Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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sollte.

      »Über das Gesicht hin, bis in die schamlose Brust hinein – dann wird er erst wissen, was Haß ist, was Haß vermag!« – Sie murmelte diese Worte nur vor sich hin, und doch wurden sie gehört.

      Donna Mercedes war lautlos die Treppe hinabgeschlüpft und stand hinter ihr; und in dem Augenblick, als sie den langen, hageren Leib schlangenhaft hinüberwarf, um mit raschen Dolchschnitten die rührende Mädchengestalt neben der Matrone zu zerfetzen, wurde sie erfaßt und zurückgerissen.

      Aber Donna Mercedes hatte diese Gegnerin unterschätzt. In diesem meist müde, in krankhafter Schwäche vorgebeugten Körper wohnte eine stets verleugnete, fast männliche Kraft. Im ersten entsetzensvollen Schrecken brach sie allerdings in sich zusammen; wilden Blickes warf sie den Kopf herum nach dem unbekannten Wesen, das sie mit weichen, aber kräftigen Armen umschnürte, und stieß ein lautes Hohngelächter aus, als sie das zarte mädchenhafte Gesicht der jungen Dame erkannte. »Ah, die Pflanzerprinzessin! – Was haben Sie hier zu suchen in der Wohnung eines verheirateten Mannes, keusche Donna?« – Mit einem jähen, elastischen Aufspringen versuchte sie zunächst ihre Feindin abzuschütteln – das gelang nur zum Teil, aber ihr rechter Arm rang sich frei; und nun strebte sie abermals wie eine Rasende nach dem Bilde hin und stieß wiederholt nach der Leinwand.

      Donna Mercedes mühte sich ab, ihr das Messer zu entreißen – es war unmöglich. Sie verletzte sich selbst die Hand; unter scharfem Schmerz fühlte sie, wie ihr die Schneide tief in das Fleisch ging und gleich darauf das Blut heiß über den hochgehobenen Arm nach dem Ellbogen hinunterströmte. Und dabei lief das Zittern der Erschöpfung durch ihre Glieder.

      Verzweiflungsvoll rief sie laut und wiederholt nach Hilfe. Ihre volle, klingende Stimme hallte mächtig von den Steinwänden wider, und sie wurde gehört.

      »Lassen Sie mich!« keuchte die Baronin in einem Gemisch von Wut und namenlosem Schieden, als draußen zuerst an der Tür des Glashauses und dann am anderen Eingang in das Atelier heftig gepocht und gerüttelt wurde.

      Allein Donna Mercedes bot ihre letzten Kräfte auf, um die Elende festzuhalten, die im Davonstürzen noch mit einer einzigen Bewegung ihre Absicht ausführen konnte. Und so wiederholte sie unter fortgesetztem Ringen den Ruf: »Hierher!« bis droben der Gobelinvorhang weggeschleudert wurde und Menschen auf die Galerie herausstürzten.

      Der Stallbursche war der erste, der die Treppe herablief, ihm folgte die Majorin auf dem Fuße.

      »Nehmen Sie ihr den Dolch – das Bild ist gefährdet!« rief Donna Mercedes dem Burschen zu. In diesem Augenblick flog die Waffe klirrend auf die Steine – die Baronin hatte sie selbst von sich geschleudert.

      Halb schwankend vor Erschöpfung ließ Donna Mercedes ihre Gefangene nunmehr frei. Aber alle Angst und Anstrengung hatten ihr die Geistesgegenwart nicht zu rauben vermocht – der Untergebene durfte nicht ahnen, daß Bosheit all das Unheil im Atelier und Glashaus angerichtet hatte, über das er entsetzt die Sünde über dem Kopfe zusammenschlug. »Die Frau Baronin ist fieberkrank,« sagte sie in gebietendem Tone zu ihm. »Laufen Sie rasch in das Haus zu Fräulein von Riedt –«

      »Baron Schilling ist eben heimgekommen,« antwortete die Majorin an seiner Stelle, während ihr Blick erschreckt, aber mit sofortigem Verständnis die ganze Sachlage umfaßte. Sie kam raschen Schrittes, kopfschüttelnd, über den überschwemmten Fußboden her und wich mit mißtrauischer Miene seitwärts, als die Baronin schweigend, mit hochaufgenommenen Kleidern an ihr vorüberschoß, um über die Wendeltreppe zu entfliehen. – »Er hat gesehen, wie wir nahe an ihm vorüber in das Haus gelaufen sind, und wird wohl gleich selber da sein,« setzte sie mit gehobener Stimme hinzu. »Mir scheint, er paßt besser hierher als irgend eine Dame.«

      In diesem Augenblicke sank die Baronin mit jenem schrillen Aufschreien, das Donna Mercedes im Säulenhaus schon so oft gehört, auf einer der untersten Treppenstufen zusammen und blieb regungslos liegen.

      »Larifari – das ist Komödie!« sagte die Majorin hart und trat, ohne sich nur weiter umzusehen, zu Donna Mercedes, die eben das Taschentuch in das Wasser zu ihren Füßen tauchte, um es auf die Schnittwunden im Daumen und Zeigefinger zu pressen.

      Die junge Dame schrak zusammen – unter stürmischem Herzklopfen hörte sie, wie Baron Schilling auf die Galerie heraustrat.

      »Was geht hier vor?« rief er in der ersten schreckensvollen Überraschung hinab.

      »Irgend ein Schuft, eine infame Kanaille hat die Abzugsrohren an den Springbrunnen verstopft, gnädiger Herr!« antwortete der Stallbursche vom Glashause herüber, wo er um das Becken watete und eben einen großen Pfropfen zum Vorschein brachte. Er hatte bereits die Springbrunnen abgeschraubt, nur ein einziger rauschte noch, und über den Rand des Beckens schoß das Wasser immer noch klatschend auf den Boden. Baron Schilling eilte die Stufen herab – da stieß sein Fuß an die hingesunkene Frau. Er bückte sich, befühlte ihr Kopf und Hände, und wie jemand, der seine Vermutung bestätigt findet, ging er schweigend von ihr weg und schritt unverweilt auf Donna Mercedes und die Majorin zu.

      Mochte das falbe Licht des Mondes sein Gesicht entstellen, oder machte ihm eine furchtbare innere Bewegung das Blut stocken – er war entfärbt wie ein Toter. Er schien nicht zu bemerken, daß die Werke seiner künstlerischen Hand, seine Skizzen und Entwürfe und viele Lieblingsstücke seiner Sammlungen, wild durcheinander geworfen, vom Wasser bespült und überschwemmt, inmitten des Ateliers lagen; er sah auch die Majorin nicht – seine Augen hingen nur mit einer Art fragenden Entsetzens an der weißen Gestalt, die von der Staffelei weggetreten war und sich bemühte, die blutbetropften Stellen ihres Kleides in den Falten zu verbergen und eine möglichst ruhige, unbefangene Haltung anzunehmen.

      »Mir scheint, das Unheil vom Klostergute rückt nun auch auf den Schillingschen Grund und Boden vor,« rief ihm die Majorin bitter entgegen. – »Ich wollte gerade, wie jeden Abend, zu meinen Enkeln gehen, um sie in ihren Bettchen liegen zu sehen, da hörte ich um Hilfe rufen, und der Bursche dort« – sie zeigte nach dem Stalldiener im Glashause – »kam auch über den Weg her und lief mit... Es sieht schrecklich aus, wenn zwei Frauen miteinander ringen, als ginge es ums Leben – und hier hab ich's gesehen, hier auf der Stelle!« – Sie warf einen finsteren Blick nach den Treppenstufen, wo ein schnell wieder verstummendes Rascheln Leben und Bewegung verriet. »Ich weiß nicht, was Ihrer Frau fehlt, Herr Baron,« fügte sie mit scharfer Stimme hinzu. »Die liebe junge Frau da sagt, sie sei fieberkrank, und so etwas muß es wohl sein; denn ein Mensch mit klarem Kopfe, und wenn er nicht gerade durch und durch ein Bösewicht ist, stößt und sticht doch nicht mit dem Messer – da liegt es noch!« – schaltete sie ein und stieß mit dem Fuß an den auf den Boden geschleuderten Dolch – »nach solch einem Bilde, das ihm auf der Gotteswelt nichts getan hat.«

      »Es ist ihm nichts geschehen, es ist unversehrt geblieben – Gott sei Dank!« rief Donna Mercedes völlig selbstvergessen, in so erschütternd zärtlichen Tönen, als sei ihr das Liebste auf Erden gerettet.

      War es nicht, wie wenn ein blendendes Licht in jähem Strahle niederfahre und in den blauen, tiefen Augen des Mannes fortflamme, der dastand, als traue er seinen Sinnen nicht bei diesen nie gehörten, herzbewegenden Lauten? ... Er faßte wortlos nach der Hand, die sein Werk, ein Stück seiner Seele, seines innersten Lebens verteidigt hatte unter Schmerzen, mit der rückhaltlosen Hingebung, wie es nur ein Weib vermag, das – liebt.

      Sie zog hastig und erschrocken die Hand an sich. »Es ist nichts – ein kleiner Hautritz? Und glauben Sie ja doch nicht, daß es ums Leben gegangen sei –« Sie lachte kurz, fast rauh auf, und ihre völlig verwandelte Stimme hatte eine Herbheit, als wolle sie den einen verräterischen Augenblick bitter an sich selber rächen. – »Mein Gott, es versteht sich ja ganz von selbst, daß man Fieberkranke nicht gewähren läßt! – Halten wir uns nicht auf! Sehen Sie denn nicht, daß Ihre Arbeiten

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