Fähre VII. Hans Leip

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Fähre VII - Hans Leip

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      Hans Leip

      Fähre VII

      Roman

      Saga

      Gottes sind

      Wogen und Wind,

      aber Segel und Steuer

      sind euer.

      Hansischer Kernspruch

      1

      Es war so Mitte Sommer und eben morgens neun durch. Die elektrische Bumsorgel in der Weinkneipe Ecke Sibersackstraße und Reeperbahn begann zu zingeln, so früh es noch war. Der saftige Schlager behauptete sich mit schrillen Windflöten und dürren Schellentrommeln wacker gegen den Lärm der Straßenbahnen, Autos und das gewöhnliche brummelnde und wispernde Hafengetön, das über der ganzen Gegend lag. Aber auf einmal war der ganze Rummel zugedeckt. Ein ungeheurer Sirenenbaß drang durch die Balduinstraße herauf.

      »Das ist sie!« sagte der Wirtsmacker, der in Hemdsärmeln und Barschürze vor die Tür getreten war.

      »Ja, die Manhattan«, jappte Hauhau, der Zeitungsverkäufer, und blinzelte einen Strich hoffnungsvoller aus seinem Halswehtuch empor. Er hob seine bellende Stimme, als nun die gewaltige Dampfersirene schwieg, und sang zimpelhoch den Ruhm der Hamburger Morgenblätter in den englischen Walzer hinein, der da mitsamt dem säuerlichen Lokaldunst auf die Straße rieselte.

      »Ja, wenn ein Schiff kömmt, gibt’s Leben, und wenn’s auch bloß die Yankees sind«, knurrte Käptn Bauz gegen die dünnen Röhrenhosen des Friseurlehrlings, der mit schwankenden Trittstuhl den Bürgersteig versperrte und das neusilberne Beckenschild wienerte.

      Damit soll nicht gesagt sein, daß Käptn Bauz die Amerikaner nicht liebte, ihm waren die Seeleute aller Nationen gleich gute Kameraden. Aber er konnte nicht leiden, daß die Fahrwasser der Erde durch Friseurlehrlinge und Trittstühle versperrt werden. Immerhin war es harmlos, verglichen mit dem Tag, als die Manhattan zum ersten Male statt Bremen die elbische Schwesterstadt anlief. Da war die ganze Heerschar der Hafenschwalben von der Weserkante herübergeeilt, drei Eisenbahnwaggons voll, ihre schon gewohnte United States-Kundschaft wahrzunehmen. Solch auswärtige Konkurrenz aber ließen sich die Hamburger Strichliebchen nicht bieten. Sie hatten in geschlossener Phalanx den Zugang zur Fähre VII blokkiert, — und dann war ein wildes Amazonengetümmel entbrannt, wo mit Schirmen und Handtaschen aufeinander losgedroschen wurde, daß die Fetzen flogen. Käptn Bauz hatte das Schauspiel mitleidlos genossen, diese »Hunnenschlacht mit r«, wie er es taktvoll nannte, bis er schließlich, als einige Louis brutal eingriffen, die Polizei der Davidswache alarmiert, die dann mit einem Wasserwerfer das Feld leerfegte und der hansischen Ordnung Genüge tat.

      Nun war die Gegend so friedlich geschäftig, wie es allen Häfen der Welt ansteht. Ecke Silbersackstraße kniff Bauz die Augen auf Schärfe und peilte steif voraus in die lichte Breite der Reeperbahn, geradeswegs auf Mine Thormanns helles Haar, welch selbiges mangels anderer Sonne in diesem allgemeinen täglichen Hamburger Morgenwetter seine Runzeln mit eitel Licht zu füllen begann, zumal die Deern mit geradem Kurs auf ihn lossteuerte. Und er lüftete, nicht ohne Schwung, den dunkelgrünen weichen Landfeinhut.

      »Da komm ich hier längs und bauz seh’ ich dich«, lachte er behaglich. (Käptn Bauz hieß eigentlich höchst gewöhnlich Brandt, hatte seinen Namen jedoch bei allen guten Bekannten umgetauft erhalten in jenen von ihm häufig angewandten Ausdruck der Plötzlichkeit, der ihm zur kräftigen Unterstreichung seiner Berichte diente.)

      Mine stoppte mit einem munteren Aufschrei vor der deftigen Front Mensch, die Käptn Bauz ins Leben stellte.

      »Huch, was erschreck ich mich!« lachte sie. Ihr Gesicht war rundlich und taufrisch, ja, es war durchaus nett zu nennen, Mund und Zähne und die krallen Vergißmeinnicht-Augen und die ganze kleine gute Person, kräftig und biegsam zugleich, mollig und von gutem Schick an den gehörigen Stellen und dennoch alles in allem gesehen von ranker Linie wie »ein klein guten schnittigen Elbjollenkreuzer und Tourensegler im Vergleich zu den Kuffs und Fregatten gemeinlicher dickerer Sorte«, wie Käptn Bauz zu sagen pflegte.

      »Und allens gut bekommen?« fragte er sodann, indem er mit gewisser Zartheit seine ältliche, längst pensionierte und säuberlich gepflegte Pranke auf die von den Achselbändern einer schneeweißen Ladenschürze überschnittene hübsche Schulter zu bewegte.

      »Mein Geburtstag? Würd’ ich gern jeden Tag feiern«, antwortete Mines lustiger runder Mund. Ihre Stimme war so auf und ab wie ein singiger Wind, das hörten die alten Kapitänsohren gar zu gern.

      »Dann wärst du in einem Jahr älter als Methusalem.« Bauz lachte laut und kämmte seinen verwetterten Baß durch die grauen Knasterbartstoppeln, und indem er über die fragwürdige Betonung des biblischen Herrn rasch hinwegzugleiten gedachte, tippte er mit exotisch beringtem Finger in die Gegend von Mines Schürzentasche, woselbst sie ihre kleine feste lebenstüchtige Hand auffällig behutsam hingepreßt hielt.

      »Ich habe es gleich hingebracht, Onkel Käptn«, lächtelte Mine.

      »Oho, soso, du hast ihn bauz hingebracht, den schnöden Mammon? Schön, mein Mineküken! Sparsamkeit und Fleiß lohnt des Menschen Schweiß. Ich habe dir die zwanzig Märker geschunken, damit sie sich vermehren tun, womit du ja noch Zeit hast.«

      Käptn Bauz, im Grunde ein umfassend gebildeter Mann, hatte eine genießerische Art, das Hamburger Missingsch wie so ein richtiger Hafenlöwe daherzuquosen. Doch nun sah er plötzlich nachdenklich an Mines schmalen rosigen Hals vorbei auf ein paar allzu späte Nachtwandler, die, vom Tag überrascht, ungläubigen Blicks einer dem Gedächtnis langsam zurückdämmernden Heimat zuschwankten.

      »Und mündig bist du auch auf einmal seit gestern und gleichsam verlobt auch mit deinem Jonny«, senkte sich die alte Kapitänsstimme in eine unverhohlene Besorgnis hinab. Er griff über sich in die Luft, als wolle er in unübersichtlichem Gewässer ein Signal mit der Dampfpfeife geben.

      »Na, und?« lachte Mine hellauf und rieb die Füße aneinander, denn die niedlichen Schuhe, fast zu schade für den Alltag, waren auch ein Geburtstags- und Verlobungsgeschenk, gestiftet von Papa Thormann selber. Jedoch, jählings huschte eine Wolke über Mines Munterkeit. Ihre blanken Lippen erstarrten für eine Sekunde.

      Käptn Bauz entging diese Veränderung. Seine Aufmerksamkeit war genau wie die Mines auf einen Mann abgelenkt worden oder vielmehr auf dessen graue Melone, die in dieser Gegend ungewöhnlich war, obwohl hier die Kopfbedeckungen aller Nationen durchkamen, Abendland wie Morgenland und Übersee. Der Mann trug den Hut zudem weit in den Nacken gerückt. Er war klein, mit übermäßig breiten Schultern und hielt sich in den Hüften wie ein Seiltänzer. Er hatte im Vorübergehen einen unendlich traurigen und saugenden Blick auf Mines morgendliches Antlitz gelegt, nur kurz zwar, aber es war ihr auffälliger zu Bewußtsein gelangt als die vielen längst gewohnten wohlgefälligen Augen der Ladenkunden und Passanten sonst. Sie war nicht blind gegen ihre eigenen Annahmlichkeiten, sie fand sich selber ersprießlich, ohne viel darüber nachzudenken. Aber dieses Gesicht, das ihr in letzter Zeit verschiedentlich begegnet war, so bleich und schmal, die Wangen eingesogen, grau, hohl wie Aschenbecher, die Augen groß und messingfarben dunkel gleich zwei verbrauchten Groschenstücken, und dazu so überaus traurig und anheftend, dieses Gesicht war ihr unheimlich. Einmal hatte sie es zwischen andern Kunden flüchtig im Laden gesehen. Der Mann hatte grünen Salat gekauft. Ihr Vater hatte ihn bedient.

      »Nee, so’n Fatzke«, knurrte Käptn Bauz: »Ist der auch wieder da? Kann mir schon denken, der hat sein Geschäft auch mit der Manhattan wie die ganze Gegend hier, aber ich freß’n Möbelwagen mitsamt Stengel!«

      »Kennst

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