Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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der eben zu diesem Zwecke mit einer Laterne aus der Domestikenstube trat, und schritt, nach einer Verbeugung gegen die Damen, in den Korridor zurück.

      »Wie gut ist’s,« sagte Elisabeth eine Stunde später, als sie, am Bette der Mutter sitzend, ihren Bericht über die heutigen Erlebnisse schloß, »daß wir morgen Sonntag haben. Da wasche ich in unserer lieben, einfachen Lindhofer Dorfkirche den häßlichen Eindruck aus der Seele, den mir die letzten Stunden hinterlassen haben … Nie hätte ich geglaubt, daß ich beim Anhören eines Chorales je eine andere Empfindung haben würde, als die der Erhebung und Andacht. Heute aber überkam es mich wie Zorn, ja, ich fühlte mich im Innersten tief verletzt, als mitten in das Theetassengeklirr und, nachdem man stundenlang über dem guten Namen des Nächsten durchaus nicht liebevoll zu Gericht gesessen, plötzlich das Lied einfiel, das ich gewohnt bin, nur in weihevollen Stunden zu hören … Hinter diesem christlichen Eifer steckt eine maßlose Herrschsucht – das ist mir heute klar geworden; wenn aber andere so empfinden wie ich, dann steht es schlimm um die Siege dieser Bekehrer … gelt, Mütterchen, ich habe doch eigentlich keine Ader vom Rebellen? allein, heute zum erstenmal in meinem Leben fühlte ich eine unwiderstehliche Neigung zum Trotz und Widerspruch in mir.«

      Schließlich gedachte sie noch des Herrn von Hollfeld und seines sonderbaren Benehmens in der Hausflur, woran sie die Bemerkung knüpfte, daß sie sich doch gar nicht denken könne, was er eigentlich von ihr gewollt habe.

      »Nun, darüber wollen wir uns auch den Kopf nicht zerbrechen,« sagte Frau Ferber. »Sollte es ihm jedoch einmal einfallen, dir seine Begleitung beim Nachhausegehen anbieten zu wollen, so weise sie unter allen Umständen zurück. Hörst du, Elisabeth?«

      »Aber, liebe Mama, was denkst du denn?« rief lachend das junge Mädchen. »Da steht eher des Himmels Einfall zu erwarten, als ein solches Anerbieten … Haben Frau und Fräulein von Lehr, die sich jedenfalls zu den vornehmen Leuten zählen, allein nach Hause gehen müssen, da wird er sich doch wahrhaftig meiner simplen Persönlichkeit gegenüber nicht herablassen.«

      8.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Oberförster hatte ungefähr acht Tage nach Ankunft seiner Verwandten ein neues Hausgesetz erlassen, das, wie er sagte, von seinem Minister freudig begrüßt worden war, und kraft dessen der Familie Ferber die Verpflichtung auferlegt wurde, allsonntäglich im Forsthause das Mittagbrot einzunehmen … Das waren Freudentage für Elisabeth.

      Lange vor dem ersten Glockenläuten wurde gewöhnlich der Kirchgang angetreten. Im wehenden weißen Kleide, die Seele geschwellt von jener süßen Ahnung der Jugend, als könne ein schöner, heiterer Tag auch nur Glück in sich schließen, schritt Elisabeth den Eltern voraus und freute sich stets auf den Moment, wo der goldene Knopf des Lindhofer Kirchleins tief drunten im Thale aus den grünen Wogen des Waldes aufleuchtete; wenn rechts und links auf dunklen, verschwiegenen Waldwegen die Kirchgänger der verschiedenen Filialen ihnen entgegenschritten und sich mit freundlichem Gruße und Handschlage zu ihnen gesellten, bis sie in zahlreicher Gesellschaft unter dem Geläute der Glocken den weiten Wiesenplan vor der Kirche betraten, wo meist der Onkel schon wartete. Er begrüßte sie dann schon von weitem mit glänzenden Augen und freudigem Hutschwenken. In jeder Bewegung seiner hohen Gestalt, in seiner ganzen Haltung offenbarte sich jene unbeugsame Wahrhaftigkeit, die vor dem Größten nicht zurückschreckt, jener Ausdruck von Manneskraft und Manneswillen, hinter dem wir große Entschlüsse, kühne Thaten, nie aber die zarten Empfindungen eines reichen Gemütes vermuten. Deshalb meinte auch Elisabeth, es sei unbeschreiblich rührend und ergreifend, wenn ein einzelner, kleiner Stern sein mildstrahlendes Gesichtchen aus dunklen Wolken strecke; genau so aber erscheine ihr der gerade, feste Blick des Onkels, sobald er in einem weichen Gefühle schmelze. Und sie hatte oft genug Gelegenheit, die Metamorphose zu beobachten; denn sie war sein Augapfel geworden. Er hatte ja nie Kinder gehabt und trug nun alle Vaterzärtlichkeit, deren sein reiches, volles Herz fähig war, auf sein liebliches Bruderskind über, das, wie er deutlich mit großem Stolze fühlte, ihm in vielem Beziehung geistig verwandt war, wenn auch hier alle jene Charakterzüge unter dem Hauche echt holdseliger Weiblichkeit sich verklärten.

      Sie vergalt ihm aber auch seine Liebe mit kindlicher Hingebung und zärtlicher Fürsorge. Bald hatte sie alles das, was zu seinem häuslichen Wohlbehagen gehörte, herausgefunden und griff da, wo Sabines Scharfsinn oder ihre waltende Hand nicht mehr ausreichte, unmerklich und mit so vielem Takte ein, daß die alte treue Dienerin niemals verletzt wurde, während um den Onkel ein ganz neues, behagliches Leben aufblühte, da Elisabeth auch auf seine kleinen Liebhabereien geschickt einzugehen und ihnen Geschmack abzugewinnen wußte.

      Auf dem Heimwege aus der Kirche, der dann gemeinschaftlich angetreten wurde, führte der Onkel Elisabeth gewöhnlich an der Hand, »wie ein kleines Schulmädchen« sagte sie, und es sah auch genau so aus. Die eben gehörte vortreffliche Predigt gab Veranlassung zu einem lebhaften Austausche neu angeregter Gedanken und Empfindungen; dazu sangen und schmetterten die Vögel im grünen Dickicht, als sei es ihr gutes Recht, hier auch mitzusprechen, und durch die dichten Baumkronen taumelten grüngoldene Lichter verklärend auf die Häupter der Wandelnden.

      Am fernsten Ende des langen, dunklen Laubganges, denn es war ein sehr schmaler Holzweg, der vom Dorfe Lindhof nach der Försterei lief, blinkte wie ein goldener Punkt die helle, sonnenbeglänzte Lichtung, auf deren Mitte das alte Jagdhaus lag. Mit jedem Schritte näher wurde das kleine Bild deutlicher und klarer, bis man unter der Thür die harrende Sabine zu erkennen vermochte, wie sie, den einen Zipfel der weißen Küchenschürze quer aufgesteckt, die Hand schützend über die Augen haltend, nach den Heimkehrenden spähte und bei ihrem Erblicken eiligst in das Haus zurücklief; denn es galt ja, droben unter den Buchen hinter der dampfenden Suppenterrine in treuer Pflichterfüllung zu stehen, wie der gewissenhafte Festungskommandant auf seinen Wällen.

      Heute aber hatte die alte Sabine ein besonders herrliches Mahl hergerichtet; neben der Suppenschüssel leuchtete eine purpurrote Pyramide, die ersten Walderdbeeren, die der kleine Ernst, aber auch die große Elisabeth mit lautem Jubel begrüßte. Der Oberförster lachte über den Enthusiasmus des großen und des kleinen Kindes und meinte, er dürfe doch nicht hinter Sabine und ihrer Extraüberraschung zurückbleiben; er wolle deshalb den Braunen einspannen und Elisabeth, wie längst versprochen, nach L. fahren, wo er ohnehin Geschäfte abzumachen habe. Der Vorschlag wurde von dem jungen Mädchen mit heller Lust aufgenommen.

      Bei Tische erzählte Elisabeth vom gestrigen Abend. Der Onkel wollte sich ausschütten vor Lachen.

      »Kourage hat der Doktor freilich gezeigt,« rief er lachend, »aber was hilft’s ihn, es war doch die letzte Tasse Thee, die er gestern in Lindhof getrunken hat.«

      »Unmöglich, Onkel, es wäre empörend!« rief Elisabeth, »das kann und wird Fräulein von Walde nicht zugeben, sie wird sich aus allen Kräften widersetzen.«

      »Nun,« sagte er, »ich wünschte nur, wir könnten auf der Stelle das Fräulein um ihre heutigen Gesinnungen gegen den Doktor befragen, da solltest du dein blaues Wunder hören … Wie sollte auch in solch einem gebrechlichen Gehäuse eine starke Seele stecken; mit der wird das herrschsüchtige Weib bald fertig, und jeder andere Zügel fehlt, denn der Himmel ist hoch und der Zar ist weit, sagen die Russen … Gelt, Sabine, wir haben schon gar wunderliche Dinge erlebt, seit die Frau Baronin das Regiment führt?«

      »Ach, ja wohl, Herr Oberförster,« entgegnen die Alte, die eben ein neues Gericht auf den Tisch setzte, »wenn ich nur an die arme Schneider denke … Das ist eine Taglöhnerswitwe aus Dorf Lindhof,« wandte sie sich an die anderen, »sie hat immer rechtschaffen gearbeitet, um sich durchzubringen, und hat ihr auch niemand was Unrechtes nachsagen können; aber sie muß vier kleine Kinder ernähren, das arme Weib, und lebt nur von der Hand in den Mund … Und da ist’s ihr

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