Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning
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Aelia
die Kämpferin
Marion Johanning
edition oberkassel
2016
Für meine Tochter Nina
Teil I
Treveris
Treveris, im Jahre des Herrn 441
Das Haus des Händlers Dardanus in Treveris sah von außen nicht ungewöhnlich aus. Klein und schlicht schmiegte es sich in eine Reihe weiß verputzter Häuser, die sich die Anhöhe zum Palastviertel hinaufzog. Das rote Ziegeldach war verwittert, und es besaß nichts an Verzierungen, die auf den Reichtum seines Besitzers hingedeutet hätten. Wenn man aber das Haus betrat, dann fiel einem sofort der kostbare Fußboden der Eingangshalle auf, dessen weiße Marmor- und graue Schiefersteine sich wie auf einem Schachbrett abwechselten und jedem zeigten, dass der Besitzer des Hauses kein armer Mann war.
Doch der Sklave des Marcellus, an die marmornen Wandverkleidungen und bunt bemalten Holzdecken der Villa seines Herrn gewöhnt, beachtete den Fußboden nicht, nachdem er das Haus betreten hatte. Er streifte die lindgrün bemalten Wände mit ihren geometrischen Mustern nur mit einem flüchtigen Blick und ließ das wuchtige Holzkreuz, das für alle Hereinkommenden unübersehbar an einer Wand hing, links liegen, als er sich zum Hausherrn führen ließ. Er hatte es eilig. Sein Herr erwartete noch heute die Antwort auf eine wichtige Frage.
Dardanus empfing ihn in seinem Arbeitszimmer, wo er hinter seinem Schreibtisch aus Kirschbaumholz saß.
»Salve, Vortrefflicher.«
Marcellus’ Sklave verneigte sich steif und nicht zu lang; bei vielen anderen Herren in der Stadt wäre seine Begrüßung herzlicher ausgefallen, aber nicht bei diesem Mann, dem man nachsagte, er habe sein Geld auf unredliche Weise verdient. Es hieß, Dardanus würde Handel mit Waisenkindern betreiben, und das missbilligte der Sklave des Marcellus aus tiefstem Herzen. Kurz und knapp brachte er deshalb den Wunsch seines Herrn vor und verzog keine Miene, wodurch er dem Händler seine ganze Verachtung zeigte. Aber diesen schien es nicht zu stören, er bemerkte es nicht einmal.
»Was bringst du mir Schönes?«, fragte er in jenem herablassenden Ton, mit dem die Herren oft Sklaven anzureden pflegten, um sich dann zurückzulehnen und in langes Schweigen zu verfallen.
Er wog den Beutel mit den Münzen, den der Sklave ihm gegeben hatte, in der Hand.
Marcellusʼ Sklave schwieg. Er hatte abzuwarten, bis Dardanus ihm seine Antwort mitteilte; jedes weitere Wort wäre unhöflich gewesen und stand ihm nicht zu. Er heftete seinen Blick auf die Wandbemalungen – ein Gartenteich auf ockerfarbenem Grund, umgeben von Pflanzen und Wasservögeln. Ein schlichtes, zu ungelenk gemaltes Bild, fand der Sklave, der die filigranen Wandmalereien im Hause seines Herrn gewöhnt war. Solche Malereien besaßen nur Männer wie Dardanus, die teure, unbegabte Maler beauftragten, aber nichts von wirklicher Kunst verstanden. Er starrte missbilligend auf die schwere Silberschale, die auf dem Schreibtisch stand. Mochte dieser Mann noch so viel teures Gerät besitzen – es war alles nur die Protzerei eines Wichtigtuers, auf dessen Antwort er, der Sklave des vornehmsten Mannes der Stadt, leider zu warten gezwungen war.
Von den Gedanken des Sklaven ahnte Dardanus nichts, und selbst wenn, sie hätten ihn kaum gekümmert. Nachdenklich saß er in seinem Sessel, während die Strahlen der Morgensonne durch ein Fenster hereinfielen und ihm den Rücken wärmten. Er liebte diesen Raum. Morgens, wenn er hier arbeitete oder Besucher empfing, fiel das Sonnenlicht vom Innenhof herein, und nachmittags fand er hier die nötige Abgeschiedenheit, um seine Geschäfte in Ruhe zu überdenken. Nun musste er eine schwierige Entscheidung treffen, ausgerechnet nach einer Nacht, in der er wegen eines zu üppigen Mahls am Abend zuvor schlecht geschlafen und wirr geträumt hatte.
Marcellus war nicht nur der reichste Mann der Stadt, sondern auch Dardanusʼ bester Kunde. Deshalb konnte er es sich erlauben, ihn zur Eile zu drängen. Aber Dardanus hasste das. Es betrübte ihn, eine Entscheidung von so großer Tragweite in so kurzer Zeit treffen zu müssen.
Nachdenklich wog er wieder den Lederbeutel mit den Münzen in seiner Hand. Ein Blick auf das schimmernde Silber darin hatte ihm gereicht, um festzustellen, dass es sich um ein äußerst verlockendes Angebot handelte. Er wusste es, auch ohne sich die Mühe gemacht zu haben, seine Kosten auszurechnen. Er wäre ein Narr, wenn er es nicht annehmen würde. Nicht nur das Geld wäre dann seins, sondern im Falle eines Sieges auch der Erlös aus den Wetten. Selbst bei einer Niederlage wäre das mehr Geld, als er an Aufwendungen für das Mädchen gehabt hatte. Ein sicheres Geschäft also.
Aber Dardanus zögerte. Er maß den Sklaven, der vor ihm ausharrte, mit einem langen Blick. Er freute sich nicht über das Angebot. Das schlechte Gefühl in seinem Magen, das nicht nur vom reichlichen Essen kam, verstärkte sich. Etwas stimmte nicht.
Nicht dass er Mitleid mit dem Mädchen gehabt hätte. Es würde andere geben, dafür hatte er bereits gesorgt. Was ihn beunruhigte, war die Eile. Wenn Marcellus ihn so drängte, dann fürchtete er wahrscheinlich, dass Dardanus nach längerer Überlegung noch mehr für das Mädchen fordern könnte. Es bedeutete, er hielt es in Wahrheit für noch wertvoller.
Diese Erkenntnis versetzte Dardanus in Erstaunen. Wenn Marcellus das Mädchen für noch wertvoller hielt, würde er es früher oder später unbedingt haben wollen. Er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass Marcellus immer nur mit dem Besten zufrieden war. Seine Gastmähler genossen den Ruf des Besonderen und Erlesenen, und die Reichen der Stadt rissen sich darum, von ihm eingeladen zu werden. Wenn er das Mädchen haben wollte und so viel dafür bot, dann glaubte er, dass sie die beste Wahl war.
Dardanus räusperte sich. Es kostete ihn große Überwindung, Marcellusʼ Sklaven den Beutel zurückzugeben.
»Sag deinem Herrn, ich danke für sein Angebot. Aber es ist zu wenig für ein Mädchen mit so großartigen Fähigkeiten. Erhöht er um die Hälfte seines Gebotes, wäre ich einverstanden. So aber muss ich leider ablehnen.«
Kaum hatte er seine Forderung ausgesprochen, wollte Dardanus die Worte in seinen Mund zurückholen. Jetzt hatte er wahrscheinlich einen Preis genannt, der selbst für einen so reichen Mann wie Marcellus zu hoch war, und eine gute Gelegenheit verpasst, das Mädchen zu verkaufen.
Nun – es war geschehen. Er konnte es nicht mehr ändern und durfte sich nichts von seinen Bedenken anmerken lassen. Mit einer in den Jahren undurchschaubar gewordenen Miene sah er den Sklaven an und nickte ihm zu, während dieser den Beutel mit einem ebenso undurchschaubaren Gesichtsausdruck zurücknahm und sich vor ihm verneigte.
»Wie Ihr wünscht, Vortrefflicher.«
Mit diesen Worten verließ der Sklave das Arbeitszimmer. Nachdem der schwere Vorhang hinter ihm zugefallen war, blieb Dardanus nachdenklich zurück. Sein Magen schmerzte. Er erhob sich, starrte auf die Wandbemalung und beobachtete, wie die Sonnenstrahlen auf den Gartenteich fielen und ein paar Fische darin aufleuchten ließen, die sonst nicht zu erkennen waren. Ein großer Künstler war das, der so etwas malen konnte.
Dardanus rief nach seinem Haussklaven.
»Hol Sarus«, befahl er dem hereintretenden Mann. »Ich muss mit ihm reden.«
Kapitel 1
Im hinteren Teil des Hauses,