Das Heideprinzeßchen. Eugenie Marlitt

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Das Heideprinzeßchen - Eugenie  Marlitt

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Herren Heinzens Bemerkung nicht gehört hatten. Mit den »phönizischen Anführern« waren zwei zündende Funken in die Seele des Professors gefallen. Offenbar ein Gegner dieser Hypothese, verfocht er seinen Standpunkt in leidenschaftlich heftiger Rede, welcher der junge Mann mit pflichtschuldiger Aufmerksamkeit folgte.

      Der Herr im braunen Hut dagegen beteiligte sich weniger an den gelehrten Auseinandersetzungen. Ruhigen Schrittes wandelte er auf und ab. Er sah lange in das aufgebrochene Hünengrab; später bestieg er den Hügel und übersah die weite Ebene.

      Inzwischen war die lodernde Abendröte erblaßt und sank am Horizont in tiefvioletten Tinten zusammen; nur an dem langen dünnen Wolkenstreifen, der sich wie ein dräuender Arm über die entweihte Totenstätte reckte, lief noch ein rötlicher Hauch hin. Der falsche Flitter eines vergänglichen Schauspiels verflog, und droben breitete sich wieder der ernste Himmel in verdunkeltem Blau. Nun trat auch die bleiche Mondsichel, dieser scheinbare Nebelfleck, den das allgemeine Glutmeer völlig verschlungen hatte, wieder hervor und fing an, sich schwach golden zu färben.

      Der Herr auf dem Hügel zog seine Uhr hervor.

      »Es ist Zeit zum Aufbruch!« rief er hinab. »Wir brauchen eine volle Stunde, ehe wir den Wagen erreichen.«

      »Ja, Onkel, leider Gottes eine starkgemessene Stunde!« antwortete der junge Mann. »Ich wollte, wir hätten dieses verwünschte Heidegestrüpp bereits hinter uns,« sagte er mit einem Blick auf seine feinbekleideten Füße mißmutig zu dem Professor, der seine Rede unter einem nachdrücklichen »Eh, wir werden ja sehen!« eiligst geschlossen hatte. »Müssen wir wirklich auf dem heillos schlechten Wege wieder zurück?«

      »Ich weiß keinen besseren!« versetzte achselzuckend der Gelehrte.

      Der Andere ließ seine Augen finster über die weite Fläche hingleiten.

      »Es ist so still, die Heide liegt

       Im warmen Mittagssonnenstrahle« –

      Der Professor sagte kein Wort. Er schob nur den jungen Mann um einige Schritte seitwärts, dahin, wo die Lehne des Hügels rasch abfiel, faßte ihn an den Schultern und ließ ihn über den Hügel hinweg nach Süden sehen.

      Dort lag der Dierkhof. Sein festes, schweres Dach, mit der Heidegarnitur unter jeder Ziegelreihe, hob sich stattlich inmitten vier mächtiger Eichen. Kräftige Rauchwolken, an brodelnde Töpfe auf dem wohlbesetzten Herd erinnernd, wirbelten durch die Aeste und zerflossen in der weichen Sommerluft, hoch über der schwarzweißen Frau Störchin, die, die nackten Beine im Reisernest, nachdenklich den roten Schnabel über die helle Brust hängen ließ. Es war noch hell genug, daß man das tiefe Grün der sorgfältig gepflegten Rieselwiesen und ein schwaches Glimmen hinter der Garteneinhegung erkennen konnte – es sah aus, als sei dort ein Widerschein des farbensprühenden Abendhimmels liegen geblieben – das waren Ilses Lieblinge, die dickköpfigen, orangegelben Ringelblumen … Und da trabte eben auch Mieke, jedenfalls sehr satt und sehr gelangweilt, auf eigene Faust heimwärts. Sie blieb einen Augenblick dumm und faul vor dem gastlich offenen, hochgewölbten Hausthor stehen und besann sich, ob sie hineingehen solle – dies prächtige Tier vervollständigte das Bild ländlicher Wohlhabenheit.

      »Sieht das aus, als ob schwachsinnige Troglodyten dort hausten?« fragte lächelnd der Professor. »Und kommen Sie in einem Monat wieder, wenn die Heide blüht, wenn sie purpurn flimmert und schimmert! Dann ist sie märchenhaft! Noch später aber trieft sie von flüssigem Gold, von dem Golde des Honigs – und was wollen Sie? Das ›ausgestoßene Kind Gottes‹ schmückt sich wie ein Königstöchterlein – viele der kleinen dunkeln Heidebäche, wie Sie dort drüben einen sehen, haben Perlen.«

      »Ja, Milliarden Wasserperlen, die ins Meer fließen!« lachte der junge Herr.

      Der Professor schüttelte ungeduldig den Kopf. Ich hatte ihn auf einmal herzlich lieb den Mann, trotz seines vertrockneten Gesichts, seiner vielen Fremdwörter und der häßlichen, rasselnden Blechbüchse auf dem Rücken. Er verteidigte ja meine Heide, er hatte mit wenigen Worten den ganzen Zauber und Segen, den sie atmete, zur Geltung gebracht. Der junge Spötter mit dem verächtlich lächelnden Munde aber, der mir mit jedem seiner Worte auf das Herz trat, er mußte beschämt werden. Ich weiß noch heute nicht, woher ich den Mut nahm, aber ich stand plötzlich an seiner Seite und hielt ihm schweigend die Hand hin, in der fünf Perlen lagen.

      Mir war, als sei ich auf glühende Kohlen getreten; ich fühlte, wie mir die Lippen zitterten vor Scheu und Angst, und meine Augen hingen fest am Boden. Es wurde dunkel um mich her, man umringte mich; der Herr, der inzwischen vom Hügel niedergestiegen war, die Arbeiter, alle kamen heran, und neben mir sah ich Heinzens riesenhafte Schuhe.

      »Na, nun sehen Sie ‘mal, Herr Claudius, das Kind da will Sie überführen! … Brav, mein Töchterlein!« rief überrascht und vergnügt lachend der Professor.

      Der junge Herr sagte kein Wort. Vielleicht war er erstaunt über die Dreistigkeit, mit der sich das Kind der Heide im groben Leinenhemd und kurzen Wollröckchen neben ihn stellte. Langsam, ich meinte, mit Widerwillen griff er herüber – und jetzt erschrak ich erst recht bis ins Herz und schämte mich. Unter diesen elfenbeinweißen schlanken Fingern mit den mattglänzenden Nägeln erschien meine sonnenverbrannte Hand völlig kaffernbraun; sie zuckte unwillkürlich zurück, und um ein Haar hätte ich die Perlen verschüttet.

      »Wahrhaftig, sie sind noch nicht durchbohrt!« rief er und ließ zwei der winzigen Kügelchen über seine Handfläche rollen.

      »Form und Farbe lassen freilich viel zu wünschen übrig – sie sind sehr grau und unregelmäßig,« entschuldigte der Professor. »Es sind eben kleine Barockperlen ohne sonderlichen Wert; aber sie bleiben immerhin eine interessante Erscheinung.«

      »Ich möchte sie gern behalten,« sagte der junge Mann; das klang wie eine höfliche Bitte.

      »Nehmen Sie,« antwortete ich kurz, ohne aufzusehen; ich meinte, man müsse in jedem Wort mein Hasenherz klopfen hören.

      Er las behutsam die übrigen Perlen von meiner Hand auf, und jetzt sah ich, wie der Herr im braunen Hut, der vor mir stand, ein glänzendes Gewebe, in welchem es leise klirrte, aus der Tasche zog.

      »Hier, mein Kind,« sagte er und legte mir fünf große, runde, hellglänzende Stücke in die Hand

      Zu ihm schlug ich die Augen auf. Ich sah eine breite Hutkrempe, die das halbe Gesicht verdeckte, dann kam eine große blaue Brille, von der ein leichenhafter Schein auf die Wangen fiel.

      »Was ist das?« fragte ich, bei aller Befangenheit doch ergötzt durch das Geflimmer und die Form der fremdartigen Dinge.

      »Was das ist?« wiederholte der Herr erstaunt. »Wissen Sie denn nicht, was Geld ist, kleines Mädchen? Haben Sie noch keinen Thaler gesehen?«

      »Nein, Herr, das weiß sie nicht,« antwortete Heinz mit väterlicher Autorität für mich. »Die alte Frau leidet kein Geld im Hause; was sie findet, wirft sie ohne Gnade in den Fluß.«

      »Wie! … Und wer ist denn diese seltsame alte Frau?« fragten die drei Herren fast zugleich.

      »Nu, dem Prinzeßchen seine Großmutter.«

      Der junge Mann lachte laut auf. »Diesem Prinzeßchen?« fragte er und zeigte auf mich.

      Ich ließ die Silberstücke auf den Boden hinrollen und entfloh … Böser, böser Heinz! … Aber warum hatte ich ihm auch die Geschichte von der überaus zarten und feinen Prinzessin auf dem Erbsen-Prüfstein erzählt!

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