Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Nationaldünkel‹ wirst du zu schlucken haben.« Er war längst hinter die Staffelei getreten. Das große Bild verdeckte ihn vollkommen, und so konnte sie nicht sehen, wie dieses ausdrucksvolle Männergesicht blaß wie der Tod wurde, wie sich die festgeballten Hände unwillkürlich hoben und gegen die Brust schlugen.

      Die bequem hingesunkene Frau sprach weiter, lächelnd vor innerer Befriedigung und unerschöpflich in der Schilderung der »ergötzlichen« Szene, die sie kaum noch im Holzsalon erlebt hatte, und dann richtete sie sich plötzlich aus ihrer nachlässigen Stellung auf und rief erschrocken: »Aber ich verplaudere hier die Zeit, und meine Jungfer sitzt drüben und liest, um die Nachmittagsstunden totzuschlagen, und hat keine Ahnung, daß die Arbeit bergehoch über sie hereinbricht ... Im Ernste, Arnold, kannst du nicht noch einen einzigen Tag zugeben?«

      »Ich sagte dir bereits, daß meine Abreise deine gegenwärtigen Lebensgewohnheiten in keiner Weise berühren wird!« rief er ungeduldig herüber. »Wie oft soll ich wiederholen, daß ich allein reisen werde –«

      »Torheit! – Ich gehe jetzt, um Adelheid selbst zu benachrichtigen –«

      Er trat rasch hinter der Staffelei hervor – jetzt fühlte sie jäh zusammenschreckend, daß sie es mit einem tiefergrimmten, unerbittlichen Gegner zu tun habe.

      »Und ich,« unterbrach er sie harten Tones – »ich werde Fräulein von Riedt schriftlich anzeigen, daß ich dir unter keinen Umständen gestatte, mich zu begleiten, daß ich dich, ›deine Seele‹ – um mit ihrem klösterlichen Pathos zu sprechen – für heute und immerdar ihrer Obhut und Leitung widerspruchslos überlasse.«

      Sie schnellte empor, als habe sie nie in ihrem Leben an Muskel- und Nervenschwäche gelitten, und trat ihm hochaufgerichtet gegenüber. Der Schrecken hatte ihr jeden Blutstropfen aus dem Gesicht gejagt, aber zu beugen vermochte er sie nicht. »Das wirst du wohl bleiben lassen, mein lieber Arnold!« sagte sie hohnvoll und überlegen. »Ich habe Freunde, die schon seit lange sehnsüchtig die Arme nach mir herüberstrecken. Bin ich einmal in ihrem Bereich, dann würdest du mich – mein Gott, von mir will ich gar nicht reden – ich meine, hauptsächlich alles, was mit dem Namen Steinbrück verknüpft ist, vergebens zurückfordern – du siehst, der Schritt würde dir ein wenig teuer zu stehen kommen.«

      »Diese guten Freunde kenne ich,« entgegnete er – für ihre letzte Bemerkung hatte er nur ein verachtungsvolles Achselzucken. – »Es sind diejenigen, denen man glaubhaft zu machen gemußt hat, mein guter, alter Papa habe dich durch allerhand teuflische Künste und Blendwerk deinem ursprünglichen, heiligen Beruf entrissen, um seinem Sohn eben jenes alles, was mit dem Namen Steinbrück verknüpft ist, zuzuwenden. Sie sind bis zur Stunde in der Meinung erhalten worden, dein der Aszese, dem Heiligsten zugeneigtes Herz sei dabei gar nicht beteiligt gewesen, du würdest, der Ehe innerlich abhold, längst wieder in die Reihen dieser entsagungsvollen Braven zurückgekehrt sein, wenn dein in jener teuflischen Verblendung gesprochenes ›Ja‹ dich nicht an die Seite des Mannes zwänge, der alles aufbiete, dich festzuhalten ... Ich bin vollkommen unterrichtet, Klementine, und längst imstande, das Ränkespiel einer Frauenseele zu übersehen, die um keinen Preis den Heiligenschein einbüßen möchte und doch dem Weltleben nicht entsagen will.«

      Sie war sprachlos in den Stuhl zurückgesunken und biß sich die Lippen fast wund.

      »Es ist ja wahr, mein Vater hat lebhaft unsere Verbindung gewünscht,« fuhr er fort – er hatte die Hände auf dem Rücken zusammengeballt und durchmaß unausgesetzt den weiten Raum des Ateliers. – »Dein stilles, gelassenes Wesen, die widerspruchslose Hingebung in deinen sehr hübsch geschriebenen Briefen, haben dich in seinen Augen madonnenhaft verklärt. Er war damals dem Tode nahe und hat geglaubt, er bette das Geschick seines Sohnes sanft und weich. Und dieser Sohn hat in jenen schweren Stunden gar nicht an die Zukunft gedacht, er hat nur angstvoll in das verschleierte Auge des Kranken gesehen und über den geweckten Freudenstrahl gejubelt – du weißt das; ich habe damals aufrichtig, ohne Rückhalt mit dir gesprochen –«

      »Das soll wohl jetzt – wer weiß aus welchen Gründen – heißen, du habest mich nie geliebt?«

      »Habe ich dir je Liebesleidenschaft geheuchelt?« fuhr er empört auf. »Wohl habe ich mich vom Anfang an redlich bemüht, unser Zusammenleben zu einem harmonischen zu machen –«

      »Ich auch!« – Sie erhob sich so überlegen, als halte sie den letzten, wichtigsten Trumpf in den Händen. – »Es ist mir unvergeßlich, wie ich vor unserer Verheiratung auf einem mehrstündigen Besuch im Schillingshof war, um mich – ein wenig umzusehen. Warum soll ich's leugnen? Ich war sehr erschrocken, hauptsächlich erschrocken um deinetwillen, der du gezwungen sein solltest, deine junge Frau in jene tabakverräucherte Hauswirtschaft eines alten Soldaten zu bringen... Was damals geschehen konnte, dir diese Beschämung zu ersparen, ich habe es opferwillig und gern getan – der Schillingshof war binnen wenigen Wochen ein standesgemäßes Heim für uns. Du hast das leider nur zu bald vergessen –«

      »Nie! Dafür hast du gesorgt!« – Er lachte höhnisch auf. – »Wie hätte mir sonst so oft der Stoßseufzer kommen können: ›Gott behüte jeden mittellosen Mann vor einer reichen Frau‹?«

      Ihre Lippen bebten; sie fuhr sich wiederholt mit dem Taschentuch über die Stirn, als feuchte sie ein plötzlich hervorbrechender Angstschweiß; aber ihr starrer Sinn, das beispiellose Selbstvertrauen, daß sie alles durchzusetzen verstehe, was sie einmal wolle, siegten auch jetzt. »Nun, solch ein unerträgliches Joch läßt sich ja abschütteln!« sagte sie trotzig und herausfordernd.

      »Bei jeder anderen katholisch eingesegneten Ehe schwerlich –; uns zweien dagegen wird es allerdings sehr leicht gemacht werden – ich weiß das! Die schwarze Dame drüben im ersten Stock des Säulenhauses, ›deine treue, aufopfernde Freundin‹, hat die Lösung von Rom aus längst in der Tasche.«

      »Das hättest du gewußt und doch keine Hand gerührt, um diese willkommene Erlösung zu beschleunigen?« triumphierte sie.

      »Weil ich meine ehrliche Hand nicht in diesem klösterlichen Ränkespiel haben wollte; vor allem aber mußte ich im steten Kampfe mit meinen eigenen Wünschen – ich verhehle das keinen Augenblick – mein Gewissen vor dem inneren Vorwurf rein erhalten, daß ich geholfen habe, dich dem Kloster auszuliefern.«

      »Arnold!« –

      Er wich zurück, als entsetze ihn der umgewandelte Ton. Diese unzweideutige Gebärde erbitterte sie bis zur Wut.

      »Vielleicht hast du dir auch noch vergegenwärtigt, daß dann das Kloster alles mitverschlingt, was dem Auftreten des Baron Schilling Glanz verliehen hat,« sagte sie boshaft. »Glaubst du ernstlich, man werde, wenn du ohne mich wieder in jene Kreise trätest, den Mann ohne den Hintergrund eines großartigen Besitztums noch ebenso auszeichnen, wie dies bisher geschehen ist?«

      »Und meinst du, ich habe auf diese sehr zweifelhafte Auszeichnung je auch nur den allermindesten Wert gelegt?«

      unterbrach er sie mit einer Summe, in der ein heranbrausender Sturm grollte. »Ich frage dich, wer sind sie, die lediglich dem Rittergutsbesitzer – das heißt in diesem Falle ›dem Mann seiner Frau‹ – ihre Auszeichnung zuteil werden lassen? – Ein Häuflein Standesgenossen, die in unserer, den Reichtum nicht mehr in ihrem Sinn verteilenden Zeit froh sind, einen Geldmächtigen mehr in ihren Reihen aufzählen zu dürfen. Sie machen die Welt nicht aus, die meinen Namen nennt, mit Ehren nennt, und wenn ich jetzt hinausgehe, ohne dich –«

      »Dann hast du nicht einmal mehr einen Herd in der Heimat, an dem du, zurückkehrend, deine Füße wärmen kannst –«

      »Meinst du? – Das alte, liebe Säulenhaus mit seinem Garten ist mein! Das Werk da« – er zeigte nach

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