswand war vollständig zurückgezogen, der ganze weite Raum tat sich auf – ein immer wieder überraschender und blendender Anblick! Donna Mercedes zog ein Buch aus der Tasche und setzte sich auf die eiserne Gartenbank, die, tief in den Pflanzenwald eingerückt, laubenartig überwölbt war. Hier, in dieser traumhaften Stille, umhaucht von der düftereichen, durch die zerstäubenden Wasser gekühlten Luft, konnte sie ungestört und ruhig warten – ruhig? Das Herz klopfte ihr zum Zerspringen; sie versuchte zu lesen, aber sie fand keinen Sinn in den Longfellowschen Versen; ihre Augen schweiften von der Blattseite immer wieder hinüber in das Atelier, in diese Wunderwelt, die auch ein Gedicht war, ein Gedicht, das seine Poesie aus altversunkenen Zeiten, aus weltweiten Fernen geholt und dem, der hier sann und schaffte, eine unerschöpfliche Gedankenfülle zuführte.

      Draußen in seiner Klause schlug Pirat plötzlich mit seiner gewaltigen Stimme an. Donna Mercedes schreckte empor – Fremde näherten sich dem Hause, sie hörte es an der Art und Weise, wie das ungebärdige Tier tobte und lärmte; aber vor dem Glashause wurde kein Schritt laut – der Hund schwieg auch bald wieder, und die junge Dame lehnte sich beruhigt in ihre geschützte Ecke zurück.

      Da bewegte sich der Vorhang droben auf der Galerie – es sah fast gespenstisch aus, wie sich das farbensprühende Gewebe langsam teilte und seitwärts schob und die graue Frauengestalt im Türrahmen zeigte. – Schlaff und zusammengesunken wie immer, aber jetzt auch schleichend, wie ein Dieb, trat die Baronin auf die Galerie heraus. Fräulein von Riedt folgte ihr.

      Die hohe, in schwarze Seide gehüllte Gestalt der Stiftsdame mit den ernst gebieterischen Augen unter den starken Brauen erschien neben jenem Schattenwesen wie eine Königin. »Mir widerstrebt es, da hinabzugehen,« sagte sie entschieden mit ihrer tönenden, etwas spröden Stimme und streckte den Arm über das Galeriegeländer hinweg. »Ist hier oben alles sorgfältig weggeräumt, wie du dich gestern überzeugt hast, so wirst du im Atelier, wo sozusagen öffentlicher Boden ist, noch viel weniger Aufklärung finden.« Die Baronin überhörte völlig, was ihre Begleiterin sprach. Sie glitt über die Galerie hin und die Wendeltreppe hinab ... Nun sah ja Donna Mercedes die Hausfrau des Künstlers da herabsteigen, wo ihre Phantasie ihr neulich abends ein schlankes, junges Weib mit dem Kredenzteller in den Händen gezeigt hatte – wie so ganz anders war die Erscheinung dort! – Sie sah die Baronin zum erstenmal ohne Hut – was für eine erstaunliche Haarfülle umwogte, lose aufgesteckt,

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