Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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zu geben. »Nun,« sagte dieser, indem er seine Hand zurückzog, »hast du keine Entschuldigung für deine Ungeschicklichkeit?«

      Sie erwiderte kein Wort und retirierte neben die Mama, auf deren Wangen die zwei verhängnisvollen roten Flecken erschienen. Der Blick, den sie Elisabeth zuwarf, zeigte indes, daß ihr Unwille nicht dem ungezogenen Töchterchen galt.

      »Nun, Kind, kannst du nicht reden?« fragte Herr von Walde nochmals, indem er sich erhob.

      »Fräulein Ferber saß aber auch so nahe,« entschuldigte die Baronin an Stelle der hartnäckig schweigenden Bella.

      »In der That, ich hätte fortrücken sollen … Das Unglück ist ja auch gar nicht so groß,« sagte Elisabeth ängstlich und griff mit einem anmutigen Lächeln nach Bellas Hand. Die Kleine aber that, als sähe sie diese Bewegung nicht, und steckte beide Hände unter den Mantel.

      Ohne ein Wort zu sagen, schritt Herr von Walde auf sie zu, faßte sie am Arme und führte sie direkt zur Thür, die er öffnete. »Du gehst jetzt augenblicklich hinüber in dein Zimmer,« gebot er, »und kommst mir nicht eher wieder vor die Augen, als bis ich es wünsche.«

      Die Baronin war innerlich außer sich. Ihre Züge arbeiteten einen Augenblick heftig; aber was konnte sie thun? Sie hatte keinerlei Waffen gegen die Gewaltthätigkeit und Barbarei dieses Mannes, der hier Gebieter war und jetzt mit einer so empörenden Ruhe seinen Platz wieder einnahm, als sei er sich der Grausamkeit seiner Handlungsweise nicht im entferntesten bewußt. Endlich siegte die Klugheit der Dame.

      »Ich hoffe, lieber Rudolf,« sagte sie, ihre Stimme bebte ein wenig, »du wirst Bella die kleine Unart nicht nachtragen … Ich bitte dich, nimm ein wenig Rücksicht, ihre Gouvernante ist gar zu tölpelhaft.«

      »Miß Mertens? … Nun, der mag es bei ihrer angeborenen Sanftmut und ihrem feinen Takte unsägliche Ueberwindung kosten, Bella so zu erziehen, wie sie sich eben gezeigt hat!«

      Ueber die Stirn der Baronin flammte es abermals dunkelrot. Aber sie bezwang sich. »Mein Gott!« rief sie, um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, »da habe ich über der dummen Geschichte ganz und gar vergessen zu sagen, daß Emil von Odenberg herübergekommen ist. Er war zu Pferde, ist sehr naß geworden und wechselt gegenwärtig seinen Anzug … Darf er seine Aufwartung machen?«

      Eine hohe Glut flog über Helenes Wangen, und aus ihren Augen brach ein leuchtender Strahl des Glückes. Allein sie sprach kein Wort, sondern senkte das Gesicht tief herab, um die Zeichen ihrer inneren Erregung zu verbergen.

      »Gewiß,« erwiderte Herr von Walde. »Beabsichtigt er, länger hier zu bleiben?«

      »Einige Tage, wenn du es erlaubst.«

      »Ganz recht … Nun, wir werden ihn ja bei dir sehen, wenn wir zum Kaffee kommen.«

      »Er wird sehr glücklich sein … Wenn es übrigens gefällig ist, so kann die Uebersiedelung sogleich vor sich gehen; denn meine Kammerfrau meldete mir, als ich aus dem Wagen stieg, daß alles zum Empfange meiner lieben Gäste bereit sei.«

      Hier erhob sich Elisabeth und rüstete sich zum Fortgehen. Herr von Walde richtete einen fragenden Blick auf die Baronin. Ohne Zweifel erwartete er, daß sie das junge Mädchen auffordern würde, mitzukommen; die Dame fand jedoch in diesem Augenblicke, daß der Gärtner den Blumentisch im Fenster doch zu reizend arrangiert habe, und vertiefte sich förmlich im Anschauen einer Gruppe Azaleen, wobei sie dem jungen Mädchen den Rücken zukehrte.

      Elisabeth verabschiedete sich mit einer tiefen Verbeugung, nachdem ihr Helene mit unsicherer Stimme, aber in herzlicher Weise gedankt hatte. Draußen im Korridor kam ihr Herr von Hollfeld entgegen. Bei ihrem Anblicke verdoppelte er seine Schritte; zugleich fuhr sein Blick wie ein Blitz nach allen Seiten hin, als wolle er sich versichern, daß kein Lauscher in der Nähe sei. Ehe sie sich dessen versah, hatte er Elisabeths Hand erfaßt, drückte einen glühenden Kuß auf dieselbe und flüsterte: »so groß, daß sie im ersten Augenblicke keine Worte finden konnte. Sie zog aber schnell, als sei sie gestochen worden, ihre Hand zurück, und er schien sehr einverstanden damit zu sein, denn Helenes Zimmer wurde in diesem Augenblicke geöffnet und Herr von Walde trat heraus. Hollfeld nahm, als sähe er erst in diesem Augenblicke Elisabeth, den Hut leicht vor ihr ab, wobei seine Züge wieder einen völlig fremden Ausdruck hatten, und ging seinem Verwandten entgegen.

      Elisabeth war außer sich über diese Komödie. Zuerst die empörende Vertraulichkeit, die ihr das Blut wallen machte vor Entrüstung, und dann die Verleugnung derselben vor dritten Personen. Ihr Mädchenstolz war tief verwundet. Sie schalt sich, ihn nicht auf der Stelle hart angelassen und seine Dreistigkeit gerügt zu haben. Eine helle Röte stieg ihr in das Gesicht aus Scham darüber, daß ein Mann in der Weise sie berührt hatte … es war ihr, als brenne die Stelle noch, auf der die heißen Lippen geruht; sie ließ eilends den Strahl einer Fontaine im Parke über ihre Hand sprühen, um den vermeintlichen Fleck wegzuspülen.

      In großer Aufregung kam sie nach Hause und klagte der Mutter unter Thränen des Unwillens die ihr widerfahrene Beleidigung. Frau Ferber war sehr verständig und besaß einen ruhigen, klaren Blick. Sie erkannte sofort aus Elisabeths Entrüstung, daß hier nicht die mindeste Gefahr für das Herz ihres Kindes zu befürchten sei, und war beruhigt. Aeußere Anfechtung ließ sich abwehren, nicht aber der Jammer, den eine unglückliche Neigung heraufbeschwört.

      »Du weißt nun, wes Geistes Kind Herr von Hollfeld ist,« sagte sie. »Es wird dir durchaus nicht schwer werden, jede fernere Begegnung mit ihm streng zu vermeiden, und wenn er trotzdem abermals zudringlich werden sollte, ihn gebührend in die Schranken zurückzuweisen … Sein Benehmen zeugt von aristokratischem Dünkel und Feigheit, zwei Eigenschaften, die ihn höchst wahrscheinlich nicht weiter vorgehen lassen werden, wenn er sieht, daß du seine Huldigungen verschmähst … Auf alle Fälle aber mache dich mit dem Gedanken vertraut, daß dir mit dieser Zurückweisung ein Feind erwächst, der später möglicherweise deine Beziehungen zu Fräulein von Walde lösen wird … Das kann dich selbstverständlich nicht einen Augenblick im unklaren lassen, wie du dich zu verhalten hast. Gehe also ruhig und besonnen deinen Weg weiter … Vorläufig rate ich dir noch nicht, deine Besuche im Schloß Lindhof einzustellen.«

      »O behüte! … Das werde ich auch ganz und gar nicht!« rief Elisabeth lebhaft. »Was würde der Onkel dazu sagen, wenn das Küchlein in der That eilig und verscheucht unter die Flügel des Daheim kröche!« fügte sie unter Thränen lächelnd hinzu. »Es wäre doch schlimm, wenn ich von all der Stärke, deren ich mich gerühmt, nicht einmal so viel besäße, um einen zudringlichen Menschen in der Weise abzufertigen, daß ihm die Wiederholung des aufgedrungenen Handkusses für alle Zeit vergeht.«

      Sie dachte an ihr heutiges Gespräch mit Herrn von Walde und fand zu ihrer großen Beruhigung, daß sie doch eigentlich sehr tapfer sei; denn diesen durchdringenden Augen, dieser strengen Stirn gegenüber, war es wahrhaftig nicht so leicht gewesen, eine Ueberzeugung auszusprechen, die kecklich an dem stolzen Gebäude seines Ahnenhochmutes zu rütteln wagte. Sie hatte jeden Augenblick erwartet, sein Blick werde sich wieder zu Eis panzern, wie im Gespräch mit der Baronin; allein der eigentümliche Glanz und Ausdruck, der ihr sogleich aufgefallen war, als sie ihm gegenüber Platz genommen, war nicht gewichen; ja, einigemal hatte es ihr sogar geschienen, als ob sich die Lippen unter dem Barte zu einem leisen, kaum bemerkbaren Lächeln verzögen … »Vielleicht hat er sich heute in der Rolle des Löwen der Maus gegenüber gefallen. Er hatte großmütig geduldet, daß ein kleines Mädchen seine naiven Ansichten zu seinen Füßen auskrame; dort blieben sie freilich liegen; denn sich danach zu bücken, das war einem hochadligen Rücken nicht zuzumuten – aber sie hatten ihn doch einen Augenblick amüsiert als ein Beweis, daß das Sprüchlein vom Hündlein, welches den Mond anbellt, sich bewahrheite.« … Sie sagte sich dies eindringlich, um ihrem ungetreuen Gedächtnisse die allgemein feststehende Ansicht von

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