Im Hause des Kommerzienrates. Eugenie Marlitt

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Im Hause des Kommerzienrates - Eugenie  Marlitt

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mit dem Arbeitsstaub in des Schwagers Spinnerei befleckt; sie wußte auch in der That nicht, wie es bei den Leuten aussah, die das dringende Verlangen nach Reformen unter eine Fahne rief und sie zu einer Macht anwachsen ließ, die sich wie ein Keil zwischen die gesellschaftliche Ordnung schob und sie zu zersprengen drohte. Aber wozu denn auch? Mußte man denn alles in Wirklichkeit gesehen und erlebt haben, was man schilderte? Lächerlich! Wozu waren denn Geist und Phantasie da? ... Bis heute hatte der Doktor ihre litterarischen Bestrebungen mit keiner Silbe berührt — »aus Scheu und Respekt« hatte sie gedacht, und nun griff er dieses Wirken plötzlich so plump, so verständnislos an — er! Sie rang schwer mit sich. »Ich begreife nicht, Großmama, wie du dich zu der Bezeichnung ‚Idealist‘ versteigen konntest,« rief sie mit funkelnden Augen herüber. »Ich dächte, Bruck hätte vorhin das große Thema trocken genug beleuchtet. Nach seinem Programme sollen wir schleunigst Komfort und Eleganz abstreifen und in Sack und Asche gehen; wir sollen uns beileibe nicht geistig beschäftigen, sondern Volkssuppen kochen. Daß wir die Stille und Abgeschlossenheit unseres Parkes verteidigen, ist Todsünde — es versteht sich von selbst, daß wir die hoffnungsvolle Schuljugend direkt unter unseren Fenstern turnen und lärmen lassen etc., und wenn wir nicht brav sind und schön folgen, da stellt er uns ein Gespenst vor die Thür.« — Sie lachte kurz und hart auf. »Uebrigens verrechnet sich solch ein Menschenfreund mit seinen Sympathien ganz gewaltig. Sollte es wirklich zu dem geweissagten Zusammenstoß kommen, dann wird das Gespenst mit ihm ebenso kurzen Prozeß machen wie mit uns auch.«

      »Ich habe nicht viel zu verlieren,« sagte der Doktor mit einem halben Lächeln.

      Flora kam raschen Schrittes herüber. Ihre Löckchen flogen und die schwere Samtschleppe fegte den Marmorfußboden.

       »O, seit heute morgen darfst du das nicht mehr sagen, Bruck,« entgegnete sie beißend. »Bist ja Hausbesitzer geworden, wie mir Moritz mitteilte. Allen Ernstes — hast du wirklich deine Drohung von gestern wahr gemacht und die entsetzliche Baracke drüben am Flusse erstanden?«

      »Meine Drohung

      »Nun, anders kann ich's doch nicht nennen, wenn du mir ein solches Schreckbild für die Zukunft hinstellst? Du hast, wie du es gestern selbst bezeichnet, deine Ersparnisse in einem Grundstücke angelegt, das für mich das Nonplusultra der Einöde, der Aermlichkeit und der abstoßenden Häßlichkeit ist. Zur Augenweide allein hast du doch das Kleinod unmöglich an dich gebracht, und deshalb frage ich dich ernstlich: Wer soll darin wohnen?«

      »Du brauchst es mit keinem Fuße zu betreten.«

      »Das werde ich auch niemals — darauf kannst du dich verlassen. Eher —« Es war ein schwer zu enträtselnder Blick, mit welchem der Doktor unterbrechend die Hand hob, aber dieser verdunkelte Blick hatte etwas so gewaltig Zwingendes, daß der rote Mund des schönen Mädchens unwillkürlich verstummte.

      »Ich habe das Haus für meine Tante bestimmt und werde nur ein Zimmer für mich reservieren, das mir für meine freien Stunden einen ungestörten Arbeitswinkel im Grünen bietet,« sagte er gleich darauf weit ruhiger, als man nach seinem vorherigen Gesichtsausdrucke hätte erwarten können.

      »Ah, viel Vergnügen dazu! Also ein spezielles Sommerasyl! — Und im Winter, Bruck?«

      »Im Winter werde ich mich mit dem grün tapezierten Zimmer begnügen müssen, das du in unserer zukünftigen Wohnung selbst für mich bestimmt hast.«

      »Aufrichtig gestanden — ich mag die Wohnung nicht mehr. Gerade um dieses Eckhaus tost der Straßenlärm unaufhörlich und wird mich stören, wenn ich arbeiten will.«

      »Nun, dann werde ich dem Hauswirte Abstandsgeld zahlen und eine andere suchen,« entgegnete er mit unerschütterlichem Gleichmut.

      Flora wandte sich achselzuckend von ihm weg und zwar so, daß Käthe ihr voll ins Gesicht sehen konnte. Fast schien es, als stampfte die Braut den Boden. Sie warf den Kopf in den Nacken und sah mit einem Augenaufschlage nach der Zimmerdecke, als ob sie verzweifelt ausrufen wollte: »Gott im Himmel, ist ihm denn gar nicht beizukommen?«

      In diesem Augenblicke schellte die Präsidentin so stark, daß das Geklingel scharf und anhaltend vom Ende des langen Korridors hereindrang. Die alte Dame sah streng und beleidigt aus — in ihrem Beisein durfte es zu solchen taktlosen Auseinandersetzungen nicht kommen. »Du magst nicht gerade vorteilhaft über die Gastfreundschaft und den guten Ton im Hause deines Schwagers denken, Käthe,« sagte sie zu dem jungen Mädchen. »Man hat dir weder die Reisejacke abgenommen, noch einen Stuhl zum Niedersetzen angeboten; statt dessen mußt du, gleichviel ob du Lust hast oder nicht, unnütze Erörterungen anhören und auf dem kalten Steinfußboden stehen, während dort die dicken, warmen Teppiche liegen.« Sie zeigte nach den zwei entgegengesetzten Zimmerecken, welche Gruppen von Polstermöbeln und in der That kostbare, schwellende Smyrnateppiche ausfüllten, dann gab sie dem eintretenden Bedienten Befehle für die Hausmamsell hinsichtlich der schleunigen Instandsetzung einiger Gastzimmer.

      Damit war die atemlose, herzbeklemmende Spannung gelöst, welche sich bei dem zugespitzten Wortwechsel der Zuhörenden bemächtigt hatte. Der Kommerzienrat beeilte sich, der Angekommenen das Jackett abzunehmen, und Henriette verließ mit einer tiefen Fieberglut auf den eingefallenen Wangen den Wintergarten, um ihre Taube fortzutragen.

      »Wollen Sie nicht zum Thee bleiben, Herr Doktor?« fragte die Präsidentin den Arzt, der sich abschiednehmend vor ihr verbeugte. Er entschuldigte sich mit einigen Krankenbesuchen, die er noch zu machen habe — Gründe, bei welchen es sarkastisch um Floras Lippen zuckte, aber das schien er nicht zu bemerken; er reichte ihr die Hand, ebenso dem Kommerzienrate, vor Käthe aber neigte er sich ritterlich ehrerbietig, durchaus nicht wie vor einer jungen, neuen Schwägerin; für ihn war und blieb sie vorderhand das Mädchen aus der Fremde und die anderen schienen diese Auffassung ganz in der Ordnung zu finden ... Mit ihm zugleich verließ Henriette das Zimmer.

      »Hör' mal, Flora, für künftig verbitte ich mir dergleichen unerquickliche Szenen, wie wir sie eben mit ansehen mußten,« sagte die Präsidentin stirnrunzelnd mit sehr verschärfter Stimme, nachdem sich die Thür hinter den Hinausgehenden geschlossen hatte. »Du hast dir die vollkommene Freiheit gewahrt, auf dein Ziel loszusteuern, wie es dir paßt und gefällt — gut — von meiner Seite ist dir bisher nicht das geringste in den Weg gelegt worden, aber ich protestiere energisch, sobald du Lust zeigst, die widerwärtige Sache vor meinen Augen auszufechten. Wie gesagt, ich verbitte mir das ernstlich! Soll ich dir wiederholen —«

       »Liebe Großmama,« unterbrach sie die junge Dame persiflierend und verächtlich, »wiederhole nicht! ... Du willst doch nur sagen: ‚In diesem Hause kann gemordet werden; es kann brennen — gleichviel, wenn nur die Frau Präsidentin Urach leuchtend wie ein Phönix aus der Asche hervorgeht‘ ... Pardon, Großmama! Ich will es in meinem ganzen Leben nicht wieder thun. Das Haus ist ja groß genug; man kann auch außer deinem Gesichtskreise auf die Mensur gehen. Ach, wenn es mir nur nicht so entsetzlich schwer gemacht würde! Ich fürchte, eines schönen Tages verliere ich doch die Geduld —«

      »Flora!« rief der Kommerzienrat mit einer Art von bittender Mahnung.

      »Schon gut, mein Herr von Römer! Ich habe selbstverständlich jetzt auch Rücksicht auf deine neue Standeswürde zu nehmen. Gott, was alles lastet auf meinen armen Schultern! Und womit verdiene ich die Heimsuchung, daß sich die Herzen wie die Kletten an mich hängen?«

      Sie griff nach ihrem Hute und nahm die Samtschleppe auf, um zu gehen; vor Käthe hielt sie den Schritt an.

      »Siehst du, mein lieber Schatz,« sagte sie und legte der jungen Schwester den Zeigefinger unter das

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