Scheiß auf perfekt!. Stefan Dederichs

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Scheiß auf perfekt! - Stefan Dederichs Dein Leben

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»Sowohl der psychologische Faktor ›Neurotizismus‹ als auch die ›Gewissenhaftigkeit‹, die beide mit dem Perfektionismus zusammenhängen, sind zu etwa 50 Prozent genetisch determiniert. So kann eine gewisse Neigung zum Perfektionismus angeboren sein. Eine Zwillingsstudie von Federica Tozzi von 2004 stellte einen moderaten genetischen Effekt heraus. Zweitens wird Perfektionismus durch Umwelteinflüsse, also in erster Linie durch die Erziehung und die Peers, beeinflusst. So kann er durch ein Verhalten der Eltern, das zum einen hohe Standards setzt und zum anderen zu wenig Wärme und Akzeptanz schenkt, verstärkt werden. Auf der dritten Ebene ist perfektionistisches Verhalten auch ein angstvolles Vermeiden, gegen oder für das man sich entscheiden kann.« (http://eis-coaching.com/mindset-alles-eine-frage-der-einstellung/perfektionismus)

      Nun bin ich kein Wissenschaftler. Aber ich verstehe, dass der Hang zum Perfektionismus zum Teil in uns angelegt sein kann, wir ihn aber auch beeinflussen können. Wir sind ihm also nicht vollends ausgeliefert. Natürlich werden wir in der Kindheit sehr geprägt, hier liegen Ursachen für unser Verhalten in Bezug auf Perfektion. Da diese Prägungen jedoch nicht in den Genen verankert sind, kannst du sie beeinflussen und verändern. Das ist zwar schwierig, aber durchaus möglich. Vielleicht gelingt es dir durch die nachfolgenden Ausführungen, in deine Vergangenheit zu schauen und die Ursachen für dein Verhalten zu erkennen. Sobald dir die Ursachen bewusster sind und du einschätzen kannst, warum du dich in bestimmten Situationen so verhältst, wie du dich verhältst, kannst du Veränderungen anstreben. Jede Veränderung ist ein Prozess, der nur in Gang kommt, wenn du auf der einen Seite die Ursachen für ein Verhalten kennst und auf der anderen Seite einen Grund hast, eine Veränderung anzustreben.

       Der Einfluss der Eltern

      Wir adaptieren das Verhalten unserer Eltern und des näheren Umfeldes. Das entdeckte der kanadische Psychologe Albert Bandura bereits im Jahr 1965 bei Experimenten mit Kindern. Er fand dabei heraus, dass diese nicht nur durch die Konsequenzen ihres eigenen Verhaltens lernen, sondern vor allem durch die Beobachtung und Nachahmung der Eltern. Darum dürfen wir vermuten, dass wir auch in Bezug auf Perfektionismus von unseren Eltern geprägt werden und oft deren Präferenzen übernehmen. Wenn ich mir mein Umfeld und das meiner Eltern ansehe, kann ich dies definitiv bestätigen. Meine Freunde und Bekannten zeigen oft gut erkennbar ähnliches Verhalten wie ihre Eltern. Natürlich nicht immer, jedoch auffallend häufig.

      Hinzu kommt eine weitere Beobachtung: Wenn Kinder körperliche oder seelische Misshandlungen durch Eltern erfahren haben, dann kann es bereits aus dem Grunde zu einer verstärkten Neigung zur neurotischen Perfektion kommen, auch wenn die Eltern nicht besonders perfektionistisch veranlagt sind. Die in diesem Fall beim Kind entstehenden übermäßig perfekten Verhaltenszüge entstehen nicht durch Adaption, sondern dienen der Vermeidung negativer Konsequenzen. Um körperliche oder seelische Misshandlungen zu vermeiden, wird versucht, möglichst keine Fehler zu machen. In dem Fall sorgt eine negative Erfahrung für die Stärkung des neurotischen Perfektionismus.

      Das Verhalten der Eltern ist also wesentlicher Bestandteil unseres eigenen Verhaltens im Umgang mit Perfektion. Es sind jedoch vor allem Prägungen, die wir im Laufe unseres Lebens korrigieren und verändern können.

       »Das Unperfekte macht die perfekte Schönheit.«

      Lothar Hüther (*1965), Schlosser, Konstrukteur, Betriebsrat

       Der Einfluss der Gesellschaft und äußerer Umstände

      Eine weitere nicht zu unterschätzende Ursache für übermäßigen Perfektionismus liegt in unserer Gesellschaft begründet. Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen die Gemeinschaft und ein Gefühl, das Zugehörigkeitsgefühl. Unser Handeln wird geprägt durch den Wunsch nach Freundschaft, Zuwendung, Geborgenheit und Liebe. Die Angst, ausgeschlossen zu werden, Zurückweisung zu erfahren und nicht anerkannt zu werden, fördert das Streben nach Perfektionismus. Wir trachten danach, alles gut und richtig zu machen, um eine möglichst hohe Anerkennung zu erfahren. Wenn dann mit einer Leistung das gewünschte Ergebnis nicht erzielt wird, fühlen wir uns schnell als Versager. Wir haben Angst, nicht anerkannt zu werden, und versuchen, dieses Gefühl zu vermeiden. »Was könnte die Umwelt wohl über mich denken?«, so die bange Frage, die wir uns dann stellen. Bis zu einem gewissen Grad ist dieses Verhalten auch nicht verwerflich, denn es motiviert zuweilen, uns noch mehr anzustrengen. Auf der anderen Seite gilt:

      !

       Das übermäßige Streben nach Perfektion führt selten zu mehr Glück.

      Ich musste diese Erfahrung bereits in meiner Jugend machen. Zu meiner Zeit spielten wir Jugendlichen regelmäßig auf dem Dorfplatz Fußball. Mindestens einmal pro Woche trafen wir uns, um auf Tore zu spielen, die wir uns selbst zusammengebastelt haben. Zu Beginn wurden die Mannschaften gebildet. Zwei Personen beginnen nacheinander, Jugendliche für ihr Team auszuwählen. Erst der eine, dann der andere. Ich gebe zu, ich gehörte nicht gerade zu den brillantesten Fußballern, ich hatte zwei linke Füße, und darum blieb ich immer (fast) bis zum Schluss stehen, weil mich niemand in seinem Team haben wollte. Der Ball tat in den wenigsten Fällen das, was ich wollte. Wie du dir sicher vorstellen kannst, war es kein prickelndes Gefühl, immer als einer der Letzten übrigzubleiben, es förderte nicht gerade mein Selbstwertgefühl. Da so gut wie alle Jugendlichen in dieser Zeit im Fußballverein spielten, fügte ich mich dem Gruppenzwang und meldete mich ebenfalls an. Meine Position war – na ja, ich wurde Ersatzspieler. Der Trainer war wohl der Meinung, dass ich auf dieser Position am besten aufgehoben wäre. Eines Tages aber fiel unser Torwart aus. Als Ersatzspieler sollte ich diese Position einnehmen. Und ich war echt gut. Ich konnte mit der ein oder anderen Parade derart überzeugen, dass mich der Trainer in der nächsten Zeit ins Torwarttraining integrierte. Ich übte jede freie Minute. Ich verbesserte mich stetig, sodass ich sogar den Stammtorwart schnell von seiner Position verdrängen konnte. Ich wurde zur Kreisauswahl angemeldet und avancierte zum besten Torwart in unserem Kreis. An einem Wochenende wurde ich in einem Turnier zum besten Torwart ausgezeichnet. Aber seltsam, zufrieden mit mir war ich trotzdem nicht. Natürlich war es ein tolles Gefühl, eine solche Auszeichnung zu bekommen, aber ein richtiges Glücksgefühl stellte sich bei mir nicht ein. Ich dachte immer noch, ich sei nicht gut genug, ich müsse besser sein. Trotz meiner Erfolge quälten mich erhebliche Versagensängste. Ich konnte meine Erfolge nicht wirklich annehmen. Ich galt zwar als der beste Torwart des Kreises, war jedoch trotzdem nicht wirklich glücklich.

      Ich erkläre mir mein Verhalten so, dass ich mir aufgrund meiner Erfahrungen als Ersatzspieler nicht vorstellen konnte, wegen meiner Leistungen akzeptiert zu werden. »Das kann doch eigentlich gar nicht sein, dass die Kollegen der Meinung sind, ich sei ein guter Keeper. Ich muss also noch bessere Leistungen zeigen!« So hat sich bei mir, zumindest als Fußballer, nach und nach eine perfektionistische Haltung aufgebaut, die mir zum Teil im Weg stand, aber auf jeden Fall dazu geführt hat, dass ich mich nie so richtig zugehörig gefühlt habe und als Torwart nie wahrhaftige Glücksgefühle entfalten konnte.

      Das heißt: Bei mir hat letztendlich die Gesellschaft – in diesem Fall die Gruppe meiner Fußballkameraden und des entsprechenden sportlichen Umfeldes – dazu beigetragen, dass sich perfektionistische Züge entwickeln konnten, und zwar mit dem Ziel, Anerkennung zu erhalten und mich einer Gruppe zugehörig fühlen zu können. Dazu möchte ich dir weiter unten weitere Beispiele geben.

      Angetrieben durch Fernsehsendungen wie Let’s dance und vergleichbare Sendungen reicht das einfache Tanzen heutzutage oft nicht mehr aus, um andere Menschen zu überzeugen. Um in der Gesellschaft angesehen zu werden, musst du einen perfekten Tanz aufs Parkett legen. Der Spaß und die Freude am Tanzen rücken in den Hintergrund, der Leistungsdruck nimmt zu. Beim Sport reichen der Spaß und der Unterhaltungswert ebenfalls nicht mehr aus;

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