Im Hause des Kommerzienrates. Eugenie Marlitt

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Im Hause des Kommerzienrates - Eugenie  Marlitt

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erstenmal und wissen nichts voneinander.«

      Sie hätte sich mit einer einzigen oberflächlichen Phrase aus dieser peinvollen Lage helfen können, aber das fiel ihr nicht ein. Er hatte recht — wie konnte sie wissen, ob er schuldlos, und die anklagende öffentliche Meinung im Unrechte sei? Freilich trug seine ganze Erscheinung den Stempel einfacher Geradheit und Wahrhaftigkeit. Sie fühlte sogar heraus, daß es eigentlich seine Art gar nicht sein könne, ungerechten Verdächtigungen gegenüber auch nur ein Wort zu verlieren, ja, daß er sich in diesem Augenblicke mit einer Versicherung gleichsam herablasse. Dennoch war sie nicht fähig, etwas auszusprechen, für das sie keine innere Rechtfertigung fand.

      Er hatte wohl auch keine Antwort erwartet; denn er wandte sich ab, aber mit so viel Würde und stolzer Gelassenheit, daß in Käthe ein Gefühl plötzlicher Beschämung aufstieg und ihre Wangen heiß rötete. »Darf ich die Kranke nun herüber bringen?« fragte sie mit unsicherer Stimme.

      Er bejahte, und sie verließ mit raschen Schritten das Zimmer. Drüben in der Hinterstube wischte sie sich die hervorquellenden Thränen von den Wimpern und ließ sich den erschütternden Vorgang von der Haushälterin erzählen.

      »Die Geschichte hat dem Doktor in der Stadt schrecklichen Schaden gebracht,« sagte Suse schließlich. »Erst gab's keinen Besseren, und er hatte alle Hände voll zu thun, und nun sagen sie auf einmal, er verstände seine Sache nicht. So sind eben die Menschen, Fräulein Käthchen. Und er ist nicht schuld an dem Unglücke. Es war alles gut; ich hab's ja mit meinen eigenen Augen gesehen. Aber da sollte sich der Schloßmüller ganz ruhig verhalten — ja, der und ruhig! Ich weiß am besten, wie er beim kleinsten Aerger gleich kirschbraun wurde. Da darf nur der Franz draußen zu laut gesprochen haben, oder der Wagen ist zu schnell in den Hof gefahren — da hat schon die Wut in ihm gekocht. So war er. Ich hab' genug mit ihm ausgestanden, und zum Dank dafür hat er mich auch mit keinem Pfennig bedacht;« — sie lachte scharf und zornig auf — »wenn Sie nicht für mich sorgten, da könnte ich jetzt betteln gehen.«

      Käthe hob unwillig warnend und Schweigen gebietend den Zeigefinger.

      »Nun meinetwegen auch — ich will still sein,« grollte die Alte und ließ es still geschehen, daß das junge Mädchen ihren vertrockneten Körper wie ein hilfloses Kind in Decken und Kleider einmummte. »Es thut mir nur leid, daß so ein guter Herr wie der Doktor deswegen nun angeschwärzt wird und sein Brot verliert, und seine arme Tante, für die er sorgt und arbeitet, dauert mich auch. Sie hat ihn von ihrem bißchen Vermögen studieren lassen, die alte Frau Diakonus. Sie wohnt bei ihm; er ist immer ihr ganzer Stolz gewesen — und nun muß sie das miterleben.« —

      Käthe machte der Mitteilung, die sehr ins Breite zu gehen drohte, ein Ende, indem sie die Kranke vorsichtig aus dem Lehnstuhle hob. Sie war der früheren Heimat zu sehr entfremdet und wurzelte mit ihrem Denken und Empfinden viel zu sehr in ihrem Dresdener Heim, um sich für die Privatverhältnisse dessen so rasch zu erwärmen, der Floras Bräutigam war. Allerdings bedauerte sie den Arzt in ihm, dem das Mißlingen einer Kur so plötzlich Existenz und Stellung gefährdete, allein das Weh um den Großvater, der jedenfalls schwer gelitten hatte, überwog bei weitem auch diesen Anteil.

      Halb und halb getragen von den starken Armen des jungen Mädchens, hinkte Suse über den Vorsaal. Die Thür der Eckstube war offen und am Fuße der herniederführenden Stufen stand Doktor Bruck mit ausgestreckten Händen, um die Leidende in Empfang zu nehmen und ihr herabzuhelfen ... Es war eine charakteristische Gruppe, die der Thürrahmen einen Augenblick umschloß. Käthe hatte sich den gesunden Arm der Kranken um den Nacken gelegt und hielt die knochige braune Hand mit ihren rosigen Fingern auf der linken Achsel fest, während ihr rechter Arm die Hüften Suses umschlang. Ausdrucksvoller konnte die opferwillige Barmherzigkeit nicht verkörpert sein als in diesem Mädchen, das, seitlich über die gekrümmte Hilflose gebeugt, ihr strahlend junges Gesicht an den grauen Scheitel, die runzelvolle Wange des alten Frauenkopfes legte.

      Nach wenigen Minuten saß Suse bequem und weich gebettet in der luftigen Stube. Sie musterte ängstlich die famosen Vorhänge, entsetzte sich über das Bett auf dem »stolzen Kanapee« und bemühte sich vergeblich, ihre Freude darüber zu verbergen, daß sie nun wieder jeden Sack zählen konnte, der drunten im Hofe auf- und abgeladen wurde.

      Die junge Dame sah nach ihrer kleinen goldenen Uhr. »Es wird Zeit, mich in der Villa vorzustellen; sonst gerate ich möglicherweise mitten in den stolzen Theezirkel der Frau Präsidentin,« sagte sie mit der anmutigsten Geste eines leichten Schauders und zog die Handschuhe aus der Tasche. »In einer Stunde komme ich wieder und koche dir eine Suppe, Suse —«

      »Mit den feinen Händen?«

       »Mit den feinen Händen, versteht sich. Glaubst du denn, ich lege sie in Dresden in den Schoß? ... Hast doch meine Lukas gekannt, Suse — sie ist heute wie damals; da heißt es, Hand und Fuß rühren und die Zeit ausnutzen. Du solltest sie nur einmal sehen! Sie ist eine Frau Doktorin geworden, die ihresgleichen sucht.« Damit verließ sie das Zimmer, um sich in Suses Stübchen zum Fortgehen zu rüsten.

       Inhaltsverzeichnis

      Auf der Spinnerei schlug es Fünf, als Käthe in Doktor Brucks Begleitung wieder in den Hof trat. Es war kälter geworden, und die uralte halbverwischte Sonnenuhr am Giebel, die heute, im goldenen Frühlingslicht neu auflebend, mit scharfem Finger die Stunden bezeichnet hatte, sah wieder trübselig und verwittert aus.

      Das helle Geklingel der Thürschelle lockte Franz wieder heraus auf die kleine Freitreppe, und auch seine Frau folgte ihm neugierig mit langem Halse, um die heimgekehrte junge Herrin zu begucken. Käthe bat sie, während ihrer Abwesenheit fleißig nach der Kranken zu sehen, was auch heilig und teuer versprochen wurde. In diesem Augenblick rauschte es in den Lüften, und gleich darauf stürzte eine schöne Taube herab und blieb hilflos auf dem Steinpflaster liegen.

      »Schwerenot, nehmen denn die Bubenstreiche kein Ende?« fluchte Franz, indem er die Treppe herabsprang und das Tierchen aufhob — es war flügellahm geschossen. »Da guck her, Frau!« sagte er zu der Müllerin. »'s ist keine von unseren — ich dachte mir's gleich. 's ist ein gottheilloses Volk da drüben. Die schießen der armen Dame ihre Prachttauben nur so vor der Nase weg. Na, ich sollte nur der Herr Kommerzienrat sein!« Er schüttelte die Faust.

      »Wer ist denn die arme Dame, Franz? Und wer schießt nach ihren Tauben?« fragte Käthe mit großen Augen.

      »Er meint Henriette,« sagte Doktor Bruck.

      »Und drüben aus der Spinnerei wird geschossen!« platzte Franz ingrimmig heraus.

      »Wie, die Fabrikarbeiter meines Schwagers?«

      »Ja, ja, die sein Brot essen, Fräulein. 's ist eine Sünde und Schande. Da haben Sie die Bescherung, Herr Doktor! Da sehen Sie ja nun, was das für eine Brut ist. Sie wollen bei denen alles mit Liebe und Güte durchsetzen — ja, da werden Sie weit kommen. Was haben denn solche brave Leute wie Sie von der Gutheit? Lange Nasen macht Ihnen die Gesellschaft ... Die Faust aufs Auge! 'runter müssen sie. Das ist meine Meinung — sonst ist kein Aushaltens.«

      »Streikt man auch hier?« fragte Käthe den Doktor, dem ein so schönes, ernstes Lächeln um die Lippen schwebte, daß sie das Auge nicht von ihm wenden konnte.

      »Nein, die Sache liegt anders,«

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