Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Rechtes möchte ich dich hiermit ersuchen, alles, was du zwischen die vier Wände des Schillingshofes gebracht hast, bis auf den kleinsten Bildernagel herab, möglichst rasch fortbringen zu lassen.«

      Jetzt brach sie zusammen. »Arnold, verzeihe!« rief sie und schwankte mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.

      »Fort!« stieß er außer sich hervor; an dem sonst so beherrschten Mann bebte jede Fiber. »Nach allem, was deine bitterböse Zunge mir angetan hat, gibt es kein Wort der Erde mehr, das versöhnen könnte... Gehe du hin zu denen, ,die die Arme sehnsüchtig nach dir ausstrecken!' Gehe zu den Pflegerinnen deiner Jugend! Mögen sie jetzt die Früchte ihres Erziehungssystems ernten und mit all den bösen Dämonen kämpfen, die mir das Leben vergiftet haben... Sie schleudern ihre Verdammung gegen das Theater mit seinem ›teuflischen Blendwerk‹ und bedenken nicht, daß sie mit ihrer heuchlerischen Erziehung der Mädchenseele die Komödie in die Ehe, in das Heim des ahnungslosen Mannes tragen.« –

      Er schritt rasch nach der Wendeltreppe, während die Baronin zerknirscht neben dem Lehnstuhl in die Knie gesunken war.

      »Und bedenkst du nicht, daß du diesen Schritt gar nicht tun darfst, ohne alle die bloßzustellen, die in eurem großen Saal so hochmütig und familienstolz von den Wänden herabsehen?« rief sie ihm nach und hob wie neubelebt den Kopf. »Bis jetzt wissen nur wenige, wie schlimm es zuletzt um die Schillings gestanden hat; in dem Augenblick aber, wo wir uns trennen, und die Kirche mit meinem Willen von allem, was mir gehört, Besitz ergreift, wird es der ganzen Welt offenbar werden, daß der alte Freiherr Krafft von Schilling in seinen alten Tagen nicht mehr über einen Halm auf seinen Wiesen, einen Baum im Walde das Verfügungsrecht gehabt hat.«

      »Mag die Welt es wissen! Wir haben nur selbst darunter zu leiden; kein anderer Mensch hat dabei auch nur einen Pfennig verloren – von Betrug ist unser Name vollkommen rein geblieben!«

      »Aber man wird es nachträglich mindestens lächerlich finden, daß die Bewohner des großartigen Säulenhauses insgeheim arm wie die Kirchenmäuse gewesen sind – auch das nenne ich ›den Leuten Sand in die Augen streuen‹,« sagte sie, sich erhebend. Es hatte ihr geschienen, als habe seine Stimme geschwankt, seine Haltung einen Augenblick die ruhige Sicherheit verloren; sie meinte den Boden wieder unter ihren Füßen zu fühlen. »Arnold, lasse dies das letzte Wort des Streites zwischen uns sein!« rief sie, mit ausgestreckten Händen auf ihn zueilend. »Ich verspreche dir, daß ich diesen Punkt nie, nie mehr berühren will – nimm mich wieder auf!«

      »Niemals! – Ich will nicht länger mein Leben so sonnenlos und gedrückt neben dir hinschleppen!«

      »Aber ich gebe dich nicht frei! Ich weiche nicht von deiner Seite – der Platz ist mein, mein!« rief sie verzweiflungsvoll. »Arnold, ich bin erbötig, offen vor aller Welt zu erklären, daß ich dem Weib bleiben will, daß ich dich gebeten habe, mich zu behalten – ist dir auch das nicht genug?«

      Wie ein Schaudern flog es durch seine Glieder.

      »Zwinge mich nicht, im letzten Augenblick das Wort noch auszusprechen, das sich mir seit lange schon auf die Lippen drängt!« stammelte er seiner kaum noch mächtig.

      »Sprich es aus – es soll mich nicht beirren –«

      »Das Wort ewigen, unvertilgbaren Hasses,« sagte er und stieg die Treppe hinauf, um sich in seinen Zimmern einzuschließen.

      Sie hielt sich taumelnd am Treppengeländer fest und stierte ihm nach, ohne noch einen Versuch zu machen, ihm zu folgen. »Haß, Haß!« murmelte sie, schwerfällig mit dem Kopfe nickend. »Ja, der schneidet wohl das Tischtuch entzwei!« – Sie stieß ein irres, grelles Lachen aus. »Gut denn, immerhin! er wird schon sehen, der Elende, was er getan hat! Er wird schon sehen! Jetzt weiß er's noch nicht – er weiß es noch nicht, wie der Sturz von der Höhe des Reichtums und Ansehens sein wird! Jetzt triumphiert er noch! O, wie das wurmt und – wehe tut! Könnt' ich sterben!«

      Mit Aufbietung aller Kraft raffte sie sich empor und warf einen wilden Blick um sich, als Halle das entscheidende, schreckliche Wort ihr immer noch von allen Wänden entgegen und raune aus jeder Ecke, um sie von dem Boden zu scheuchen, der keinen Raum mehr für sie hatte. Ihre Knie wankten, aber sie schleppte sich durch das Atelier, schlug den Vorhang zurück und trat in den Wintergarten.

      Der Springbrunnen plätscherte, und die Sonnenfunken, die durch das engmaschige Netz der verschränkten Zweige und Blätter hereindrangen, tanzten auf der glänzenden Wasserkuppel und rollten in jedem Tropfen als leuchtende Goldperlen in das Becken.

      Dieses einförmige Rieseln und Murmeln inmitten der stummen, stillen Pflanzenwelt, dicht neben dem Raum, in dem eben noch zwei Menschenstimmen in aufgestürmter Leidenschaft einen erbitterten Kampf ausgefochten, war von dämonisch bezwingender Wirkung ... Das Wasser, ja, das schmeichelnde, kühle Wasser, da stieg es aus der Erde empor, fügsam nicht einen einzigen seiner Tropfen weiter verspritzend, als der Steinrand des Beckens vorschrieb.

      Die Frau starrte auf die Wasserfläche, die sich in zitternder Unruhe hob und senkte. Ja sie meinte zu sehen, wie sie sich höher und höher hob, aufschwellend, als steige ein Haupt unter dichtem Silberschleier empor. Und die Schleierfalten dehnten und weiteten sich – es stieg über den Steinrand und setzte einen schwach auftappenden Fuß auf den Asphaltboden und schlüpfte weiter und weiter. Und die Silberschleppe floß nach, unerschöpflich fortwogend und majestätisch sich ausbreitend, um plötzlich eng zusammengerafft und geduckt unter dem dunkeln, schweren Samtvorhang hinzukriechen – hei, wie der Mosaikfußboden drüben zu glitzern begann, wie es drunten an den Wänden, in den Ecken lebendig wurde! Papierbogen, große, starre, mit Skizzen bedeckte, und alle die verhaßten Gesichter auf der gespannten Leinwand legten sich breit und schaukelnd auf die silberwogende Schleppe; die hingebreiteten Panther- und Bärenfelle wurden leise gehoben, als sollten sie sich wieder über den Rücken ihrer früheren Bewohner schmiegen; von den Postamenten und Säulenstümpfen rollten die Ibisse, die Vasen mit den Kakteen; selbst die schweren Schränke und Kredenzen an den Wänden schwankten, als rüttelten und schüttelten grobe Sande an ihren geschnörkelten Beinen, und all das blinkende Geschirr, die Kannen und Becher, die venezianischen Gläser und Spiegel stürzten klirrend und schmetternd von den Kanten ... Ein halb unterdrückter wilder Jubelschrei zitterte durch den Wintergarten, und wie gejagt lief die lange gebückte Frauengestalt hinaus und durch die Platanenallee, und in das heftige Rauschen ihres steifen Seidengewandes mischte sich das Gemurmel der Lippen, die immer und immer wieder »Haß, Haß!« vor sich hinsagten ...

      39.

       Inhaltsverzeichnis

      Bald nachher hörte man im ersten Stock das Gelärm eilig und geschäftig durcheinander rennender Menschen. Was »die Gnädige« an Koffern besaß, wurde in den großen Saal getragen; und dort stand die Stiftsdame und dirigierte und kommandierte in ihrer energischen Art und Weise. Ihre Wangen brannten, und in den dunkeln, strengen Augen glomm ein befremdliches Licht, ein Licht wie Fieberglut; aber jeder ihrer anordnenden Befehle »hatte Hand und Fuß«, wie die Leute sagen, Verwirrung und Überstürzung konnten gar nicht aufkommen.

      Seltsam, diesmal wurde das ganze Silberzeug, der gesamte Inhalt der Schränke, die die Hauswäsche enthielten, bis auf die kleinste Serviette herab, in den Koffern mitgeschleppt, ja, man nahm sogar Bilder, Nippsachen und Albums von den Wänden und Tischen und packte sie ein. Das ließ auf eine jahrelange Abwesenheit der Herrschaft schließen; möglicherweise ging es später auf eins der Güter am Rhein; denn wozu das viele Silberzeug und die Hauswäsche, wenn man in Hotels wohnen wollte? ... Zu alle dem Rätselhaften hatte Fräulein von Riedt auch noch an den Sachwalter der Baronin, der nur um einige Bahnstationen entfernt lebte, telegraphiert, daß er ungesäumt

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