Das Günter-Prinzip. Stefan Frädrich

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Das Günter-Prinzip - Stefan Frädrich Günter, der innere Schweinehund

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so stark verdünnt sind, dass sich der Stoff faktisch nicht mehr darin nachweisen lässt? Das ist in etwa so, als würden Sie einen Tropfen Pipi mit zehn Olympiaschwimmbecken Wasser verdünnen. Und weil gemäß der HomöopathieIdeologie im Wasser dennoch eine Art Gedächtnis enthalten sein soll, »bewirkt« der Tropfen Pipi angeblich trotzdem irgendetwas. Junge, Junge! Wenn schon abwesende Moleküle so einen Effekt haben, möchte ich gar nicht daran denken, was anwesende alles anstellen …)

      Das Einzige, was sich bei esoterischen Methoden aber nachweisen lässt, ist der Placebo-Effekt. Den aber gibt es durchaus: Wer glaubt, bewirkt etwas – und zwar die Ausschüttung endogener Opioide und Dopamin im Kopf. Die machen, dass es uns besser geht: Wir fühlen uns gut, haben weniger Schmerzen oder Zweifel. Wir sind sozusagen gedopt. Und dadurch haben wir manchmal den Eindruck, ein Mittelchen helfe, obwohl es dafür gar keine Kausalität gibt! Das aber bedeutet etwas völlig Schräges: Wir können etwas nachweislich Wirres und objektiv Falsches tun und dadurch dennoch einen positiven und vielleicht sogar richtigen Effekt bewirken!

      Das Geheimnis

      liegt im Glauben an die

      Wirksamkeit

      So hat man zum Beispiel nachgewiesen, dass Akupunktur bei chronischen Rückenschmerzen weit hilfreicher ist als »echte« Schmerztabletten. Ja, mehr noch: Sogar Placebo-Akkupunktur ist den echten Schmerzmitteln überlegen! Wohlgemerkt: Akupunkturnadeln, die völlig willkürlich in die Haut gepiekst wurden, »halfen« im Versuch besser gegen Schmerzen als Mittel, die nachweislich die Schmerzintensität verringern. Warum? Weil es der Glaube an die Hilfe ist, der hilft. Die Hilfe entsteht somit im eigenen Kopf, ist also selbstgemacht. Besonders dann, wenn die »Geschichte« drum herum stimmt: die historische Story der Akupunkturmethode, die Nadeln, die Atmosphäre, die Zuwendung des »Therapeuten« zum Patienten – all das sind gewissermaßen Simulatoren für Glaubwürdigkeit. Wir werden zu Protagonisten einer konstruierten Wirklichkeit. Schon wieder. Und vor allem: Es hilft tatsächlich!

      Mit Geschichten drum herum »verkaufen« wir uns gewissermaßen selbst, woran wir glauben wollen. Die eigentliche Wertigkeit entsteht durch die Inszenierung. Essen Sie mal in einer schmuddeligen Autobahnraststätte ein Wiener Schnitzel. Auf den schlichten Tischen sind Krümel, der Fernfahrer am Nachbartisch reißt dreckige Witze und es riecht nach Bratfett. Und dann essen Sie das genau gleiche Wiener Schnitzel in einem liebevoll eingerichteten österreichischen Restaurant, das Ihnen in einem Gourmetführer empfohlen wurde. Die Tischdecke ist strahlend weiß, die Wände sind kunstvoll holzvertäfelt, ein Blumensträußchen und Kerzen stehen vor Ihnen. Ein sympathischer Kellner lässt Sie aus einer hochwertig anmutenden Speisekarte aussuchen und beherrscht perfekte Umgangsformen. Was glauben Sie: Wo wird Ihnen das Schnitzel mit Sicherheit besser schmecken – selbst wenn es in beiden Situationen absolut identisch ist? Die harten Fakten sind genau gleich, nur die suggestive Wirkung der Inszenierung drum herum unterscheidet sich – und bestimmt demnach unsere Interpretation.

      Erwünschte

      POSITIVE EFFEKTE

      Betrachten wir es mal positiv: Unterm Strich bedeutet das, dass wir eben doch die Welt im eigenen Kopf kreieren – obwohl unser Kopf nicht unbedingt eine Auswirkung auf die Umwelt haben muss. Wer Fußballspiele auf der Toilette verfolgt, beeinflusst das Torschießen nicht. Aber: Er hat den Eindruck, als beeinflusse er es. Und insofern kann es ihm auf der Toilette durchaus sehr gut gehen. So kann zum Beispiel auch Akupunktur wissenschaftlich betrachtet Unsinn sein – wenn Patienten daran glauben, steigen dennoch die Chancen auf positive Effekte. So hätte ich auch gar nichts dagegen, wenn die 20 Millionen Raucher in Deutschland alle eine Anti-Nikotin-Akupunktur machten. Denn: Wenn nur zehn Prozent daran glauben, könnten auf einen Schlag 200.000 frisch gebackene Nichtraucher entstehen! Wir täten etwas Richtiges, obwohl wir es wissenschaftlich betrachtet falsch machten.

      Womit wir wieder bei der Kausalität wären. Denn: Nicht die Akupunktur macht das Nichtrauchen. Sondern der Glaube daran, nun dank der Akupunktur nicht mehr rauchen zu müssen – und insofern nicht mehr zur nächsten Zigarette zu greifen, wodurch sich die nächste Nikotinzufuhr erübrigt, die nächste Synapsenirritation, die nächsten leichten Entzugssymptome und bald auch – dank neu gelernter Erfahrungen – die nächsten Stresszigaretten, Pausenzigaretten, Verdauungszigaretten und so weiter. Die Kettenreaktion des Rauchens wird endlich unterbrochen (die übrigens großenteils auch nur dadurch zustande kommt, dass wir an ihre Zwangsläufigkeit glauben). Dank der Akupunktur? Nein: Dank des Entschlusses zum Nichtrauchen! Die Akupunktur war nur eine Krücke …

      Noch einmal: Das bedeutet aber nur, dass unser Glaube an die Wirksamkeit irgendeines Handelns der eigentliche Grund für die Wirksamkeit ist! Wir glauben, also entsteht Opium im Kopf. Das macht uns stärker. Und wenn es etwas aktiv zu tun gibt, handeln wir nun – und bewirken somit, was wir ohne Glaube nicht bewirkt hätten, weil wir untätig geblieben wären! Glaube – Stärke – Handlung – Effekt! In dieser Reihenfolge läuft es also ab! Das aber bedeutet auch, dass im Endeffekt umso wichtiger wird, was wir mit unserem guten Gefühl tun – und nicht »nur«, woran wir zunächst glauben (was es also ausgelöst hat)! Denn wenn wir das Falsche glauben und das Richtige tun, begründen wir zwar die Effekte mit den falschen Ursachen, bewirken aber dennoch das Richtige.

      Das Richtige tun – egal, was wir

      glauben!

      Problematisch wird es zudem andersherum: Wenn wir zwar das Richtige glauben, aber das Falsche tun, bewirken wir rein gar nichts. Halten wir Akupunktur für Humbug und rauchen deshalb weiter, haben wir streng genommen zwar recht, gucken aber am Ende trotzdem doof aus der Wäsche – und dem Raucherzimmer.

      Es kann aber auch andersherum dumm laufen: Wir können an Esoterik glauben und dadurch das Richtige unterlassen! Zum Beispiel indem wir uns mit geheimnisvollen Amuletten, Gebeten oder Heilsteindrinks gegen Krebs »schützen« – und weiterrauchen. Hier soll dann ein irrationaler Glaube ausbügeln, was nicht auszubügeln ist. Mit der gleichen Logik könnten wir mit geschlossenen Augen über die Autobahn brettern und uns dafür die Straße ganz dolle vorstellen. Oder eben beim Spiel unserer Mannschaft auf die Toilette gehen. Logisch: Hier hilft der Placebo-Effekt nun nicht mehr. Klar auch, warum: Es besteht eben keine Kausalität. So gerne wir eine hätten …

      Was aber bedeutet das alles?

      Erstens: Wir kreieren unsere Welt tatsächlich selbst. Und das ist erst mal gut so! Denn unsere eigenen Suggestionen, Manipulationen und unser Optimismus vermögen Großartiges zu leisten! Wir dopen uns sozusagen selbst und versorgen uns mit der Energie, die wir für unser Leben brauchen.

      ZWEITENS: Wir sollten dabei aber dennoch von unserer Intelligenz Gebrauch machen und immer wieder kritisch Kausalitäten checken. Denn wir können so von uns aus häufig das Richtige tun, ohne uns dafür erst sperrigen Ideologien unterwerfen zu müssen. Wir können sozial handeln, ohne es erst mit der Bibel herleiten zu müssen. Wir können gesund werden, ohne Geld für nutzloses Zeug zu bezahlen. Und wir können uns zum Fußballgucken wieder gemütlich vor den Fernseher setzen, ohne Gedankengedöns auf dem Klo.

      DRITTENS: Wenn wir ohne Ideologie dennoch das Richtige tun können, sollten wir nicht zögern, es zu tun. Wir brauchen keine Ideologie zum Handeln. Denn: Wir – siehe Erstens – kreieren unsere Welt selbst. Und wenn wir vernünftige Kausalitäten erkennen, sollten wir sie ideologiefrei und pragmatisch annehmen. Es sind letztlich unsere Handlungen, die zählen – nicht unser Glaube. Und genau daran können wir glauben – ganz ohne dass uns irgendeine Esoterik-Ideologie Knoten ins Hirn macht. Und dadurch, dass wir an unsere eigene Wirksamkeit glauben, versorgen wir uns selbst mit Opium-Doping – und können einfach tun, was zu tun ist.

      VIERTENS:

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