Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Oberförster lachte, wenn auch, wie es schien, wider Willen. Dann aber sagte er zu Elisabeth, die geschäftig seine Tasse frisch füllte und einen brennenden Fidibus herbeibrachte, »du brauchst nicht etwa zu denken, daß ich all mein Pulver verschossen habe, wenn ich sage. ›na meinetwegen, da gehe hin und versuch’s‹ – Ich will mir lediglich die Genugtuung verschaffen, eines schönen Tages das heldenmütige Küchlein eilig und verscheucht unter den schützenden Flügel des Daheim kriechen zu sehen.«

      »Ach!« lachte Frau Ferber, »da kannst du warten, du kennst unsern kleinen Eisenkopf schlecht! … Aber laßt uns einen Entschluß fassen. Meiner Ansicht nach wäre es passend, wenn Elisabeth sich morgen den Damen vorstellte.« –

      Tags darauf, und zwar nachmittags gegen fünf Uhr, stieg Elisabeth den Berg hinab. Ein schön gehaltener Weg führte durch den Wald, der in dem Parke gewissermaßen aufging. Kein Gitter trennte den ersten, herrlich gepflegten Rasenplan, der mit seinen feinen, elastisch auf und ab wehenden Gräsern wie ein duftiges grünes Gefieder dalag, von dem mit knorrigen Wurzeln bedeckten Waldboden.

      Elisabeth hatte ein frischgewaschenes, helles Musselinkleid angezogen, und ein weißer, runder Strohhut bog sich leicht über ihre Stirn. Der Vater gab ihr das Geleite bis an die erste Wiese, dann schritt sie allein mutig vorwärts. Keine menschliche Seele begegnete ihr auf dem langen Wege durch die reizenden Anlagen; ja, es schien, als flüsterte es hier im Laube der Bosketts tiefer, als droben im Walde, und als hüteten sich selbst die Vögel, allzu laut zu werden. Sie erschrak vor dem Knirschen des Sandes unter ihren Füßen, als sie in die Nähe des Schlosses kam, und wunderte sich über sich selbst, wie diese bängliche Stille sie mit einemmal so verzagt mache.

      Endlich hatte sie den Hauptflügel erreicht und erblickte das erste Menschenangesicht. Es war ein Bedienter, der in einem imposanten Vestibüle geschäftig, aber möglichst geräuschlos hantierte. Auf ihre Bitte, sie bei der Baronin zu melden, schlüpfte er die breite, gegenüberliegende Treppe hinauf, an deren Fuß zwei hohe Statuen standen, die ihre weißen Glieder halb unter dem dunklen Laube mehrerer Orangenbäume versteckten. Sehr bald zurückkehrend, meldete er, daß sie willkommen sei, und eilte flüchtigen Fußes wieder voraus, kaum mit der Fußspitze die Stufen berührend.

      Beklommenen Herzens folgte ihm Elisabeth. Nicht der sie umgebende Glanz war es, der sie niederdrückte, nein, es war das Gefühl des Alleinstehens in dieser neuen, ungekannten Sphäre. Der Diener führte sie durch einen langen Korridor, an den sich mehrere Zimmer anschlossen, die, außerordentlich reich und elegant ausgestattet, jene tausend Kleinigkeiten in sich schlossen, welche ein unbefangenes und unverwöhntes Menschenkind auf die Vermutung bringen müssen, es sei in eine Warenausstellung geraten.

      Der Bediente öffnete leise und behutsam eine Flügelthür und ließ das junge Mädchen eintreten.

      In der Nähe des Fensters, Elisabeth gegenüber, lag auf einem Ruhebette eine dem Anscheine nach sehr leidende Dame. Ihr Kopf ruhte auf einem weißen Kissen, warme Decken verhüllten fast die ganze Gestalt, die jedoch – so viel ließ sich trotz der Umhüllung beurteilen – von beträchtlichem Embonpoint sein mußte. In der Hand hielt sie ein Flakon.

      Die Dame richtete sich ein wenig in die Höhe, so daß Elisabeth vollständig ihr Gesicht sehen konnte; es war voll und blaß und erschien im ersten Augenblicke nicht unangenehm. Bei schärferer Beobachtung jedoch mußte man finden, daß die großen blauen Augen, von weißblonden Wimpern umrahmt und unter ebenso hellen, in die Höhe gezogenen Brauen liegend, kalt wie Gletschereis blickten, ein Ausdruck, den ein Zug von Hochmut um Lippen und Nasenflügel und ein stark hervortretendes, breites Kinn keineswegs milderte.

      »Ach, es ist sehr freundlich von Ihnen, mein Fräulein, daß Sie kommen!« rief die Baronin mit schwacher, aber trotzdem hart und spröde klingender Stimme, indem sie mittels einer Handbewegung nach einem ihr nahe stehenden Fauteuil deutete und das sich höflich verbeugende junge Mädchen aufforderte, sich zu setzen. »Ich habe,« fuhr sie fort, »meine Kousine bitten lassen, sich bei mir mit Ihnen zu verständigen, da ich leider zu unwohl bin, Sie hinüberführen zu können.«

      Der Empfang war jedenfalls höflich und zuvorkommend, obgleich sich in Ton und Bewegung der Dame eine bedeutende Dosis Herablassung nicht verkennen ließ.

      Elisabeth setzte sich und wollte eben auf die Frage, wie es ihr in Thüringen gefalle, antworten, als die Thür heftig aufgerissen wurde. Ein kleines, ungefähr achtjähriges Mädchen mit fliegenden, etwas rötlichen Locken stürzte herein, in ihren Armen einen niedlichen, zappelnden und quiekenden Hund an sich drückend.

      »Ali ist so unartig, Mama, er will gar nicht bei mir bleiben!« rief die Kleine fast atemlos, indem sie den Hund auf den Teppich warf.

      »Wahrscheinlich hast du das kleine Tier wieder einmal zu arg geneckt, mein Kind,« sagte die Mama. »Ich kann dich übrigens hier nicht brauchen, Bella; du machst zu argen Lärm, und ich habe Kopfweh … Geh hinüber auf dein Zimmer.«

      »Ach, dort ist’s so langweilig. Miß Mertens hat mir verboten, mit Ali zu spielen, immer soll ich die alten Fabeln lernen, die ich gar nicht leiden mag.«

      »Nun, so bleibe hier, aber verhalte dich ruhig.«

      Die Kleine strich dicht an Elisabeth vorüber, wobei sie deren Anzug von oben bis unten musterte, und stieg auf einen gestickten Fußschemel neben der Spiegelkonsole, um eine Vase voll frischer Blumen besser erreichen zu können. Im Nu verwandelte sich das reizend geordnete Boukett in ein wildes Chaos unter den kleinen Händen, die sich eifrig bemühten, einzelne Blumen in die feingestickten Löcher der Vorhangsbordüre zu placieren. Bei diesem Arrangement liefen dicke Tropfen der trüben Lache, in der die Blumen gestanden, von den Stielen auf Elisabeths Kleid, so daß diese sich genötigt sah, weiter zu rücken, denn es hatte nicht den Anschein, als ob die kleine Vandalin selbst oder ein Verbot der Mama dem Amüsement so bald ein Ende machen würde.

      Elisabeth hatte eben nur so viel Zeit gehabt, zu retirieren und auf die wiederholte Frage der Baronin zu antworten, daß sie sich in Thüringen bereits vollkommen heimisch und sehr glücklich fühle, als die Dame sich ziemlich rasch aus ihrer liegenden Stellung emporrichtete und mit einem verbindlichen Lächeln auf den Lippen nach einer Tapetenthür winkte, die sich seitwärts geräuschlos aufthat. Auf ihrer Schwelle erschienen die zwei jungen Leute, die Elisabeth neulich durch das Fernrohr beobachtet hatte; aber wie ganz anders und seltsam sahen sie jetzt nebeneinander aus! Herr von Hollfeld, eine fast übergroße, schlanke Gestalt, mußte sich tief auf die Seite neigen, um der kleinen Hand eine Stütze sein zu können, die auf seinem Arme lag. Jenes sylphenartige Wesen, das damals auf dem Ruhebette gelegen, war eine gänzlich verschobene Kindergestalt. Der auch in diesem Augenblicke vollendet schöne Kopf steckte tief in den Schultern und die Krücke in der rechten Hand zeigte, daß auch in den Füßen ein Mißverhältnis sein müsse.

      »Verzeihe, teure Helene,« rief die Baronin der Eintretenden entgegen, »daß ich dich herüberbemühen mußte; allein du siehst, ich bin wieder einmal der arme, geplagte Lazarus, an dem du deine Engelsgüte ja stets übst … Fräulein Ferber,« deutete sie vorstellend auf das junge Mädchen, das sich errötend erhob, »hat die Freundlichkeit gehabt, auf mein gestriges Billet selbst zu kommen.«

      »Und dafür bin ich Ihnen von Herzen dankbar!« wandte sich die junge Dame mit einem liebreizenden Lächeln an Elisabeth und reichte ihr die Hand. Ihr Auge glitt dabei wie im bewundernden Erstaunen über die Erscheinung des jungen Mädchens und blieb dann in den blonden Flechten haften, die unter dem Hute hervorquollen. »Ach ja,« sagte sie, »Ihr schönes Goldhaar habe ich schon gesehen, und zwar gestern auf einem Spaziergange durch den Wald – Sie bogen sich über eine Mauer droben im alten Schlosse.«

      Elisabeth errötete noch tiefer.

      »Aber eben weil Sie dort waren,« fuhr die junge Dame fort,

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