Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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hart und schonungslos an ihrem Hochmut. Sie mochte an den Augenblick denken, wo sie ihr stolzes Vaterhaus durch das Erscheinen der Schwiegertochter für entweiht gehalten, und jetzt hatte ihr die Schmach gedroht, von deren Schwelle gewiesen zu werden.

      »Ich wußte wohl, daß es ein Weg voll Stacheln ohne Ziel und Erfolg für Sie gewesen wäre,« sagte er kalt, ohne ihre Erregung zu beachten. »Ich mußte mir ja auch gefallen lassen,« – er lächelte heiter, so daß seine prächtigen Zähne unter dem Bart hervorblinkten – »daß mir die kleine Frau mänadenhaft zornig und ergrimmt, wie ihr knurrendes Pinscherhündchen, das kleine, blanke Gebiß wies und mir allen Ernstes drohte, sie werde mir ein halbes Dutzend Duelle auf den Hals schicken, weil ich ihr versichert hatte, daß sie Paula nie und nimmer in die Hand bekommen werde.«

      »Nie und nimmer!« wiederholte sie gepreßt und mechanisch, als stehe sie noch unter dem Eindruck jener demütigenden Vorstellung, die er in ihr hervorgerufen. Sie blieb stehen und zeigte nach dem Klostergute. »Dort geht eine Wandlung vor sich – ich halte die Zeit nicht mehr für fern, wo wir unsere Vollmachten in eine andere Hand niederlegen müssen.« – Sie sprach das durchaus nicht bedauerlich, obgleich ihr der Gedanke das Herz zerfleischen mußte; weit eher klang die Genugtuung darüber mit, daß sie auch ihm einen Schmerz zufügen konnte. Mit dieser Stimme schilderte sie weiter, in rascher Aufeinanderfolge, das gespenstische Erscheinen der Frau in der Säulenhalle und ihre eigene Begegnung mit der Majorin am Zaun. »Wunderbar!« rief sie schließlich aus. »Diese Geschmähte, diese als bitterste Feindin Gehaßte, gerade sie ist es – sie ist es allein, die mir auf deutschem Boden einen Zug von Sympathie abringt!«

      Es fuhr wie ein jähes Aufzucken durch den neben ihr stehenden Mann. Sie bemerkte es nicht.

      »Es ist etwas Verwandtes zwischen ihr und mir,« fuhr sie fort.

      »Ja – es mag der dämonische Zug sein, der den Mitlebenden zu raten aufgibt, ob in diesen Frauen mit den dunklen Flammenaugen in der Tat kein Herz lebt, oder ob es nur zeitlebens von dem unseligen und unersättlichen Trieb, da zu verneinen, wo es beglücken sollte, überstimmt wird,« bestätigte er anscheinend ganz gelassen. »Diese Art des Frauencharakters ist wie eine Blume, die neidisch lieber im eigenen Duft erstickt und verdirbt, ehe sie die spröde Knospenhülle sprengt – eine Flamme, die in die Tiefe hinein brennt, den eigenen Herd verheert und keines Menschen Lebensweg bestrahlt – mich jammern meine zwei Lieblinge in solchen Händen!«

      »Demnach muß ich sehr hart und grausam sein, denn mich – jammern sie nicht,« versetzte sie achselzuckend, aber mit leichtbebender Stimme. »Felix hat sich nicht geirrt – die Frau da drüben wird sie schützen wie ein Mann, und lieben, wie nur ein weibliches Herz zu lieben vermag – sobald der letzte Damm durchbrochen ist ... Sie bestätigen meine innere Verwandtschaft zu ihr – nun wohl, dann muß ich auch ihrem Fühlen nachspüren können. Und so weiß ich, daß die Triebkraft der Neue, das heiße Verlangen, zu sühnen, die spröde Knospenhülle sprengen, die Flamme nach außen treiben wird. Diese neidisch verhaltene Liebe mag dann wohl von anders gestalteter Kraft sein als die zahme Hingebung einer sanften Frauennatur die für alle Welt ein freundliches, aber kühles Mondlicht auf den Weg breitet... Unter der Hut dieser Großmutter lasse ich die Kinder getrost zurück.«

      Sie waren währenddem weiter geschritten. Jetzt blieb er wie auf einen Ruck stehen. »Sie wollen die Kinder verlassen?«

      »Ja – um mich daheim zu vergnügen,« versetzte sie mit scharfen Spott. »Oder hab' ich das nicht redlich verdient durch meinen Aufenthalt in Deutschland?«

      Sie sah, wie ihm das Blut in das Gesicht schoß. »Gewiß – Sie haben recht, wenn Sie dies Märtyrertum so rasch wie möglich abkürzen,« sagte er dennoch kalt; »und ich bin gewiß der letzte, der Ihnen zumutet, auch nur eine Stunde länger zu bleiben, als unbedingt nötig ist. – Vorerst müssen wir freilich abwarten, ob sich die sanguinische Hoffnung auf die Umkehr der alten Frau in der Tat verwirklicht.«

      Donna Mercedes fühlte plötzlich den festen Boden ihres Selbstbewußtseins, ihrer stolzen Sicherheit unter den Füßen weichen. Es hatte eine Zeit gegeben, wo ihr alle versicherten, es dunkle, wenn sie gehe – war aller Glanz von ihr gewichen? War ihr nichts, gar nichts verblieben von dem Zauber der Jugend, des Geistes, der Schönheit, den man – ihr selbst oft genug zum Ekel und Überdruß – in allen Zungen gepriesen, oder glitt er so völlig wirkungslos ab von dem deutschen Gemüt, daß ihr Kommen und Gehen gar keine Spur hinterließ? ...

      Der große Promenadenfächer, den sie in der Hand hielt, wurde geräuschvoll zusammengefaltet – sie wiegte ihn zwischen den Fingern wie eine schwanke Reitgerte. Diese Bewegung im Verein mit dem schlimmen Lächeln der Erbitterung und den gereizt sprühenden Augen in dem fremdartig schönen Gesicht konnte recht wohl erinnern an den Ausspruch der Baronin, daß diese Sklavengebieterin vor der eigenhändigen Züchtigung Straffälliger nicht zurückscheue.

      Wieder ruhte sein Blick durchdringend auf ihr. »Aber auch dieses fernere Opfer könnte Ihnen erspart werden,« fuhr er wie nach augenblicklicher Überlegung fort; »wenn Sie sich dazu verstehen wollten, die weitere Entwicklung einzig und allein in meiner Hand zurückzulassen –«

      »Das heißt mit anderen Worten, meine Begleitung sei überhaupt eine überflüssige gewesen,« fiel sie rasch mit belegter Stimme ein; »der Schillingshof vermöge den kleinen Lucians den Schutz des Vaterhauses, die treue, väterliche Fürsorge im vollsten Umfang zu bieten – ganz richtig, mein Herr – aber die weibliche Zärtlichkeit nicht, die ein Kind zum Gedeihen braucht wie den Sonnenschein ... Und da oben« – sie zeigte mit dem Fächer nach dem Obergeschoß des Säulenhauses – »lebt jetzt eine Frau, Ihre Frau, Baron Schilling, die sich vor dem verpesteten Kinderodem hermetisch einschließt, die den Blick beleidigt wegwendet, sobald solch ein kleines Gesicht hinter den Scheiben auftaucht, die –«

      »Sind Sie gekränkt worden?« brauste er auf.

      »Glauben Sie, ich lasse eine Beleidigung an mich herankommen?« fragte sie mit stolzverächtlicher Überlegenheit zurück. »Ich will damit auch gar keinen Vorwurf erheben – wer mag es der Frau verdenken, wenn ihr der Kinderlärm in ihrem stillen Hause nicht wünschenswert ist? Die Zurechtweisung gilt Ihnen, der Sie eine Last von Widerwärtigkeiten und schwerer Verantwortung so unbedenklich auf die Schultern nehmen wollen –«

      »Das wäre meine Sache,« unterbrach er sie kalt und bestimmt. »Übrigens entsprang mein Vorschlag, wie Sie wissen, nicht der Selbstüberschätzung, sondern lediglich dem Wunsch, Ihnen das Verlassen des deutschen Bodens rasch und sorglos zu ermöglichen,« setzte er fast heftig hinzu. »Felix hat zu viel von Ihnen gefordert! Ihr Hiersein, Ihr Ausharren in diesem stillen Erdenwinkel mag Ihnen wohl gleichbedeutend sein mit geistigem Verkommen – es ist ein unerhörter Raub an Ihrer kostbaren Jugendzeit! ... Sie sind gewohnt, Triumphe zu feiern, bewundernden Blicken zu begegnen, wohin Ihre stolzen Augen sehen – Sie sind gewohnt, in genußsüchtigem Luxus inmitten einer tropisch-üppigen Vegetation zu leben, wo tropische Leidenschaft Ihre Schönheit umwirbt – das alles kann Ihnen Deutschland mit seinem blassen Himmel, seinen »fischblütigen« Menschen nicht geben. Dort finden Sie –«

      »Ja, dort suche und finde ich – vier Gräber,« fiel sie mit tonloser Stimme ein, und ein starrer, tränenfunkelnder Blick voll zürnenden Vorwurfs traf seine Augen.

      Sie wandte sich mit einer raschen Bewegung von ihm weg, und das Gesicht mit dem Fächer bedeckend, ging sie beschleunigten Schrittes nach dem Säulenhause.

      30.

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem Klostergute herrschte eine schwüle Stimmung.

      Das

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