Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Stockwerk der Gebäude, rankte sich an den Fenstersimsen fest und fiel von dort wie ein grüner Regen wieder auf die blühenden wilden Rosen und Fliedersträuche hernieder. Es war ein Schwirren und Summen aus diesem abgeschiedenen, blühenden Fleckchen Erde, als ob der Frühling seine ganzen geflügelten Heerscharen hier versammelt hielte. Zahllose Schmetterlinge flatterten durch die Luft, und über die riesigen Fächer der Farnkräuter zu Elisabeths Füßen liefen geschäftig goldglänzende Käfer. Ueber all dies Blühen und Treiben erhoben einige Obstbäume und mehrere schöne Linden ihre Kronen, und auf einer kleinen Anhöhe lagen die Ueberreste eines Pavillons.

      Der Garten war auf drei Seiten von zweistöckigen Gebäuden umgeben, und das Viereck des Raumes wurde durch eine Art hohen Dammes vervollständigt, über den die Wipfel der Waldbäume hereinsahen. Auch hier trugen die Baulichkeiten das Gepräge des Verfalles; abermals ziemlich gut erhaltene Mauern nach außen, doch vollständige Verwüstung im Innern. Nur ein zwischen zwei hohe Flügel eingeklemmter, einstöckiger Bau fiel auf durch sein dunkles Aussehen. Er war nicht durchsichtig, wie die anderen decken-und thürenlosen Gebäude; das flache Dach, das an beiden Seiten schwere Steingeländer hatte, mußte Sturm und Wetter Trotz geboten haben, wie die grauen Fensterläden auch, die hier und da unter dem Wuste von Schlingpflanzen hervorsahen. Der Oberförster meinte mit prüfendem Blicke, dies sei höchst wahrscheinlich Sabines berühmter Zwischenbau; möglicherweise sei er innen nicht so despektierlich zugerichtet, wie die anderen Baulichkeiten; nur begreife er nicht, wie man zu dem angeklebten Schwalbennest gelangen könne. Allerdings war weder von Treppen noch Thüren eine Spur zu sehen, was freilich schon durch das undurchdringliche Gebüsch am Erdgeschosse unmöglich wurde. Man beschloß deshalb, das Besteigen einer ausgetretenen, aber noch ziemlich festen Steintreppe in einem der großen Flügel zu wagen und so auf das Ziel loszusteuern. Es gelang, wenn auch unter beständigem Anklammern an die unebene Mauer. Sie kamen zuerst durch einen großen Saal, der den blauen Himmel als Decke und einige grüne Büsche droben auf den Mauern als einzigen Schmuck aufzuweisen hatte. Zertrümmerte Balken, Dachsparren, einzelne Plafondstücke mit Ueberresten von Malerei bildeten ein grauses Gemisch, über das die Suchenden hinwegklettern mußten. Dann folgte eine Reihe von Zimmern, in demselben Zustande der Zerstörung. An einigen Wänden hingen noch Fetzen von Familienbildern, die oft, schauerlich und komisch zugleich, nur ein Auge, ein Paar gekreuzter, bleicher Frauenhände oder einen theatralisch vorgestreckten, schienenbekleideten Männerfuß zeigten. Endlich hatten sie den letzten Raum erreicht und standen vor einem hohen Thürbogen, der mit Ziegelsteinen vermauert war.

      »Aha!« sagte Ferber, »hier hat man den Zwischenbau abzuschließen gesucht von der allgemeinen Zerstörung. Ich meine, ehe wir noch länger die halsbrechende Arbeit des Suchens fortsetzen, wäre es gescheiter, die Steine herauszunehmen.«

      Der Vorschlag fand Beifall, und der Maurer begann sein Werk; er drang in eine tiefe Wandnische ein und versicherte, hier seien doppelte Wände. Beide Männer halfen wacker mit, und bald erschien eine mächtige Eichenthür hinter dem zerstörten Mauerwerke, das schnell hinweggeräumt wurde. Die Thür war nicht verschlossen und gab dem Drucke der Männer sogleich nach. Sie traten in einen völlig dunklen, dumpfen Raum. Nur ein dünner Sonnenstrahl drang durch eine schmale Ritze und zeigte die Richtung der Fenster. Das seit so langer Zeit nicht berührte Fensterschloß sträubte sich tapfer gegen die Kraftaufwendung des Oberförsters, ebenso der Laden, den die starken Zweige der Bäume draußen fest andrückten. Endlich wich er mit lautem Gekreische – ein grüngoldenes Sonnenlicht strömte durch ein hohes Bogenfenster herein und beleuchtete ein nicht sehr breites aber tiefes Zimmer, dessen Fenster mit Gobelins behangen waren. Der Plafond zeigte in den vier Ecken das sauber gemalte Wappen der Gnadewitze. Zum Erstaunen aller war es vollständig möbliert, und zwar als Schlafzimmer. Zwei Himmelbetten mit vergilbtem Behange, welche an den zwei langen Wänden standen, waren vollkommen eingerichtet. Das Bettzeug steckte noch in den feinen Leinenüberzügen, und die seidenen Steppdecken schienen nichts an Farbe und Haltbarkeit eingebüßt zu haben. Alles, was zur Bequemlichkeit vornehmer Leute gehört, war hier vorhanden, und wenn auch unter einer Last von Staub vergraben, doch noch in völlig brauchbarem Zustande. An dies Zimmer stieß ein zweites, weit größeres mit zwei Fenstern; es war ebenfalls möbliert, wenngleich in veraltetem Geschmacke und, wie nicht zu verkennen war, mit Möbeln, die man allerorten zusammengesucht hatte. Ein altertümlicher Schreibtisch mit kunstreich ausgelegter Platte und seltsam geschnörkelten Füßen wollte durchaus nicht zu der mehr modernen Form des rot überzogenen Sofas passen, und die goldenen Rahmen, in denen einige nicht übel gemalte Jagdstücke an den Wänden hingen, harmonierten nicht mit der versilberten Fassung des großen Wandspiegels. Aber sei es auch darum – es fehlte ja nichts, was den Raum behaglich machen konnte; selbst ein großer, wenn auch etwas verblichener Teppich lag auf dem Boden, und unter dem Spiegel stand eine große, altertümliche Uhr. Es folgte noch ein kleines, ebenfalls eingerichtetes Kabinett, von welchem eine Thür nach Vorsaal und Treppe führte. Hinter den Zimmern lagen drei Räume von gleicher Größe, deren Fenster in den Garten sahen, und von denen das eine tannene Möbel und zwei Betten enthaltend, jedenfalls für die Dienerschaft bestimmt gewesen war.

      »Potztausend!« sagte der Oberförster vergnügt lachend, »da finden wir ja eine Bescherung, die unsere bescheidenen Seelen sich nicht einmal haben träumen lassen. Na, wenn das der Hochselige wüßte, er drehte sich in seinem zinnernen Grabe um … Das sind lauter Dinge, die wir der pflichtvergessenen Seele einer Beschließerin oder dem ungetreuen Gedächtnis eines altersschwachen Haushofmeisters verdanken.«

      »Aber dürfen wir sie denn auch behalten?« fragten Frau Ferber und Elisabeth, die bis dahin vor freudiger Ueberraschung starr gewesen waren, wie aus einem Munde.

      »Ei freilich, liebe Frau,« beruhigte der Vater. »Dein Onkel hat dir das Schloß vermacht mit allem, was es enthalte.«

      »Und das ist wenig genug,« grollte der Oberförster.

      »Im Vergleiche zu unseren Erwartungen aber eine wahre Fundgrube von Schätzen,« sagte Frau Ferber, indem sie einen hübschen Glasschrank öffnete, der verschiedenes Porzellan enthielt, »und wenn mich damals, als ich noch hoffnungsmutig und anspruchslos ins Leben sah, der Onkel mit einem reichen Vermächtnis bedacht hätte, es würde mir sicher keinen größeren Eindruck gemacht haben, als in diesem Augenblicke die unverhoffte Entdeckung, welche uns großer Sorgen enthebt.«

      Elisabeth bog sich unterdessen aus dem Fenster des zuerst betretenen Zimmers und versuchte, mit ihren Armen die Zweige zu trennen, welche die ganze Fensterreihe der Fronte vollständig verbarrikadierten und deshalb in den Zimmern gerade nur ein grünes Dämmerlicht zuließen. »Schade,« meinte sie, das Ohnmächtige ihrer Anstrengung einsehend, »ein wenig Aussicht in den Wald hätte ich schon gern gehabt!«

      »Glaubst du denn,« sagte der Oberförster, »ich würde euch hinter dieser grünen Verschanzung stecken lassen, die jeden frischen Luftzug abwehrt? Dem soll heute noch abgeholfen werden, darauf verlasse dich; Klein-Else.«

      Sie gingen die Treppe hinab. Auch sie war in gutem Zustande und führte in eine große Halle, in deren Mitte eine Tafel, von hochbeinigen Stühlen umgeben, stand. Der Fußboden war von roten Backsteinen, Wände und Plafond aber zeigten kunstvolle Holzschnitzereien. Dieser große Raum hatte außer vier Fenstern zwei Thüren, die sich gegenüber lagen; eine derselben führte in den Garten, die andere, die sich nur schwer öffnen ließ, auf einen schmalen freien Platz, der sich zwischen das Gebäude und die äußere Mauer drängte. Hier hatten sich die Syringen und Haselsträucher ungemein üppig ausgebreitet, allein es gelang doch den Männern, einen Durchgang zu erzwingen, und mit drei Schritten standen sie vor einem Pförtchen in der gegenüberliegenden Mauer, das hinaus in das Waldgestrüpp führte.

      »Nun,« sagte Ferber erfreut, »hier fällt auch das letzte Bedenken weg. Dieser Eingang ist viel wert. Wir brauchen nun nicht mehr durch die Höfe zu gehen, was jedenfalls sehr umständlich und immerhin gefährlich gewesen wäre.«

      Noch einmal wurde die Wohnung durchschritten, die künftige Einrichtung derselben besprochen, und der Maurer für morgen bestellt, damit er eines der

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