Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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       Inhaltsverzeichnis

      Von nun an ging Elisabeth zweimal wöchentlich hinunter nach Lindhof. Die Baronin Lessen hatte am Tage nach ihrer Aufwartung mittels eines höflichen Billets die Stunden angeordnet und zugleich ein sehr anständiges Honorar für Elisabeths Bemühung festgestellt. Diese Stunden wurden für das junge Mädchen sehr bald eine Quelle hoher Genüsse. Helene von Walde hatte zwar durch jahrelangen Mangel an Uebung in Hinsicht auf technische Fertigkeit sehr verloren und konnte sich mit Elisabeth nicht messen; aber sie spielte mit tiefer Empfindung, hatte einen durchaus geläuterten Geschmack und besaß nicht im entferntesten jene häßliche Angewohnheit der meisten Dilettanten, nämlich, das gering zu schätzen, was über ihren Horizont geht. Die Baronin Lessen war nie zugegen, wenn musiziert wurde, und deshalb gewannen auch die Erholungspausen nach und nach einen eigentümlichen Reiz für Elisabeth. Ein Bedienter brachte dann gewöhnlich einige kleine Erfrischungen; Helene lehnte sich in ihren Fauteuil zurück, und Elisabeth setzte sich auf einen Fußschemel zu ihren Füßen, entzückt der flötenartigen, melancholischen Stimme lauschend, mit der das arme, mißgestalte Wesen aus seiner Vergangenheit erzählte. Dann trat jedesmal das Bild des fernen Bruders in den Vordergrund. Sie konnte nicht genug rühmen, wie er für sie sorge und denke, wie er, obgleich bedeutend älter und sehr ernst, sich bemühe, auf ihre kleinen Liebhabereien und Eigenheiten einzugehen. Sie erzählte ferner, daß er die Besitzung Lindhof einzig aus dem Grunde gekauft, weil die Schwester bei einem längeren Besuche am Hofe zu L. gefunden habe, die Thüringer Luft wirke ganz besonders wohlthätig auf ihren leidenden Zustand. Aus allem ging hervor, daß er Helene zärtlich lieben müsse.

      Eines Nachmittags, als ungewöhnlich lange musiziert worden war, trat ein Bedienter ein und meldete Besuch.

      »Bleiben Sie heute abend bei mir zum Thee,« sagte Fräulein von Walde zu Elisabeth. »Mein Arzt aus L. ist gekommen, und es haben sich auch einige Damen aus der Nachbarschaft melden lassen. Ich werde jemand hinaufschicken zu Ihrer Mama, damit sie sich über Ihr Ausbleiben nicht ängstigt. Mein Zwiegespräch mit dem Doktor wird nicht lange dauern, bald bin ich wieder bei Ihnen.«

      Damit ging sie hinaus. Es waren kaum zehn Minuten vergangen, als die Thür sich wieder öffnete und Fräulein von Walde am Arme eines Herrn eintrat, den sie Elisabeth als Herrn Doktor Fels aus L. vorstellte. Er war ein stattlicher Mann mit einem geistvollen Gesichte, der sich bei Nennung ihres Namens sogleich lebhaft an Elisabeth wandte und ihr in ergötzlicher Weise erzählte, wie er sowohl, als die ganze ehrsame Bewohnerschaft von L. des Erstaunens und Entsetzens kein Ende gewußt hätten, als es laut geworden sei, daß das alte Gnadeck wieder Bewohner und zwar aus Fleisch und Bein beherberge.

      Plötzlich rauschte es im Nebenzimmer, und gleich daraus erschienen zwei weibliche Gestalten, eine alte und eine jüngere, von etwas absonderlichem Aeußeren, in der Thür. Die große Aehnlichkeit in den Gesichtszügen ließ sogleich erkennen, daß die Eingetretenen Mutter und Tochter seien. Beide trugen dunkle Kleider, die gegen die herrschende Mode lang und schlaff auf den Boden fielen, große Mantillen von schwarzem Wollstoffe und braune, runde Strohhüte, die bei der Mutter mit einer schwarzen, bei der Tochter dagegen mit einer lila Schleife unter dem Kinn gebunden waren.

      Helene von Walde begrüßte die Damen als Frau und Fräulein von Lehr, und Elisabeth erfuhr später, daß sie, in L. wohnhaft, den Sommer gewöhnlich im Dorfe Lindhof zuzubringen pflegten, wo sie sich in einem Bauernhause eingemietet hatten.

      Unmittelbar nach den Eingetretenen kam die Baronin Lessen am Arme ihres Sohnes und. von einem Herrn begleitet, der von den Anwesenden als Herr Kandidat Möhring angeredet wurde.

      Die Baronin war dunkel, aber mit ausgesuchtester Eleganz gekleidet; sie sah imposant aus. Auf der Schwelle blieb sie einen Augenblick stehen und schien sehr unangenehm überrascht durch Elisabeths Anwesenheit. Sie maß das junge Mädchen mit einem hochmütig fragenden Blicke und erwiderte ihre Verbeugung mit einem kaum bemerkbaren Kopfnicken.

      Helene hatte den Blick aufgefangen und trat ihr näher, in dem sie begütigend flüsterte. »Ich habe meinen kleinen Liebling heute hier behalten, weil es durch mein Verschulden doch gar zu spät geworden war.«

      Elisabeths feinem Ohre entging jedoch diese Entschuldigung nicht. Sie war empört und wäre am liebsten durch das Fenster geflohen, in dessen Nische sie stand, hätte nicht gerade der Stolz ihr geboten, zu bleiben und dem Hochmut der Baronin die Stirn zu bieten. Diese schien indes durch die Sühne des hinter ihrem Rücken begangenen Verbrechens zufriedengestellt zu sein. Sie nahm Helene in ihre Arme, streichelte zärtlich ihre Locken und sagte ihr tausend Schmeicheleien. Dann forderte sie die Anwesenden auf, ihr in das Nebenzimmer zu folgen, wo serviert sei. Sie machte die Honneurs am Theetische und entwickelte dabei die allerdings nicht wegzuleugnende Gabe, das Gespräch in Atem zu erhalten. Mit bewunderungswürdigem Geschick wußte sie es außerdem einzurichten, daß Helene stets der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeiten blieb, ohne daß die anderen dadurch irgendwie hätten verletzt werden können.

      Elisabeth saß schweigend zwischen dem Arzte und Fräulein von Lehr. Die Unterhaltung hatte im ganzen für sie wenig Interesse, da sie sich hauptsächlich um ihr ganz fremde Persönlichkeiten und Verhältnisse drehte. Frau von Lehr erzählte viel und schien sehr unterrichtet von allem, was während der letzten Wochen, gleichviel ob von den Betreffenden geheim gehalten oder öffentlich ausgesprochen, in der Umgegend von Lindhof geschehen war. Sie sprach dabei in eigentümlich klagenden, gehaltenen Tönen und senkte jedesmal beim Schlusse irgend einer empörenden Neuigkeit demütig und sanft das ausgetrocknete Eulengesicht, als sei sie das Lamm, das der Welt Sünde trage. Dann und wann zog sie ein Fläschchen mit Fenchelwasser aus dem großen Strickbeutel und befeuchtete damit ihre angegriffenen Augen, die fast immer den Himmel suchten.

      Welch ein Kontrast zwischen ihr und Helenes Madonnengesichtchen, das, an den dunklen Plüsch des Sofas geschmiegt, Elisabeth heute mehr denn sonst an die Seerose denken ließ, wie sie ihr glänzendweißes Haupt träumerisch erhebt aus dem dunklen Grunde. Es lag aber auch heute ein seltsamer Schimmer über ihren Zügen. Ganz verwischt war der Ausdruck des Leidens freilich nicht, aber es brach ein voller Strahl des Glückes aus den Augen, und um die blaßroten Lippen spielte ein entzücktes Lächeln, so oft sie das volle Rosenboukett vom Schoße aufnahm, das Herr von Hollfeld bei seinem Kommen in ihre Hand gedrückt hatte. Er saß neben ihr und mischte sich einige Male in das Gespräch. Sobald er sprach, schwiegen sämtliche Damen und hörten mit sichtbarem Eifer und Interesse zu, obgleich seine Art zu sprechen nichts weniger als fließend war und, wie es Elisabeth vorkam, auch durchaus keinen originellen Gedanken verriet.

      Es war ein schöner jungem Mann von vielleicht vierundzwanzig Jahren. Es lag eine große Ruhe in den edelgeformten Zügen, die in ihren Linien leicht auf männliche Festigkeit hätten schließen lassen; allein wer nur einmal fest und forschend in sein Auge gesehen hatte, dem imponierte die plastische Gesichtsbildung sicher nicht mehr. Diese Augen, obgleich groß und tadellos geschnitten, entbehrten der Tiefe und zeigten nie jenes meteorartige Aufleuchten, das uns oft den geistreichen Menschen verrät, selbst wenn er noch kein Wort gesprochen hat. Dieser Mangel kann übrigens ersetzt werden durch jenen milden dauerhaften Glanz, der von einem tiefen Gemüte ausgeht, und der uns nicht hinreißt, wohl aber anzieht und fesselt. Aber auch davon verrieten die großen schönen Blauen des Herrn von Hollfeld keine Spur.

      Diese Beobachtung indes machten vielleicht nur sehr wenige; denn es war nun einmal, und zwar vorzüglich am Hofe zu L., hergebracht, in Herrn von Hollfeld einen Sonderling zu sehen, dessen meist schweigsamer Mund ein um so tieferes Innere verschließe, und am allerwenigsten würden wohl die Damen in und um Lindhof jene Ansicht unterzeichnet haben. Das bewies vor allen Frau von Lehrs sehr korpulente Tochter, indem sie sich jedesmal, als gelte es die Verkündigung eines Evangeliums, über die ängstlich zurückweichende Elisabeth hinüberbog, so oft Herr von Hollfeld den Mund aufthat. Aber auch sie schien gern ihr Licht leuchten zu lassen.

      »Sind

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