Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie Marlitt страница 149

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

Скачать книгу

weit zurückgehender Linie die Stirn umsäumend, ließ es dieselbe allzu frei, zu sehr entblößt erscheinen und machte sie kahl und nüchtern – ob der Schönheitssinn des Malers nie versucht hatte, wenigstens dieser unschönen Eigentümlichkeit durch einen Rat oder einen ausgesprochenen Wunsch abzuhelfen?

      Donna Mercedes atmete kaum in ihrem Versteck. Sie konnte sich jetzt unmöglich erheben, ohne den Damen, denen sie um keinen Preis vor Baron Schillings Rückkehr begegnen mochte, Auge in Auge gegenüberzustehen. Aber sie hoffte entschlüpfen zu können, während die Baronin »nach Aufklärung suchte«, wie Fräulein von Riedt eben gesagt hatte, und deshalb schmiegte sie sich tiefer in die Ecke und lauschte durch das lockere Gegitter des Myrtengesträuches zu ihrer Rechten auf den ersehnten Augenblick.

      Die Baronin blieb am Fuß der Wendeltreppe stehen. »Ich war noch nie hier – noch nie!« sagte sie im Ton tiefer Befriedigung und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, während ihre lange Hand einen weiten Kreis umschrieb. »Ich habe es durchgesetzt, was ich ihm damals versicherte, als er den Grundstein zu dem Hause legen ließ, durchgesetzt bis zu dieser Stunde! Und daß ich in diesem Augenblick mein Gelübde breche, das wird er nie erfahren.«

      Sie schritt tiefer in das Atelier herein und lachte spöttisch auf. »Sieh dich um, Adelheid!« sagte sie zu der Stiftsdame, die zögernd und sichtlich widerwillig ihr gefolgt war. »Ist diese verrückte Einrichtung nicht der reine Blödsinn? ... Darin hat er allerdings recht gehabt – zu solchem Kram würde ich bis in alle Ewigkeit mein Geld nicht hergegeben haben – dazu mußte er selbst verdienen! – Er ist ein sinnloser Verschwender!« unterbrach sie sich selbst erbittert, und das Blut stieg ihr in das Gesicht. »In alte Scharteken und Trümmer steckt er Unsummen, wie er der fremden Gesellschaft im Erdgeschoß die teuersten Weine und Speisen durch die Gurgel jagt!« – In welch grobe Ausdrucksweise verfiel die Entrüstete! Und wie lebhaft wurden ihre Gebärden, wie rasch wandelte sich die müde-schleppende Gangart zum Geschwindschritt! ... Die »Gnädige« durchfegte quer das Atelier und trat zu Donna Mercedes' Entsetzen in den Wintergarten. »Die Dienstboten klatschen, und er braucht's doch nicht zu wissen!« murmelte sie mit einem fast irrsinnigen Ausdruck vor sich hin. Sie drückte die in den Garten führende Tür zu, drehte den Schlüssel um und steckte ihn, als genüge ihr nur diese Art von Sicherheit, in die Tasche.

      Donna Mercedes verhielt sich lautlos wie eine Tote. Nur das Myrtengezweig trennte sie von dem Frauengesicht, dessen Atem sie nahezu streifen konnte – nie hatte sie den Verheimlichungstrieb so abstoßend, so wahnwitzig gesteigert ausgeprägt gesehen, als in der Art und Weise, wie die Frau den Schlüssel verbarg.

      Sie befand sich in einer höchst peinlichen Lage – sie war gefangen. Ihr stolzer Sinn, ihr ganzes Empfinden empörte sich gegen die Mitwissenschaft dessen, was die Baronin in Abwesenheit ihres Mannes hier trieb; allein noch unerträglicher war ihr der Gedanke, jetzt erst hervorzutreten und der Frau den Schlüssel abzunötigen – sie beschloß, still auszuharren, vielleicht entfernten sich die Damen bald wieder.

      Die Baronin war, ohne sich umzusehen, in das Atelier zurückgekehrt. Und nun huschte sie von Schrank zu Schrank; keine der Türen war verschlossen; die meisten Schubfächer erwiesen sich als leer, oder sie waren mit Zeichnungen und Entwürfen gefüllt, welche die gierig wühlenden Hände stets verächtlich wieder hineinstopften. Es war abscheulich zu sehen, wie die lange Gestalt sich katzenartig an den Schränken und Kredenzen emporreckte, wie sie auf die Zehen trat und zwischen dem klirrenden Geschirr auf den Simsen und Borden jedenfalls nach irgend einem achtlos liegengelassenen Brief tastete.

      Währenddessen war die Stiftsdame an die Staffelei getreten. Anfänglich hatte sie in regungsloser Überraschung wie angewurzelt gestanden – aber nun entfuhr ihr ein Ausruf der Entrüstung. Sie rauschte um einige Schritte von dem Bilde weg, und ihr Blick suchte nach der umherhuschenden Frau. »Ich bitte dich, Klementine, lasse doch dieses widerwärtige Spionieren!« rief sie in zürnender Ungeduld. »Komm lieber hierher und sieh, was du durch deine Gleichgültigkeit verschuldet hast!«

      »Mein Gott, was hast du denn wieder?« antwortete die Baronin ärgerlich über die Schulter hinüber. Sie hatte eben eine Schranktür zurückgeschlagen, hatte ein leeres Kuvert in einem der Fächer gefunden und schien jeden Buchstaben der Adresse mit den Augen zu verschlingen. »Ist das nicht von Damenhand?« fragte sie, eilig das Atelier durchschreitend, und hielt der Stiftsdame das Kuvert hin.

      »Ich berühre anderer Briefe grundsätzlich nicht,« entgegnete diese in herber Rüge und hob abwehrend die Hand. »Wozu diese häßliche Art von Indiskretion? – Selbst wenn dir der Inhalt einen augenfälligen Beweis der Untreue in die Hände lieferte,« – eine Flamme innerer Erregung schlug bei diesen Worten über das Gesicht der Baronin hin – »er würde deinen Mann bei den Unseren weniger schuldig erscheinen lassen als dieses Bild hier – das bricht ihm den Hals! –Sieh her!«

      Sie trat wieder hinter die Staffelei, während die Baronin unter einem Gemisch von Scheu. Verdruß und Widerspruch sich nicht von der Stelle bewegte.«Ach was – ich mag nicht!« versetzte sie störrisch. »Du berührst seine Briefe nicht, und ich sehe grundsätzlich seine Bilder nicht an.«

      »Ja, leider! – Da rühmst du dich, weil du noch nie das Atelier betreten hast, und jetzt weiß ich, daß du stets und immer in dieser Werkstätte hättest zugegen sein müssen, um einen Weltskandal zu verhindern!« – Sie streckte die Rechte gegen das Bild aus. »Das ist das abscheulichste Tendenzgemälde, das je in die Welt hinausgegangen ist!« rief sie tief erregt. – »Diese hier« – sie zeigte auf die herrliche Mittelgruppe – »die Abgefallenen, die Ketzer, die vor Gottes Angesicht Verstoßenen, sie tragen den Nimbus himmlischer Verklärung, und die Getreuen dort, die in Glaubensinbrunst die Waffen ergriffen, um den Fels der Kirche von dem hinaufkriechenden Gewürm zu säubern, sie kommen da hervorgestürzt, als mord- und blutgierige Teufel! ... Und das konnte in seinem Kopfe entstehen, während du an seiner Seite gingst! Es durfte ungehindert Form und Farbe annehmen, dieweil du kein anderes Ziel verfolgtest, als den spröden Ehemann als schmachtenden und sklavisch unterwürfigen Liebhaber zu deinen Füßen zu sehen!«

      Die Baronin trat mit einer heftig unterbrechenden Bewegung auf sie zu; mit diesen zwei raschen Schritten aber stand sie auch vor dem Bilde, dessen Anblick sie bisher vermieden hatte. Einen Augenblick schwieg sie, offenbar vor Bestürzung: dann aber fuhr sie zornig mit der flachen Rechten wie auslöschend über die Mädchengestalt im Nachtgewande, deren wundervolle Büste der mitleidig übergeworfene schwarze Schleier nur halb verhüllte. »Schändlich! Was für eine abscheuliche Phantasie er hat!« stieß sie hervor. »Und da tut er so zurückhaltend und aszetisch und treibt doch insgeheim sündhaften Kultus mit solchen Nacktheiten!«

      Donna Mercedes sah durch zwei sich kreuzende starke Zweige die beiden Frauen wie in einem Rahmen stehen. Das kühne Profil der Stiftsdame hob sich scharf, in fast antiker Linie von dem Hintergrunde des Ateliers. Die junge Dame hinter dem Myrtenstrauch konnte deutlich jeden Zug erkennen, sie sah auch, wie die zwei nachtdunklen Augen mit einem verächtlichen Blick die erbitterte Frau seitwärts streiften.

      »Das sehe ich kaum!« sagte sie kalt und achselzuckend. »Ich halte es auch für keine Sünde – die frömmsten Mönche haben den menschlichen Körper in unverhüllter Schönheit auf ihre Bilder gebracht. Hier« – sie hob abermals die Hand gegen das Gemälde – »sündigt allein die Tendenz!... Mir kocht das Blut, wenn ich denke, daß auch von hier aus ein Schlag gegen den Katholizismus geführt werden wird, wie es jetzt überall in Wort und Bild aufrührerisch gegen Rom und seine Getreuen anstürmt – von hier, von dem Grund und Boden aus, den sie der Kirche gestohlen haben!.. Was frage ich nach den besiegelten Dokumenten der Schillings und der Ketzerfamilie drüben auf dem Klostergut! Der Fleck Erde, auf den die Kirche einmal ihren weihenden Fuß gesetzt hat, ist unveräußerlich – er bleibt ihr, und wenn sie auch Jahrhunderte hindurch der brutalen Gewalt und Willkür weichen mußte, einmal kommt sie wieder Zu ihrem Rechte! Und ihr darin beizustehen, ist die heilige Pflicht eines jeden eifrigen Katholiken.«

      Mit einer

Скачать книгу