Cooldown. Markus Vath

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Cooldown - Markus  Vath Dein Leben

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wir also dümmer, wie es manche Publizisten und Psychologen prophezeien? Oder kreativer, weil wir uns auf ganz neue Dinge konzentrieren können und den Kopf freihaben? Eindeutig lässt sich das heute nicht beantworten, eben weil die technologische Bewegung ins Digitale und noch einmal in die Cloud so rasend schnell abläuft. Doch solange wir nichts Genaueres wissen, gibt es meiner Meinung nach keinen Grund, allzu pessimistisch zu sein. Immerhin hat sich die Welt im Großen und Ganzen doch erheblich in Richtung Fortschritt entwickelt. Wir leben trotz allem, trotz Kriegen, Hunger und Privatfernsehen in der modernsten und besten aller möglichen Welten und Zeiten.

      Wie sehr die digitale Vernetzung im lokalen und globalen Maßstab bereits als Tatsache ins Bewusstsein nicht nur der Wirtschaft gedrungen ist, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Hays.19 Darin wurden knapp 700 Führungskräfte im deutschsprachigen Raum befragt. Unter anderem stellten die Autoren der Studie fest, dass 79 Prozent der Befragten eine steigende Komplexität der Arbeit registrieren, 77 Prozent eine zunehmende Beschleunigung von Abläufen, 52 Prozent eine erhöhte Mobilisierung der Arbeit und 47 Prozent der Unternehmen mit der globalen Vernetzungsdichte kämpfen. Die Verdichtung durch Kommunikation, Dokumentationswesen und Arbeitslast sorgt nicht nur für eine anspruchsvollere Arbeitsumgebung, sondern in der Folge auch dafür, dass die Forderungen an die Fähigkeiten von Mitarbeitern und Führungskräften entsprechend steigen. Zu diesem Fähigkeiten-Set werden in der Zukunft auch Medien-, Kommunikations- und Netzwerkkompetenz in vorher noch nicht dagewesener Größe gehören. Diese Fähigkeiten werden heute noch als »weiche« Fähigkeiten, als social skills belächelt. In der Zukunft einer explodierenden Kommunikation und vernetzten Arbeitsumgebungen können diese Fähigkeiten – selbstverständlich neben einer profunden Sachkenntnis – über Wohl und Wehe eines Projekts, einer Abteilung, gar eines ganzen Unternehmens entscheiden.

       Sozialer Kompetenz plus Fachkenntnis gehört die Zukunft

      Die Unternehmen spüren das bereits, auch wenn man es sich noch nicht allzu offen eingesteht. Dennoch grassiert die Furcht vor unbesetzten Stellen: Hays zufolge befürchten immerhin 60 Prozent der Befragten für ihr Unternehmen einen Fachkräftemangel und verschärften Wettbewerb um die besten Köpfe. 50 Prozent glauben, dass sie Engpässe beim Heranziehen eigener Nachwuchskräfte haben werden. Diese Zahlen sind insofern interessant, als das Thema hier nicht durch den redaktionellen Filter der Presse gelaufen ist, sondern Hays die aktuelle Stimmungslage direkt bei den »Entscheidern« aufgenommen hat. Die mediale Aufmerksamkeit indessen hat Vor- und Nachteile: Oft bringt ihr Fokus auch Themen auf die Tagesordnung, die sonst unter den Tisch fallen würden. Andererseits kann ein solcher Fokus sich auch zu einem Hype entwickeln, der jedes Maß übersteigt und ein Missverhältnis schafft zwischen der Wahrnehmung einer Sache und deren wirklicher Bedeutung. Mit anderen Worten: Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Natürlich ist auch die Agenda eines Unternehmenslenkers aufmerksamkeitsgesteuert. Auch er wird einer Unternehmensberatung wie Hays nicht völlig objektive Antworten liefern können. Doch immerhin bleibt der verzerrende Presse-Effekt außen vor.

      Wagt man mit den Ergebnissen der Studie einen Blick in die Zukunft, stellt man fest, dass eine globalisierte Kompetenzverteilung – vor allem bei Konzernen, Non-Profit-Unternehmen und größeren Nichtregierungsorganisationen (NGO) – eine Bereitschaft zur globalisierten Kommunikation zwingend erfordert. Immer mehr spezialisierte Individuen und Experten vernetzen sich in räumlich großen Abständen über unterschiedliche Zeitzonen hinweg. Das wird im großen Stil vielleicht nicht in fünf Jahren passieren, aber in zehn Jahren wahrscheinlich und in 20 Jahren ganz sicher. So sehr diese geballte brain power zu begrüßen ist, schafft sie doch logistisch ganz neue Probleme. Schon jetzt gibt es nicht seltene Fälle von Telefonkonferenzen über Zeitzonen hinweg, bei denen Teilnehmer einschlafen. Doch wo der Biorhythmus die Segel streicht, kann kein kollektiver Innovationsturbo zünden.

       Virtuelle Konferenzen ersetzen nicht den zwischenmenschlichen Kontakt

      Im Moment funktioniert die virtuelle Zusammenarbeit auf dem Papier reibungsloser als in der Wirklichkeit. Damit dieser Zustand überwunden wird, brauchen wir neue Konzepte der Zusammenarbeit. Konzepte, die die technischen Möglichkeiten ausschöpfen und gleichzeitig einen Kontakt von Mensch zu Mensch zulassen. So könnten punktuelle leibhaftige Treffen einen langfristigen Referenzpunkt in der Zusammenarbeit schaffen. Im Vertrieb weiß man schon heute: Nichts geht über den persönlichen Kontakt. Was in der Firmen-Kunden-Beziehung bereits Standard ist, sollte als Organisationskonzept auch in die Gestaltung der Arbeitsprozesse einfließen. Denn Technik kann Wissen transportieren, Kommunikation bündeln und Prozesse verschlanken. Doch menschliche Wärme, die vibes, das Schaffen von Beziehungen und das Wahrnehmen des Menschen in seinen Facetten ist rein virtuell schwierig. In diesem Zusammenhang dürfte auch die weitere Erforschung von »Spiegelneuronen« interessant werden.20 Die bisherige Forschung legt nahe, dass »bei Handlungen mit emotionaler Färbung ebenfalls Spiegelneuronen beteiligt sind und eine wichtige Rolle in sozial kognitiven Aspekten […] übernehmen.«21 Es stellt sich die Frage, ob in rein virtueller Kommunikation die Funktion der Spiegelneuronen beeinträchtigt ist – was eine emotional und sozial stimmige Kommunikation erschweren würde.

      So kommt es beispielsweise in sozialen Netzwerken immer wieder zu Missverständnissen, wenn jemand ironisch wird. Ironie scheint etwas zu sein, was schriftlich schwer zu vermitteln ist. Geübte User benutzen daher manchmal ein sogenanntes irony tag, ein »Ironie-Schild«», das sich an die Programmiersprache HTML anlehnt: <ironie>…</ironie>. Oder sie setzen einen zwinkernden Smiley, ein Emoticon. Denn wenig ist ärgerlicher, als in einer ansonsten störungsfreien Kommunikation plötzlich – vermeidbaren – Ärger und Missfallen korrigieren zu müssen.

      Dieses einfache Beispiel zeigt, dass zur kompletten Wahrnehmung eines Menschen durch einen anderen idealerweise der persönliche Kontakt gehört. Und dieser wird umso wichtiger, je mehr man sich untereinander abstimmen muss. Dann sollte man wissen: Wie tickt der andere? Wie hat man bestimmte Dinge, die er oder sie sagt oder tut, einzuschätzen? Und genau diese »Nase« für den anderen wird in einer kommunikationslastigen Arbeitswelt immer wichtiger. Deshalb muss man den Menschen gerade in einer globalisierten Welt Gelegenheit geben, nicht nur über Facebook oder Firmen-Intranet etc. zu kommunizieren, sondern sich auch gelegentlich Auge in Auge gegenüberzustehen. Denn das schafft Verständnis. Verständnis schafft Vertrauen – und nur auf dieser Basis gibt man Information weiter, ist engagiert und übernimmt Verantwortung für die Gruppe und sich selbst. Abgesehen von der Frage, wie wir Zusammenarbeit über Zeit und Raum hinweg organisieren, sollten wir außerdem überprüfen, wie wir mit Information innerhalb der Zusammenarbeit, am Arbeitsplatz und generell in unserem Alltag umgehen. Die Informationsflut als Tatsache unserer Tage ist bereits dargestellt worden. Auch, dass wir darauf mit Konzentrationsschwierigkeiten und einem Gefühl der Belastung reagieren.

      Doch wir können der Informationsflut das Bedrohliche nicht nehmen, indem wir lediglich an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, der Prozesse und der technischen Infrastruktur denken. Die Situation wird vielmehr dadurch verschärft, dass wir uns immer noch wie Jäger und Sammler benehmen – auch was die Informationsaufnahme betrifft. Wir haben noch nicht gelernt, Informationen ihrer Bedeutung und Wichtigkeit nach zu filtern und auszusortieren.

       Auf der Jagd nach Informationen nehmen wir alles mit – und überfressen uns

      Auch nach 50 000 Jahren sind wir immer noch impulsive Jäger und Sammler. Evolutionsgeschichtlich machte das früher durchaus Sinn. Da man nicht wusste, wann man wieder etwas zu essen bekam, hortete man und aß, bis man nicht mehr konnte. Den Rest warf man nicht weg, sondern packte ihn ein und bewahrte ihn auf. Heute haben wir beim Essen das umgekehrte Problem: Essen steht uns in praktisch unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung. Damit kommen manche besser, manche schlechter zurecht. Für alle Menschen jedoch gilt beim Essverhalten: nicht mehr Jagen und Sammeln ist angesagt, sondern Auswählen und Liegenlassen. Beim Essen haben wir das bereits verstanden: Millionen Menschen versuchen jedes Frühjahr, mit einer Diät abzuspecken. Für manche hat Essen sogar ganz die Qualität

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