Blockbuster. Stefan Lüddemann
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Verlagslektorat: Regina Dorneich | Verlagsherstellung: Jennifer Seefeld | E-Book-Produktion: LVD GmbH, Berlin | © 2011 Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, und Autor | Erschienen im / Published by Hatje Cantz Verlag, Zeppelinstraße 32, 73760 Ostfildern, Tel. +49 711 4405-200, Fax +49 711 4405-220, www.hatjecantz.de | ISBN 978-3-7757-3204-8 (E-Book), ISBN 978-3-7757-2976-5 (Print) | Made in Germany | Für externe Links können wir keine Haftung übernehmen. Die Inhalte der verlinkten Seiten sind ausschließlich von deren Betreiber zu verantworten.
Stefan Lüddemann
Blockbuster
Besichtigung eines Ausstellungsformats
Für Françoise
sowie
Fritz, Gisela, Maurice, Paule
Einleitung: Blockbuster – ein Ausstellungsformat und seine Konjunktur
Blockbuster: Dieses Schlagwort hat die Kunstszene nicht nur erreicht, das mit dieser Vokabel bezeichnete Format nimmt im Kunstgeschehen auch längst einen prominenten Platz ein. Blockbuster-Ausstellungen präsentieren die wertvollsten Bilder wie Showstars, sie stützen ihre Sogwirkung mit professionell gelenktem Marketing ab, sichern ihre Etats durch Zuwendungen potenter Sponsoren, ziehen ein Millionenpublikum in ihren Bann. Diese Megaformate1 unter den Kunstausstellungen beeindrucken als Kulturevents von atemberaubender Strahlkraft. Zugleich ziehen sie Kritik auf sich. Die Einwände: Blockbuster machen aus der Kunst eine Ware für den Kulturtourismus, sie verwandeln Museen in Eventzonen, verfälschen Ausstellungen zu Argumenten im Standortmarketing, verengen die Wahrnehmung von Kunstgeschichte auf die immer gleichen Stars der klassischen Moderne. Blockbuster bieten Kunst als bloße Kulinarik, verflachen sie zum Warenangebot. »Bei populären Ausstellungen kommt man sich allzu oft wie am Wühltisch eines Kaufhauses vor«,2 hieß es schon vor Jahren kritisch im Feuilleton.
Gegen solch abwertende Einschätzung steht der sichtbare Erfolg der Blockbuster, der Kunst und Museen für das große Publikum erschlossen und so ganz neu ins Spiel gebracht hat. Die Publikumsausstellungen zeigen, dass eine Kunst von breitem Interesse sein kann, die zuvor als Angelegenheit weniger Kenner angesehen wurde. Mitten in der Pop- und Massenkultur begeistern sich viele Menschen für einzigartige Kunstwerke, deren besondere Ausstrahlung sie im Museum genießen wollen. Genau das machen die großen Publikumsausstellungen möglich. Dass sie das besondere Erlebnis versprechen und zugleich den Besucherstau produzieren, die Exklusivität der Kunst herausstellen und sich zugleich mit großen Shops teilweise in Verkaufsareale verwandeln, gehört zu den Widersprüchen des Formats. Prominente Kunstexperten sind sich ohnehin nicht einig, wenn nach den Schwergewichten unter den Ausstellungen gefragt wird. »Bei Blockbustern geht es nur um Quote, wie im Fernsehen«, stöhnt Manfred Schneckenburger, Leiter der Documenta 6 (1977) und 8 (1987). Sein Kollege Jan Hoet, Leiter der Documenta 9 (1992), hält dagegen: »Wie kommt man zur Kunst? Durch Großausstellungen.«3 Vielleicht liegt gerade in solchen Kontrasten eine Erklärung für die Dynamik des Blockbusters. Seit Jahren schreibt er mit seinen verschiedenen Ausprägungen eine durchschlagende Erfolgsgeschichte der Kunst. Allein das rechtfertigt ein Interesse, das über kulturkritische Besserwisserei hinausgeht.
Als Staubsauger der vor allem medial organisierten Aufmerksamkeit beansprucht der Blockbuster allerdings auch eine durch nichts beeinträchtigte Geltung. Die beste Kunst, die größten Etats, die meisten Besucher: Dieses Ausstellungsformat funktioniert nur als Superlativ; seine Erscheinungsform vereint kompakte Präsenz mit unwiderstehlicher Dynamik, es bezieht Kraft aus einer scheinbar durch nichts irritierten Selbstbezüglichkeit. Blockbuster ziehen den Diskurs ebenso auf sich wie erhebliche Erwartungen – gerade die der Kulturpolitik, die die Megaausstellungen der Kunst als Kraftturbinen für das Standortmarketing entdeckt hat.
Blockbuster fordern Platz in den Museen – etwa den von Schausammlungen, die für die Dauer einer großen Publikumsausstellung weichen müssen, damit installiert werden kann, was dem Format entspricht: nicht allein die obligatorische Folge von Meisterwerken der Kunst, sondern auch ein vergrößertes Entree, Garderoben mit hinreichendem Fassungsvermögen, Ausleihstationen für Audioguides, Treffpunkte, an denen sich Gruppen sammeln, Cafés, Räume mit Filmpräsentationen, der eigens für den Anlass erweiterte Museumsshop. Blockbuster sind schon in ihrer äußeren Anmutung immer mehr als bloße Kunstausstellungen – sie beeindrucken als perfekt organisierte Dienstleistungsunternehmen mit einer Kunstausstellung in ihrem Zentrum.
Sie beziehen ihre Energie allerdings auch zusätzlich aus mehreren, seit Jahren andauernden Trends, die Kunst in das Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit gebracht haben. Erstens sind einstige Avantgarden längst als klassische Moderne kanonisiert. Was vormals als Provokation verstörte, setzt einen neuen Standard, auch des Geschmacks. Künstler und ihre Werke sind zu Stars avanciert. Zweitens hat der seit Jahren laufende Museumsboom nicht nur zu immer neuen Gründungen von Kunstmuseen geführt. Museumsbauten sind im Zeichen einer Label-Architektur selbst zu Aufregern geworden.4 Drittens sorgen Rekorderlöse bei Kunstauktionen für Aufsehen. Vor allem Werke von Künstlern, die für Großausstellungen der Kunst erste Wahl sind, stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses.
Kunstkanon, Starkünstler, Museumsbauten, Rekordauktionen: Auf diese Stichworte reduziert, zeichnet sich eine Struktur ab, die einem Ausstellungsformat wie dem Blockbuster immer neue Energien zuführt – und sie umgekehrt auch von ihm wiederum bezieht. Dieses Kunstgeschehen entfaltet vor allem beträchtliche mediale Wirkung und ist damit für Sponsoren interessant. Mit ihren Geldmitteln fördern sie Blockbuster nicht nur, Sponsoren ermöglichen diese Großprojekte oft überhaupt erst. Kein Wunder: Blockbuster machen weit reichende Kommunikation möglich, sie erschließen ein für Sponsoren wichtiges Zielpublikum, vermitteln eine Aura der Kostbarkeit und des Prestiges, von medialem Glanz ganz zu schweigen. Mit diesem Format funktioniert der monetäre wie der symbolische Werte- und Krafttausch auf effiziente Weise.
Der Blockbuster kommt nicht allein kompakt daher, er besitzt auch die Tendenz zur rückhaltlosen Expansion. Wer heute über Kunstausstellungen spricht, scheint vorrangig dieses Format zu meinen. Andere Formen der Kunstpräsentation haben Mühe, sich gegen die ganz großen Formate zu behaupten. Gerade die als Dauerausstellungen präsentierten Sammlungen der Museen wirken für viele Besucher im Vergleich nicht aufregend genug. Und die zeitgenössische Kunst kann nicht mit der überzeitlich anmutenden Bedeutung für sich werben, die gerade die klassische Moderne als beliebtestes Thema der Blockbuster gegenwärtig geradezu selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen darf. Was also bleibt außer dem uneingeschränkten Lob des Blockbusters?
Natürlich steckt in dieser Frage ein Signal des Protests. Dieser Protest richtet sich zunächst gegen die dem Blockbuster eingeschriebene Tendenz, die Frage nach seiner Berechtigung mit der schieren Präsenz seiner imposanten Erscheinung zur Seite zu schieben. Die großen Publikumsausstellungen in der Kunst sind geradezu im Übermaß gegenwärtig und erscheinen im gleichen Augenblick seltsam undurchschaubar. Es scheint, als blende ihr Glanz den analysierenden Blick, als verschlucke der Chor der Stimmen einmütiger Zustimmung jede Frage nach dem, was den Blockbuster eigentlich ausmacht, worin das Geheimnis seiner durchschlagenden Wirkung liegt. Genau diese Wirkung, die sich vor allem in den bekannten Publikumserfolgen niederschlägt, verbietet inzwischen jedes bloß kulturkritische Lamento über die angeblich nur flachen, bloß auf Sensation und Marketing ausgerichteten Blockbuster-Ausstellungen.
Eine »Schonzeit für Bilder« forderte in diesem Kontext bereits 1998 die Kunstkritikerin Dorothee Müller und stellte die Frage, ob die Kunstwerke nicht vor den Blicken der Ignoranten geschützt werden müssten.5 Zwei Jahre zuvor hatte der Satiriker Robert Gernhardt verlangt, Besucher von Großausstellungen hätten, gleichsam als Zugangsberechtigung, zuerst einen »Kunstfreundschein«