Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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style="font-size:15px;">      Das alles sagte Mamsell Birkner in der Kinderstube zu Hannchen und Deborah, und Donna Mercedes hörte es drüben in ihrem Schlafzimmer ... Also die Reise war unumstößlich festgestellt. Er ging hinaus, um neuen Ruhm zu ernten, und die Frau, die sein künstlerisches Wirken mißachtete, hatte es durchgesetzt, ihn zu begleiten ... Das Bild, das ausgestellt werden sollte, war ihr ein Greuel, und dennoch trat sie starrköpfig an die Seite dessen, der es geschaffen hatte, um verbissenen Grolles den Triumph der Meisterschöpfung mit anzusehen.

      Noch vor Wochen würde Donna Mercedes mit Genugtuung an die Nemesis gedacht haben, welche die Geldheirat an dem Künstler räche – heute aber durchwogte sie ein heißer, leidenschaftlicher Schmerz, und sie grollte dem blinden Geschick, das einen edeln männlichen Geist mit einem niedrig gesinnten Weibe an eine Kette geschmiedet hatte ...

      Ihn sah sie nicht wieder, und sie durfte das auch nicht wünschen, weil sie ihrer Fassung und Selbstbeherrschung den blauen, ehrlichen, durchdringenden Augen gegenüber nicht sicher war ... Aber sein letztes, sein Lieblingswerk, die greise Hugenottin, mußte sie noch einmal sehen, ehe es, in die dunkle Haft der Kiste eingeschlossen, seinen Triumphzug in der Welt begann ...

      Inzwischen war es Abend geworden. Die Sonne war längst versunken; dafür floß die blaßgoldene Lichtflut des Vollmondes fast tageshell vom Himmel und ließ es nicht dunkel werden auf Erden. Vollbeleuchtet, wie in Silber getrieben, ragte die reliefgeschmückte Gartenseite des Säulenhauses in die flimmernden Lüfte; auf dem kleinen, raschen Bach, der die Wiesen durchrauschte, hüpften und sprühten Lichtfunken, als zöge ein juwelenglitzerndes Elfenvolk die Wasserstraße entlang, und das weiße Atelier stand glanzüberströmt – so leuchtend und klar sanken wohl auch die Mondstrahlen durch das große Oberfenster herab in den Malersaal auf die Frauengruppe im Garten des altfranzösischen Schlosses.

      Donna Mercedes ging scheuen Schrittes durch das Gebüsch und quer über die Wiesen; in dem weichen Gras versank unhörbar ihr Fuß. Hannchen hatte zwar gesagt, daß Baron Schilling fortgeritten sei – er tat das häufig in schönen Mondscheinnächten – und die Gnädige habe sich seit Nachmittag in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen, um dem wüsten Lärm des Einpackens aus dem Wege zu gehen. Der Gärtner war auch längst durch den Vorgarten nach dem Bierhaus gegangen, und nur in der Stube über den Ställen brannte ein einsames Licht; der Stallknecht mußte zu Hause sein; aber der war Donna Mercedes noch nie im Garten begegnet. Sie durfte deshalb hoffen, nicht beobachtet zu werden; und doch entsetzte sie sich über jeden kleinen Kiesel, der unter ihren Füßen ins Rollen kam, als gehe sie auf Diebeswegen.

      In der Nähe des Ateliers horchte sie plötzlich befremdet auf – dort vom Wintergarten klang ein Rauschen und Plätschern herüber, als brause und stürze ein Waldbach von einer Höhe herab; sie brauchte nicht mehr zu befürchten, daß man ihre eiligen Schritte auf dem Kiesplatz höre – das Geräusch verschlang sie.

      Der Mondschein fiel voll und breit durch das unverhüllte Glasdach: beim Näherkommen sah sie die Gloxiniengruppen, die Magnolien- und Orangenblüten aufleuchten – sie hätte jede einzelne Zacke der gefiederten, an die Glaswand gedrückten Farnwedel nachzeichnen können; aber sie sah auch, daß alle Fontänen sprangen. Das schwirrte und zischte und flog silberfunkelnd, wie von hartgespanntem Bogen abgeschnellt, zwischen den Palmenkronen und Drachenbäumen, unermüdlich und scheinbar immer stärker anschwellend, als seien die Wasseradern der Tiefe zum Bersten gefüllt.

      Und kaskadenartig stürzten sich die wachsenden Wassermassen weiter über den Steinrand des großen Beckens, und einige der kleinen Steinmulden, aus denen vereinzelte Strahlen steil aufstiegen, um in das eigene Becken zurückzufallen, strömten auch über in gleichmäßiger Flut, als stünden sie unter einer schirmenden Glaskuppel. Donna Mercedes stand einen Augenblick tief erschrocken an der Glastür, die sich als festverschlossen erwies. Die Abzugsröhren des Wasserwerkes mußten verstopft sein ... Schon war der Asphaltboden überschwemmt, und die unten aufgestellten Blumentöpfe rollten umgerissen durcheinander.

      Die Tür nach dem Atelier stand weit offen; der Samtvorhang war zurückgezogen, und weder eine erhöhte Schwelle noch die kleinste Stufe trennte die Mosaik des Malersaales von dem Fußboden des Wintergartens. Auf dem musivischen Boden aber standen und lagen viel kostbare Gegenstände der Altertumssammlung, und Skizzen und angefangene Bilder von Baron Schillings eigener Hand lehnten an den Wänden. Das alles verdarb, es war verloren, wenn die Wasser heranschwemmten.

      Sie lief nach der Tür, die direkt aus dem Garten in das Atelier führte – auch sie wich nicht unter ihrer rüttelnden Hand; aber die dort, hinter der die Treppe in den Oberbau stieg, zeigte einen klaffenden Spalt. Die junge Dame stieß sie zurück und flog die Stufen hinauf. Nur schwach erhellte das schräg hereinfallende Mondlicht einen engen, heißen Vorplatz, auf den eine einzige Tür mündete; auch sie gab nach, und Donna Mercedes huschte schon durch Baron Schillings Wohnzimmer ... »Die Gnädige« hatte recht gehabt, es war schwül, erdrückend heiß in diesem niederen Raum, in den sich der Herr des Schillingshofes freiwillig verbannt hatte um der prüden Schwester seines verstorbenen Freundes willen, die mit ihm nicht unter einem Dache wohnen wollte ...

      Dort hing der Vorhang, der das Zimmer vom Arbeitsraum des Künstlers schied. Donna Mercedes schob ihn mit hastigen Händen zur Seite und trat hinaus auf die Galerie.

      In voller Mondbeleuchtung lag das mächtige Viereck des Ateliers unter ihr, himmelweit verschieden von dem farbenglühenden Gesamtbild, das sie in dem wahren, lebendigen Goldglanz der Nachmittagssonne gesehen, blaß, schemenhaft, und doch voll unheimlichen Lebens und Webens, als husche das scheue Licht mit ausgebleichten, durchsichtigen Schmetterlingsflügeln grüßend um all das Uralte, das Menschenhände vor Jahrhunderten unter dem Monde geschaffen hatten.

      Hier oben sah man den Wintergarten hinter der Glaswand hingebreitet liegen, wie die herrlichen Pflanzenbilder des Meerbodens unter dem grünlichen Wasser heraufdämmern. Der brausende Lärm der Springbrunnen klang stark herüber, und drunten durch die Türöffnung kam es hereingeschwemmt, in breiter Straße laufend und vereinzelte lange, silberne Zacken vorstreckend, wie das Krustengetier seinem kriechenden Körper die Fühler tastend vorausschickt.

      Das alles mit einem Blick umfassend, wandte sich Donna Mercedes nach der Wendeltreppe, um hinabzueilen – da schlug ein Lachen an ihr Ohr, ein halbunterdrücktes und doch frohlockendes Auflachen. Unwillkürlich fuhr sie zurück – ein tiefes Grauen überschlich ihr tapferes Herz. Wem gehörte diese wunderliche hochklingende Stimme? War ein Kind da unten, oder lachte ein Wahnwitziger?

      Sie bog sich über das Geländer und sah hinab. Wohin der Mond schien, war kein lebendes Wesen zu sehen; nur da auf den unteren Treppenstufen, im tiefen, geschützten Dunkel der Ecke, hockte ein zusammengekauerter Gegenstand – ein hingeworfenes Bündel sei es, meinte die junge Dame im ersten Hinsehen. Aber je breiter und rascher das Wasser über die Steinmosaik hinschoß, desto lebendiger wurde es in der Treppenecke, und plötzlich reckte es sich empor und sprang in weitem Bogen in die helle Mondlichtflut hinein. Es war ein Weib – es war die Frau aus dem ersten Stock, die Herrin des Schillingshofes.

      Sie schien in der dunkeln Ecke auf das Herankommen des Wassers gewartet zu haben, und, nun lief sie an den Wänden hin und warf die hingelehnten Bilder um; sie schleuderte die Schriften, die Bücher und Skizzenmappen von den Tischen klatschend auf den Steinboden nieder, und schließlich an den großen runden Tisch tretend, der in der Nähe der Staffelei stand, nahm sie das Dolchmesser auf, mit dem Baron Schilling neulich das Bild aus dem Rahmen geschnitten hatte.

      Mit hochgehobenem Arm ließ sie die glänzende Klinge im Mondlicht blitzen ... Ihre starken blonden Haare sanken ihr vom Kopfe und fielen über den Rücken hinab; das beachtete sie nicht; wohl aber bemühte sie sich, mit der linken Hand die grauseidene Schleppe aufzuraffen, um sie vor dem Naßwerden zu schützen, denn das Wasser netzte bereits die Füße der Frau ... Sie war also nicht wahnsinnig, wie Donna Mercedes gefürchtet, sie handelte mit Überlegung, wenn auch unter dem leitenden Trieb einer heftigen

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