Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie Marlitt страница 33

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

Скачать книгу

Kinder waren Hand in Hand vorausgegangen und verschwanden hier und da seitwärts im Gebüsche, um Blumen zu suchen. Hektor, der seinem Herrn untreu geworden war und sich der Gesellschaft angeschlossen hatte, sprang lustig mit ihnen hin und her, wobei er jedoch nicht unterließ, dann und wann zu Elisabeth – der Dame seines Herzens, wie der Onkel immer sagte – zurückzukehren, um sich den Kopf streicheln zu lassen.

      Plötzlich stutzte er und blieb mitten im Wege stehen. Man war bereits in der Nähe des Parkes; durch das Gebüsch schimmerte das leuchtende Grün der Rasenflächen herauf, und das Plätschern der nächsten Fontäne wurde hörbar. Hektor hatte etwas entdeckt, und das war eine weibliche Gestalt, die mit hastigen Schritten den Hinabwandelnden entgegenkam. Elisabeth erkannte sie sogleich als die stumme Bertha, obgleich ihr die ganze Erscheinung merkwürdig verändert erschien.

      Das junge Mädchen mußte keine Ahnung von der Nähe anderer haben, denn sie gestikulierte im Weiterschreiten heftig mit den Armen; eine dunkle Röte bedeckte ihre Wangen, die Augenbrauen waren wie im tiefsten Seelenschmerze zusammengezogen, und die Lippen bewegten sich im leisen Selbstgespräche. Das weiße, blumengeschmückte Hütchen war von den Flechten herabgesunken und hing mittels der Bänder am Halse; infolge der heftigen Bewegungen jedoch lösten sich auch diese, und es fiel auf den Boden, ohne daß die Eigentümerin es bemerkte.

      Sie lief vorwärts, und erst in dem Augenblicke, als sie dicht vor Elisabeth stand, schlug sie die Augen auf. Entsetzt, als habe sie auf eine Natter getreten, fuhr sie zurück. In dem Momente aber auch verwandelte sich ihr schmerzlicher Gesichtsausdruck in den der tiefsten Erbitterung. Ihre Augen sprühten Haß, ihre Hände ballten sich krampfhaft, während ein zischender Laut über die Lippen glitt; es sah aus, als wolle sie sich wütend auf das junge Mädchen stürzen … Reinhard stand sofort neben Elisabeth und zog sie einen Schritt zurück. Als Bertha ihn erblickte, stieß sie einen leisen Schrei aus und rannte blindlings in das Gebüsch, durch welches sie sich gewaltsam Bahn brach, obgleich ihre Kleider an den Dornen hängen blieben und niederhängende Aeste gegen ihre Stirn schlugen … in wenig Augenblicken war sie im Dickicht verschwunden.

      »Das war ja die Bertha aus dem Forsthause!?« rief Miß Mertens erstaunt. »Was muß ihr geschehen sein?«

      »Ja, was mag vorgefallen sein?« wiederholte Reinhard. »Die junge Person war in einer furchtbaren Aufregung, schien aber erst in die höchste Wut zu geraten bei Ihrem Anblicke,« wandte er sich an Elisabeth. »Sie ist Ihnen verwandt?«

      »Eigentlich nicht,« entgegnen das junge Mädchen, »denn sie steht nicht einmal meinem Onkel in dieser Beziehung sehr nahe. Ebensowenig ist sie mir bekannt. Sie hat meine Nähe von Anfang an konsequent gemieden, obgleich ich einen freundschaftlichen Verkehr mit ihr eine Zeitlang sehr gewünscht habe … Es ist klar, daß sie mich haßt, aber ich weiß nicht, weshalb; das müßte mich eigentlich betrüben, allein ihr Charakter gefällt mir zu wenig, als daß ich einen besonderen Wert auf ihre Gesinnung gegen mich legen möchte.«

      »Zum Henker auch, Kindchen, da ist nicht allein mehr von Gesinnung die Rede! … Die kleine Furie hätte Sie am liebsten mit den Zähnen zerrissen.«

      »Ich fürchte mich nicht vor ihr,« erwiderte Elisabeth lächelnd.

      »Nun, ich möchte Ihnen doch zur Vorsicht raten,« meinte Miß Mertens. »Die kleine Person hat etwas Dämonisches in ihrer Erscheinung … wo mochte sie nur herkommen?«

      »Allem Anscheine nach aus dem Schlosse,« bemerkte Elisabeth, indem sie Berthas Hut aufhob und einige dürre Blätter und Moose von den Klatschrosen abstreifte.

      »Das glaube ich nicht,« entgegnete Miß Mertens. »Seit sie stumm ist, hat sie merkwürdigerweise auch ihre Besuche in Lindhof eingestellt … Sie war früher täglich im Schlosse, wohnte den Bibelstunden bei und hatte bei der Baronin einen großen Stein im Brette … Das alles hat plötzlich ein Ende genommen, ohne daß irgend jemand sagen kann, weshalb. Nur dann und wann habe ich sie auf meinen einsamen Spaziergängen durch den Park schlüpfen sehen, flink wie eine Schlange und für mich ebenso unheimlich, wie alle Reptilien.«

      Die Sprechenden hatten bereits den ersten mit Kies bestreuten Parkpfad betreten, es war Zeit zum Abschiede, der von Besuchern und Besuchten auf das herzlichste genommen wurde.

      »Höre, Else,« sagte Ernst, als die anderen drei hinter dem nächsten Boskett verschwunden waren, »wir wollen doch einmal sehen, wer von uns beiden zuerst dort an der Ecke sein wird.« Diese Ecke war die Mündung eines schmalen Waldweges, der sich an dem Fuße des Berges hinzog.

      »Gut, mein Junge!« lachte Elisabeth und begann zu laufen. Anfangs hielt sie Schritt mit den Beinchen, die tapfer nebenher trippelten und sich mühten, ihr den Vorsprung abzugewinnen; in der Nähe des Zieles jedoch flog sie, um den Kleinen zu necken, wie eine Feder vorwärts und stand mit einem Schritte mitten im Waldwege, zu ihrem Schrecken aber auch dicht vor einem Pferdekopfe, der sie heftig anschnaubte. Hektor, welcher nebenher gelaufen war, erhob ein lautes Gebell … Das Pferd machte einen furchtbaren Satz nach rückwärts und stand in einem Nu fast kerzengerade auf den Hinterbeinen.

      »Zurück!« rief eine gewaltige Stimme. Elisabeth umfaßte den Knaben, der inzwischen herangekommen war, und sprang seitwärts mit ihm; fast in demselben Momente stürzte das Pferd aus dem Walde hervor und brauste, mit seinen Hufen kaum die Erde berührend, querfeldein … Herr von Walde ritt das scheu gewordene Tier, das die gewaltigsten Anstrengungen machte, seinen Reiter abzuwerfen; aber er saß fest wie eine Mauer, nur einmal bog er sich herab und hieb mit der Gerte nach Hektor, der in tollen Sprüngen auf und ab jagte und das Pferd durch sein Gebell immer wilder machte. Eine Weile zerstampfte der Renner den großen Rasenplatz, dann wendete er sich plötzlich seitwärts und verschwand jenseits im Walde.

      Elisabeth fühlte, wie ihr die Zähne zusammenschlugen in namenloser Angst, denn nun zweifelte sie keinen Augenblick mehr, daß ein Unglück geschehen müsse. Sie nahm Ernst bei der Hand und wollte nach dem Schlosse laufen, um Hilfe zu holen, allein schon nach wenigen Schritten sah sie den Reiter zurückkehren. Das Tier war ruhiger, der Schaum floß vom Gebisse, und Elisabeth sah, wie die Beine des Pferdes zitterten. Herr von Walde klopfte es liebkosend auf den Hals, sprang herab und band es an einen Baum, dann schritt er auf Elisabeth zu.

      »Verzeihen Sie!« sagte das junge Mädchen mit bebender Stimme, als er vor ihr stand.

      »Was denn, mein Kind?« entgegnete er mild. »Sie haben ja nichts verbrochen … Kommen Sie, setzen Sie sich ein wenig hier auf die Bank … Sie haben sich erschreckt und sind totenblaß geworden.«

      Er machte eine Bewegung, als wolle er ihre Hand ergreifen und sie führen, aber sein Arm sank sogleich wieder herab. Elisabeth folgte mechanisch seinem Geheiße, er setzte sich ohne weiteres neben sie. Der kleine Ernst lehnte sich an seine Schwester und sah Herrn von Walde mit seinen großen, schönen Augen unverwandt ins Gesicht. Der Kleine war nur einen Moment erschrocken gewesen, als das Pferd unvermutet aus dem Walde hervorkam; das Umherjagen auf der Wiese aber hatte ihn amüsiert, denn er hatte keine Ahnung von der Gefahr.

      »Was hatten Sie vor, als Sie vorhin so stürmisch in den Wald einzudringen versuchten?« fragte Herr von Walde Elisabeth nach einem kurzen Schweigen.

      Ein schelmisches Lächeln schwebte um die noch immer blassen Lippen des jungen Mädchens. »Ich wurde verfolgt,« antwortete sie.

      »Von wem?«

      »Von diesem hier,« – sie zeigte auf Ernst – »wir sind um die Wette gelaufen.«

      »Ist der Kleine Ihr Bruder?«

      »Ja.« Sie sah dem Knaben zärtlich ins Gesicht und strich mit der Hand über seinen dunklen Lockenkopf.

      »Und

Скачать книгу