Der moderne Mann in unsicheren Zeiten. Thomas Tuma

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Der moderne Mann in unsicheren Zeiten - Thomas Tuma Dein Leben

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das Billy-Regal unter den Frauen: eher praktisch und preiswert. Auf jeden Fall besser als echte, große, mitunter schmerzhafte Gefühle. Und dazu heult Herr Dittberner seiner bemitleidenswerten Freundin auch noch von seiner Verflossenen vor, die ja drei Wolken-Kategorien besser war, aber sein »kleines Herz zerbombt« hat.

      Geht’s noch uncharmanter? Also lieber gar kein Risiko mehr eingehen im Leben? »Und aussehen tut er wie ein Tofu-Taler, dieser Herr Dittberner«, schimpft sich Herr K. vor seiner Frau in Rage. Sie stehen im Supermarkt bei den Tütensuppen, »Wolke vier« tropft sämig aus den Deckenlautsprechern. »Na ja, die Helden deiner Kindheit waren auch eher dubiose Kerle«, wirft sie ein. Er schaut sie fragend an, worauf sie antwortet: »Der Gitarrist von AC/DC rannte schon vor 30 Jahren in kurzen Schulhosen über die Bühne. Und die Jungs von Kiss sahen aus wie eine Mischung aus Billig-Geishas und Ruhrpott-Drag-Queens.« Ach, wie recht sie wieder hat!

      5.

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      ANGRY BIRDS

      IM SALES FUNNEL

      Es ist Abend, die Sonne schiebt sich blutrot hinter den Horizont, als Herr K. nach Hause kommt und von seinem sechsjährigen Sohn an der Tür empfangen wird: »Hi, Vati, wie war’s im Büro?« Schon klar, dass der Junior keine weitschweifige Antwort verlangt, denkt sich Herr K. Aber nur mal angenommen, er wäre jetzt mal richtig ehrlich – was würde er antworten?

      Dass er morgens schon in der Tiefgarage Frau Dr. Schwielow aus dem Vorstand vollschleimte, indem er ihr Gender-Projekt »Frau. Macht. Unterschied« enthusiastisch feierte, aber ihre zwischen Henna und Hornhaut changierende neue Haarfarbe lieber ignorierte, weil ein Kompliment da möglicherweise missverstanden worden wäre. Und für sexistische Ausfälle ist in seiner Abteilung definitiv Koslowski zuständig. Dann müsste er seinem Sohn aber auch erzählen, dass danach gleich ein Workshop anstand, bei dem ein Mittzwanziger aus dem digitalen Marketing viel über Adwords, Prerolls und Targeting-Kriterien erzählte. Und dass Herr K. nicht einmal ansatzweise verstand, wovon überhaupt die Rede war, als es auch noch um seinen »Sales Funnel« ging. Er wusste gar nicht, dass er einen hat. Den jungen Typen zu belächeln hätte er sich aber auch nur leisten können, wenn sein CEO dabei gewesen wäre, ein Endfünfziger, der seine drei Assistentinnen sogar die E-Mails ausdrucken lässt. Der Alte ist der Einzige, bei dem man mit digitaler Ignoranz noch Bonuspunkte sammeln kann.

      Apropos Bonuspunkte: Würde Herrn K.s Sohn es nicht endgültig missverstehen, wenn er seinen Vater während der nächsten Konferenz dann auf dem iPad »Angry Birds 2« spielen sähe? Es waren ja nur ein paar Runden beim strunzlangweiligen Vertriebs-Jour-fixe, und Herr K. kann sich wahnsinnig darüber aufregen, dass man das neue Spiel zwar umsonst bekommt, dann aber für irgendwelche virtuellen Kristalle dauernd Geld zahlen muss für Extraleben und …

      Nein, nein, das würde sein Sohn alles völlig falsch verstehen. Dann ihm lieber von den 67 Mails erzählen, die er heute bekommen hat. Okay, 45 waren Newsletter, deren Abbestell-Button er nicht findet. Sieben kamen von Kunden und konnten auch bis nach der Mittagspause warten. Neun weitere hätten Arbeit bedeutet, konnten aber wunderbar an Untergebene delegiert werden. Fünf kamen von seinem direkten Vorgesetzten. Die wurden natürlich mit Prio 1 beantwortet. Und eine mit dem »Betreff: Hochzeitstag« hat er gleich gelöscht, weil sie von seiner Mutter stammte. Und der Nachmittag? Soll Herr K. seinem Sohn wirklich von dieser üblichen Mischung aus Antreiben, Beschwichtigen, Schlau-Daherreden, Vertagen, Telefonieren, Drohen, Abwälzen, Verstecken, Wichtigmachen, in CC setzen, Hyperventilieren und Kaffeeholen erzählen?

      Er entscheidet sich gegen die Wahrheit und für ein übermüdetes »Du ahnst nicht, was bei mir wieder los war«. In dem Moment fegt Herrn K.s Frau hinter seinem Sohn vorbei und murmelt: »Genug, um deinen Hochzeitstag zu vergessen.«

      6.

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      BETRIEBSAUSFLUG

      IN DEN WIESN-WAHN

      Natürlich hätten sie es nicht tun müssen. Aber die Einladung kam aus der PR-Abteilung eines befreundeten Unternehmens, und schon waren Berger aus dem Marketing, Frau Doktor Schwielow aus dem Vorstand und Herr K. auf dem Weg zum Oktoberfest. Alle machen das mittlerweile: Sie laden entweder selbst zu dem Besäufnis ein oder werden eingeladen.

      Das ist umso erstaunlicher, als mittlerweile jedes Unternehmen mit geradezu hysterischem Eifer darauf bedacht ist, nur ja nicht in den Ruch zu kommen, allzu exzessive Spaßorgien zu unterstützen. Definitiv vorbei sind die Zeiten, als Ergo seine Außendienstler noch in Budapester Thermen einlud. Wobei Herr K. zugeben muss, dass er von diesen Zeiten überhaupt erst erfuhr, als ihnen durch die Enthüllungen ein brüskes Ende beschert wurde. Der wildeste Betriebsausflug in seiner eigenen Karriere ging ins Elbsandsteingebirge und wurde von einem greisen Mitglied des Schwäbischen Albvereins angeführt.

      Für Herrn K. und seine beiden Kollegen war der Wiesn-Betriebsausflug jedenfalls mit gewissen Missverständnissen verbunden: Herr K. glaubte, das sei Spaß. Frau Schwielow meinte, man könne in so einer Luxus-Loge unter ausdauernder »Das ist Waaahnsinn«-Beschallung mit bereits druckbetankten Managerkollegen über Joint-Venture-Pläne für ein kroatisches Logistikzentrum sprechen. Und Berger fand allen Ernstes, dass er in seiner Lederhose urig aussehe.

      Apropos Optik: Frau Doktor Schwielows durchaus vorhandenes Verständnis für einen gewissen Anpassungsdruck in puncto Wiesn-Outfit führte am Münchener Flughafen zu einer charmanten Szene: Im Leih-Dirndl erreichte die norddeutsche Akademikerin den Mietwagenschalter, wo sie mit einer sächsisch sprechenden Sixt-Kraft kollidierte, die ebenfalls Tracht tragen musste. Beiden fehle eine gewisse »Street Credibility«, flüsterte Berger. Ein frivoles Duo oberbayerischer Lebensfreude stellt man sich jedenfalls anders vor.

      Diese anfänglichen Defizite waren in der Käfer-Schänke schnell vergessen. Die gastgebende Firma ist im Maschinenbau zu Hause, wo ohnehin rustikalere Umgangsformen dominieren. Und so lobte der Erste schon nach einer halben Stunde Frau Doktor Schwielows … wie soll man das sagen … sekundäre Geschlechtsmerkmale? Wie sie es in diversen Deeskalations-Workshops gelernt hatte, suchte sie daraufhin die Waschräume auf, was ihr neuer Verehrer allerdings als Einladung missverstand.

      Das Finale des Abends fand später zweierlei Interpretationen: Frau Doktor Schwielow hält Herrn K. seither für einen ritterlichen Kollegen. Herr K. wollte den Verehrer nur am Arm vom Betreten der Damentoilette abhalten, als der in einer säuerlichen Pfütze ausrutschte und schwer atmend, wenn auch unverletzt liegen blieb.

      Über das Logistikzentrum reden jetzt andere. Herr K. hat indes wertvolle Bonuspunkte im großen Gender-Bingo kassiert. So doof findet er das Oktoberfest gar nicht mehr.

      7.

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      WAHRHEITEN IN

      WELLNESS-KATAKOMBEN

      Wer seiner Frau heutzutage etwas Gutes tun will, sollte ihr keinen Gutschein für ein Gesichtspeeling schenken. So etwas sorgt bisweilen für Missverständnisse, die sich nur schwer wieder ausräumen lassen. Der moderne Mann überrascht die moderne Frau pünktlich zu den Ferien eher mit einem »Wellness-Wochenende« – das

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