Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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in das Säulenhaus gegangen war.

      Die Versöhnung hatte sich also, wie der Augenschein lehrte, vollzogen; das Ziel war erreicht worden, trotzdem die Frau Baronin sich von jeder Mitwirkung losgesagt und durch ihre Abreise die Durchführung des Planes boshaft zu vereiteln gesucht hatte. Sie war nicht vermißt worden, man hatte ihr nicht ein einziges Mal reuevoll geschrieben, daß sie zurückkehren möge – sie hatte immer noch an starren Trotz geglaubt, nun sah sie, daß man ihrer in Wirklichkeit gar nicht gedacht hatte. Sie hätte weinen mögen vor Groll und Ingrimm! ...

      37.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Rat Wolfram und sein kleiner Sohn ruhten seit gestern im Erbbegräbnis an der Seite der »armen stillen Frau Rätin«. Die beiden Verstorbenen waren am frühen Morgen in aller Stille beigesetzt worden.

      Auf den Höfen des Klostergutes herrschte wieder der Wirtschaftslärm, als sei er nie unterbrochen gewesen. Das große Mauertor stand tagsüber weit offen, die Knechte fuhren unermüdlich aus und ein – denn die Ernte hatte begonnen – und die Mägde hantierten mit arbeiterhitzten Gesichtern in den Ställen und Bodenräumen und am Kochherd, auf dem in mächtigen Kesseln das Essen für die Erntearbeiter bereitet wurde.

      Die Majorin überwachte alles, wie sie es seit vielen Jahren getan. Es war unmöglich, eine so große Wirtschaft, die bisher wie ein pünktliches Uhrwerk gegangen war, mit einem Ruck zum Stillstehen zu bringen; da hieß es geduldig den Faden abwickeln, und die aus allen Fugen gerüttelte Frauenseele bedurfte ihrer ganzen Willensstärke, um diese Aufgabe durchzuführen. Nur vom Milchverkauf hatte sie sich freigemacht; das besorgten jetzt die Mägde in der Gesindestube; ebenso hatte sie alles Geschäftliche bezüglich der Hinterlassenschaft des Rates vorläufig in Baron Schillings Hände gelegt, der ihr in diesen Tagen des Schreckens und der namenlosen Bedrängnis wie ein Sohn näher getreten war. Sie hatte auch mit ihm vereinbart, daß der verhängnisvolle Gang vom Schillingshofe aus zugemauert werde; die Amtsstube und das Eßzimmer standen verschlossen – sie mied die zwei Schwellen wie glühendes Eisen. Nun kam Baron Schilling am Tage nach der Beisetzung behufs einer vorläufigen Untersuchung mit zwei Handwerkern, einem Kunsttischler und einem Maurer, in den Holzsalon. Er hatte Donna Mercedes vorher benachrichtigt und fand deshalb den Salon leer, aber die Türen nach Josés ehemaligem Krankenzimmer und der anstoßenden Kinderstube waren nicht fest geschlossen, man hörte das Geplauder der spielenden Kinder herüber.

      Der Tischler schlug die Hände zusammen über das zerstörte kostbare Kunstwerk der Holzschnitzerei, und der Maurer untersuchte die dahinterliegende glatte, braune Tür an der Innenseite. Die alten Mönche seien Schlauköpfe gewesen, meinte er und zeigte auf verschiedene kleine Schieber und Riegel auf der Fläche. Auch ohne eine der Türen – die durchsichtige sowohl wie die feste, glatte – zu öffnen, hatte man durch kleine Rundungen zwischen übereinander geflochtenen Ranken oder im Kelch einer Blume den ganzen Salon übersehen können. Und diese verschiebbaren kleinen Platten liefen geräuschlos in sorgfältig eingeölten Rinnen und zeugten so unwiderleglich vom allerjüngsten Gebrauche. Die Polstertür aber, von einem dicken, unverwüstlichen Leder überspannt, hatte zu allen Zeiten jeden Schall zwischen den zwei Häusern aufgefangen, und zum Überfluß zeigte sich auch noch das Innere der Wand mit den geschnitzten Heiligen drüben in der Amtsstube durch Polsterwerk verkleidet.

      Während dieser Besichtigung trat plötzlich der Bediente Robert in den Salon. »Die gnädige Frau Baronin!« meldete er, und seitwärts tretend, schlug er den Torflügel zurück.

      Die Baronin erschien auf der Schwelle. Sie war in grauer Seide, hatte das große Goldkreuz auf der Brust, und über dem blonden Scheitel lag eine weiße Barbe, die unter dem Kinn lose geschlungen war – das Gesicht erschien dadurch noch schmäler und länger.

      Ihre Augen überflogen forschend das Zimmer; sie hatte jedenfalls vorausgesetzt, Donna Mercedes vorzufinden. Auf ihren Wangen lag ein schwaches Rot; es belebte die Erscheinung wie das fieberische Funkeln ihres Blickes – die bleichgrauen Augensterne waren in diesem Augenblick entschieden stahlfarben ... Man sah, sie wollte imponieren; sie hielt den Oberkörper stolz und steif, als sei sie ihrer Rückenschwäche für immer ledig.

      »Ah, da bist du ja, mein Freund!« sagte sie sehr unbefangen. Sie erwiderte den ehrerbietigen Gruß der Handwerker mit einem kaum merklichen Kopfnicken und hielt ihrem Mann mit nachlässiger Grazie die Fingerspitzen hin. Sie schien gar nicht daran zu denken, daß sie ihn seit dem stürmischen Auseinandergehen im Atelier nicht wieder gesprochen.

      Baron Schilling war bei Roberts Meldung rasch aus der Mauertiefe getreten. Unwillkürlich fuhr sein erster Blick durch die offene Tür; aber der unvermeidliche Schatten der »Gnädigen«, die Stiftsdame, war nicht sichtbar. Ihre Pflegebefohlene war entweder heimlich entwischt, oder sie hatte sich losgemacht.

      Bei dieser Wahrnehmung milderte sich der Ausdruck der Erbitterung auf seinem Gesicht, dafür erstarrte seine Gestalt förmlich in eisiger Zurückhaltung. Er berührte die hingestreckten langen Finger kaum mit seiner schönen, kräftigen Rechten.

      Gereizt zog sie die Hand zurück und nahm das langnachschleifende Kleid auf, um dem Flügel näherzutreten. »Sieh da, der Missetäter, der mir gleich am ersten Tag nach meiner Ankunft die heftigsten Nervenkrämpfe verursacht hat!« bemerkte sie mit jenem halben, häßlichen Lächeln, das nur gemacht schien, die langen, weißen Zähne zu entblößen, ohne die flachen Mundwinkel reizvoll zu vertiefen und die Wangen zu runden. »Solch ein Klimperkasten, nimmt er sich nicht wunderlich aus, gerade in meinem Zimmer, Arnold? – Er ist ein ausgesprochener Hohn auf mein ganzes Sein und Wesen! ... Hast du gewußt, daß man dergleichen – Überfracht mitbringen würde?«

      »Es wäre sehr überflüssig gewesen, mir das anzuzeigen,« versetzte er kurz, mit einem forschenden Blick nach der leicht klaffenden Tür des Nebenzimmers. »Im übrigen möchte ich dir zu bedenken geben, daß dieses prachtvolle Instrument kein Klimperkasten ist, so wenig wie es in deinem eigenen Zimmer steht – du bewohnst den ersten Stock.«

      »O, bitte recht sehr, mein Freund! Ich danke Gott, daß mit dem Vermauern dieses Spitzbubenweges der unheimliche Lärm verschwinden wird –«

      »Es ist nicht Adams arme Seele gewesen, wie du in deiner Unfehlbarkeit festgestellt hattest, und den ›Spitzbubenweg‹ haben Klosterbrüder angelegt, Klementine –«

      »Verschwinden wird,« wiederholte sie mit eintöniger, gleichmütiger Stimme, seine boshafte Bemerkung völlig unbeachtet lassend. »Diese Räume habe ich in der ersten Zeit unserer Ehe bewohnt, und du weißt, daß ich an meinen Rechten festhalte ... Im ersten Stock ist die Beleuchtung für meine empfindlichen Augen zu grell; ich muß meist hinter herabgelassenen Vorhängen ohne frischen Luftzug halb ersticken. Hier dämpft der Säulengang wohltätig das Licht. Aus dem Grunde hatte ich dich auch wiederholt gebeten, dich wegen Beschleunigung der Ausbesserung mit mir zu verständigen – du wirst mir zugeben, daß ich auch ein Wort dreinzureden habe, wie und wann dieselben in Angriff genommen werden sollen – und deshalb bin ich jetzt gekommen ... Ich brenne darauf, mich hier unten wieder einzurichten.«

      Er lachte hart auf und wandte ihr den Rücken, um die Handwerker zu entlassen, die ihre Untersuchung inzwischen beendet hatten. Ihnen auf den Fersen folgend, schien er mit den Leuten zugleich hinausgehen zu wollen.

      »Nun – soll ich allein hier bleiben?« rief sie empört, bewegte sich aber nicht von der Stelle; sie stützte vielmehr die Hand fester auf den Flügel, neben dem sie stand.

      »Hast du mir noch etwas zu sagen?« fragte er von der Schwelle aus zurück, nachdem die Leute das Zimmer verlassen hatten – er hielt das Türschloß in der Hand. »In dem Fall muß ich

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