Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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eilte wie gejagt nach der Platanenallee, während ihr Fräulein von Riedt in unerschütterlicher Haltung und Ruhe folgte.

      29.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Weg war frei, und Donna Mercedes floh förmlich aus dem Glashause, das sie wie ein Käfig wider ihren Willen umschlossen hatte. Noch sah sie die graue Schleppe über den Kies der Allee hinfegen, und wenn Fräulein von Riedt das Haupt ein wenig zurückwandte, so mußte sie sofort erkennen, daß die leidenschaftlichen Erörterungen im Atelier einen ungewünschten Zeugen gehabt hatten – gleichviel, die Befreite flüchtete hinaus ins Freie, tiefatmend, mit heftig pochendem Herzen. Sie hatte Zuletzt geglaubt, vergehen zu müssen in dem eingesperrten, schwülen Pflanzenodem und unter den beklemmenden Eindrücken der Szene, die sich drüben im Atelier abgespielt hatte, wie ein schwer hereinbrechendes Gewitter ... Für eine so unbändig stolze, im Innersten streng wahre Natur, wie Donna Mercedes, hatte es etwas unbeschreiblich Beschämendes und Demütigendes gehabt, wie eine ehrvergessene Horcherin in die Beziehungen fremder, insgeheim feindlich zueinander stehender Menschen ohne deren Vorwissen zu blicken. Sie hätte sich die Ohren zuhalten mögen, und doch waren ihr die Hände wie gefesselt im Schöße liegen geblieben – das leiseste, ihre Anwesenheit verratende Geräusch war ihr mit jedem unfreiwillig gehörten Worte mehr zu einem wahren Schreckgespenst geworden. Sie hatte die Augen geschlossen, um wenigstens den Anblick der Streitenden zu meiden; aber die männliche Stimme hatte sie immer wieder aufgeschreckt und sie gezwungen, das Gesicht des Sprechenden zu suchen, der erbarmungslos mit den weiblichen Intrigen und Herrschergelüsten ins Gericht ging.

      Draußen zwischen den Fichtenstämmen sah sie Paulas Helles Kleidchen schimmern. Die Kleine spielte dort; und Deborah war bei ihr; Pirat aber steckte schon wieder in seiner Klause; er bellte von dort den davoneilenden Damen wütend nach.

      Donna Mercedes ging in das Fichtenwäldchen. Paula jubelte ihr entgegen; das Kind kramte aus einer großen Holzschachtel verschiedene reizende Spielereien und reihte sie auf einem Gartentisch nebeneinander – »der gute Herr« habe das dem Goldkind aus Berlin mitgebracht, sagte Deborah. Von Lucile war nicht die Rede – Baron Schillings Mission hatte also, wie er vorausgesagt, nicht den gewünschten Erfolg gehabt.

      Es war der jungen Dame selbst verwunderlich, daß diese Gewißheit sie so »merkwürdig« kalt lasse. Die ganze Angelegenheit mit ihrem Gefolge von Aufregung und Befürchtungen erschien ihr in diesem Augenblick so abgeblaßt, wie etwas längst Vergangenes, halb Vergessenes neben den Eindrücken, die sie eben empfangen. Sie fühlte ein beängstigendes Schauern über ihre Nerven schleichen, wenn sie dachte, daß sie unmittelbar nach jenen Szenen mit dem tieferregten Mann verkehren sollte – sie hatte Scheu vor ihm, Angst vor sich selber. Diese Bangigkeit vor irgend einem durch eigene Schuld heraufbeschworenen rauhen Wort hatte sie nie, auch in frühester Jugend nicht, empfunden. Ihr sonst ziemlich willenskräftiger Vater, die unbeugsame Mutter hatten dem vergötterten einzigen Liebling gegenüber niemals eine Rüge über die Lippen gebracht – im Gegenteil, jedes leichte Stirnrunzeln, jeder ärgerlich eigensinnige Blick waren begütigend hinweggetost worden ... Baron Schilling zürnte in unversöhnlicher Weise. Wie verletzend in seinem kalten Klang war vorhin jedes der knappen Worte gewesen, die er in bezug auf sie notgedrungen hatte sprechen müssen! Sein Aufbegehren gegen die weiblichen Untugenden, die boshaften Launen, hatte auch die Amerikanerin, die neuerdings in seinen Gesichtskreis getreten, mit inbegriffen – das hatte sie wie einen Dolchstich gefühlt ... Seine Kunst sei seine Erwählte, hatte er gesagt. Mit diesem Idealwesen, »das ihn nie zwang, in die dunklen Schlupfwinkel der weiblichen Seele zu blicken«, konnten sich freilich die Sterblichen nicht messen – dachte sie erbittert. – Sie hatten Blut und Nerven, und der Erdenstaub legte sich auf die Flügel ihrer Seele und ließ sie nicht hinaufflattern in die Regionen, die hoch über der bösen Zunge der Menschen schweben.

      Nicht lange hatte sie grübelnd neben der spielenden Kleinen gesessen, als sie seinen Schritt hörte – er trat aus dem Hause und wandte sich dem Fichtenwäldchen zu ... Ihre Pulse hatten nicht aufgeregter geklopft, wenn das Geräusch herannahender feindlicher Kolonnen an ihr Ohr geschlagen war, als jetzt, wo dieser eine Mann im nächsten Augenblick vor ihr stehen sollte. Ihre letzten grollenden Empfindungen ließen sich nicht so rasch niederkämpfen, sie waren noch in ihren Zügen zu lesen, und als sie sich erhob und einige Schritte langsam majestätisch von der Bank wegtrat, da meinte Deborah in ihrem erschrockenen Herzen, nur das violette Samtgewand fehle, sonst sei die junge Dame genau wieder die verstorbene, gefürchtete Herrin, wie sie voll bösen Hochmutes drüben im goldenen Rahmen stehe.

      Baron Schilling kam um die Hausecke. – Er hielt eine Visitenkarte in der Hand. Donna Mercedes' Anwesenheit unter den Bäumen schien ihn zu überraschen, wie der jähe Farbenwechsel auf seinem Gesicht bewies; er beschleunigte auch im ersten Augenblick unwillkürlich seine Schritte; allein der prüfende Blick, der über ihre verfinsterten Züge hinflog, mochte ihn umstimmen – er steckte die Karte in die Brusttasche, wobei er im gewohnten, ruhigen Tempo näher trat – er sah nichts weniger als erregt aus.

      »Ich war eben im Begriff, Ihnen durch Deborah meine Rücklehr zu melden,« sagte er kühl mit einer Verbeugung.

      »Und Lucile?« »Frau Lucile Fournier wird heute abend zum drittenmal gastieren, wie die Theaterzettel an den Straßenecken Berlins verkünden,« versetzte er mit einem ausdrucksvollen Seitenblick nach dem Töchterchen der Entflohenen und der schwarzen Wärterin.

      Donna Mercedes ging darauf hin nach der Allee, und er schritt an ihrer Seite.

      »An eine Rückkehr in die alten Verhältnisse ist nicht zu denken,« hob er wieder an. »Sie lachte mir ins Gesicht und erkundigte sich nach den Ketten und Handschellen, die ich doch notwendig mitgebracht haben müsse, um sie ›heimzuschleifen‹, denn auf eine andere Weise gehe sie selbstverständlich nicht mit. Ob ich denn ernstlich glaube, sie krieche pflichtschuldigst wieder unter Ihre Flügel, wie ein erschrockenes Küchlein, das den bösen Habicht gesehen, und nehme mit hausbackenem Brot vorlieb, nachdem sie sich in himmlischer Freiheit, auf goldenem Triumphwagen geschaukelt und Manna gekostet habe? ... Und ich habe den Staub von den Füßen geschüttelt und bin gegangen,« fuhr er in seinem ernstesten Tone fort. »Es kann gar nicht mehr die Rede davon sein, ob die kleine Frau zurückkehren will – sie darf nicht wieder heimkommen! ... Es ist, als sei das Stück Leben an Lucians Seite in ihrer Erinnerung grundlos versunken. Sie hat an die Stunde, wo sie das Haus ihrer Mutter und das Leben und Treiben der Theaterwelt verlassen, so unmittelbar und mühelos wieder angeknüpft, daß man auch nicht die geringste Spur einer achtjährigen Unterbrechung merkt. In ihrem Salon treibt sich die junge vornehme Männerwelt herum, den alten, geckenhaften Fürsten Konsky an der Spitze, der, wie ehemals der Mutter, nun dem neuaufgehenden Stern seine Fadheiten sagt, alle Treibhäuser für ihn plündert und im Boudoir Etuis mit kostbaren Schmuckstücken verstreut.«

      Ein Ausdruck von Humor huschte flüchtig über sein Gesicht. »Ich hatte erst verschiedene Verhandlungen mit ihrem neuangenommenen Sekretär zu überstehen, ehe ich eintreten durfte,« sagte er nach einem kurzen Verstummen weiter. »Es war bereits Besuch da – zwei Herren meiner Bekanntschaft machten ihre Aufwartung. Die kleine Frau lag im weißen Seidenmantel auf dem Ruhebett, als sie mich unter tollem Lachen empfing, und hatte einen kläffenden Seidenpinscher auf dem Schöße, dem ein im Mutwillen übergeworfenes Brillantenkollier am Halse schaukelte –«

      »Ich hasse sie!« murmelte Donna Mercedes, und die kleine, festgeballte Hand fuhr unwillkürlich in die Luft.

      Sein Blick hing seitwärts an ihrem Gesicht. Sie zog die Stirn so zürnend zusammen, daß sich die Brauen fast berührten.

      »Das hätten Sie ihr vielleicht gesagt,« bemerkte er.

      »Ohne Zweifel, bei einem solchen Anblick –«

      »Das

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