Scheiß auf perfekt!. Stefan Dederichs

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Scheiß auf perfekt! - Stefan Dederichs Dein Leben

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Zeit niemals spielen können. Mein Anspruch an diese nicht erreichbare Perfektion war so hoch (und die Aussage meiner Musiklehrerin klang so nachhaltig in meinen Ohren), dass ich vor dem möglichen Gitarre-Start schon verzagte. Heute weiß ich: Ich hätte nur mich selbst, meine Ansprüche und Erwartungen an mich selbst als Vergleichsmaßstab heranziehen dürfen. Ich hätte mich nur mit meiner eigenen Leistung vergleichen dürfen. Einfach jeden Tag ein wenig besser werden – das wäre der richtige Weg gewesen, der direkt ein besseres Gefühl in mir verursacht hätte. Hätte ich mit einem Instrument begonnen und dann meine Fortschritte nur mit meinem eigenen Können verglichen, hätte ich gleich richtige Glücksmomente erlebt.

      Der Wille zu wachsen und sich immer weiter zu verbessern ist im privaten und im beruflichen Bereich sehr wichtig; dazu ist in den meisten Fällen eine übermäßige Perfektion jedoch nicht erforderlich. Mit 45 Jahren habe ich mich endlich durchgerungen, nicht mit dem Gitarre-, aber mit dem Saxofonspielen zu beginnen. Natürlich ist mir bewusst, dass ich kein Superstar mehr werden kann. Ich weiß auch, dass ich nie perfekt spielen werde. Heute sage ich: Na und? Es macht mir eine Riesenfreude – und das ist es, um das es geht! Mittlerweile spiele ich zumindest so gut, dass ich vor Freunden das ein oder andere Lied vortragen kann. Und das mit ein wenig Stolz. Ich habe sogar schon vor einem kleinen Publikum auf der Bühne gespielt. Wow, welch ein Gefühl. Ja, ich habe den Takt nicht immer getroffen, habe mich auch mal leicht verspielt. Hat es jemand bemerkt? Nein. Die Zuhörer waren begeistert und es hat ihnen gefallen. Hätte ich gewartet, bis ich perfekt spielen kann, dann würde ich noch heute hinter der Bühne hocken. Mein Lehrer spielt wirklich perfekt, er spielt alles rauf und runter, mit einem Hammersound, er improvisiert und hört jede falsche Note. Hätte ich meine Leistung mit seiner verglichen, hätte ich sicher längst wieder aufgegeben. Meine einzige Chance war und ist es, mich nur mit mir selbst zu vergleichen. Jede Woche meinen eigenen Fortschritt zu bestaunen und mich an der persönlichen Entwicklung zu erfreuen.

      !

      Der Einzige, mit dem du deine Entwicklung vergleichen solltest, ist niemand anderes als du selbst, dein Ich von gestern. Von gestern auf heute zu morgen entwickelst du dich zu dem »Ich«, das du sein willst.

      Ich musste noch etwas anderes feststellen: Meine Qualitäten liegen ganz woanders. Es entspricht gar nicht meiner Persönlichkeit, Dinge immer zu 100 Prozent richtig machen zu wollen. Ich hatte mir dies aufgrund meines mangelnden Selbstvertrauens nur eingeredet, ich dachte, ich müsste immer in allem perfekt sein. In Wahrheit liegt meine Stärke darin, Dinge auf den Weg zu bringen, etwas zu starten und schnell umzusetzen. Ich bin ein Sprinter, der seine PS schnell auf die Straße bringen kann. Ja, natürlich mit guter Qualität, jedoch ohne 95 Prozent der Zeit mit 5 Prozent der letzten Strecke zu verbringen, um perfekt durchs Ziel zu laufen. In vielen Fällen passiert nämlich genau dies: Wir verbringen mehr Zeit damit, Perfektion zu erreichen, als mit hervorragender Qualität Dinge voranzubringen.

      Bitte versteh mich nicht falsch, es gibt Situationen, Berufe, Produkte, da geht es um Perfektion. Wenn sich zum Beispiel ein Star-Koch einen Stern erkochen will, dann kommt es genau auf jene letzten 5 Prozent an, da ist Perfektion mehr als gefragt. Er muss die Zeit investieren, die es braucht, um alles perfekt hinzubekommen, ansonsten hat er keine Chance auf den Stern. Wenn ich jedoch einen Lkw mit Hilfsgütern für unsere Hilfsorganisation belade, dann reicht es aus, wenn die Ware ordentlich gestapelt und gesichert ist, da ist keine Perfektion gefragt. Wir hatten einmal einen Helfer, für den wir mehr als dankbar waren, der es mit der Beladung jedoch so genau genommen hat, dass wir im Durchschnitt anstelle von vier Stunden fast acht Stunden benötigt haben. Jedes Teil hat er genau unter die Lupe genommen und geprüft, wie es wohl am besten zu stapeln und zu sichern sei. Das war eine enorme Belastung für die anderen Helfer. Immerhin investierte jeder von uns ehrenamtlich Zeit für das Projekt, und jede Stunde, die wir früher in der verdienten Freizeit verbringen durften, war uns herzlich willkommen. Ja, okay, vielleicht konnten drei Matratzen mehr beladen werden, oder es kam ein Stuhl weniger mit leichten Schrammen am Zielort an. Dies stand jedoch in keinem Verhältnis zum benötigten Mehraufwand.

      Genau solche Situationen erlebe ich immer und immer wieder. Viele Menschen verstricken sich in ihrem Perfektionsdrang und schaffen es nicht, die Situation richtig einzuschätzen, sowohl im Beruf als auch im privaten Leben. Sie starten Projekte erst gar nicht oder verpassen den richtigen Markteintritt, weil sie glauben, den angemessenen Perfektionsgrad noch nicht erreicht zu haben. Das Streben nach Perfektion wird damit regelrecht zur Blockade, zum Verhinderer und zum Verhängnis. Was notwendig ist, ist der Mut zur Lücke, der Mut, auch einmal fünf gerade sein zu lassen und lieber unperfekt zu starten und voranzukommen, als perfekt zu warten und zu scheitern:

      !

      Scheiß auf perfekt, hab den Mut zur pragmatischen Lücke!

      Es ist nicht mein Anspruch, dir hier Lösungen zu bieten oder dich mit Ratschlägen zu einem »anderen Ich zu erziehen« – denn das kann man gar nicht. Jeder Mensch hat sein Recht auf seine eigene Denkweise, seine eigene Art und seine eigene Meinung. Mein Anspruch ist es, dir Impulse zu liefern, die es dir ermöglichen, deine Sichtweise zu überdenken, zu optimieren und andere Blickwinkel zuzulassen. Vor allem dann, wenn dich deine »alte« Sichtweise bisher nicht so weit gebracht hat, wie du es dir gewünscht hast. Dann habe ich hier ein paar Impulse für dich, dein Leben und deine Handlungen auch einmal von einer anderen Seite zu betrachten. Ich habe auch nicht den Anspruch, alle Aussagen hier umfangreich wissenschaftlich darzulegen (obwohl ich natürlich alle Quellen und die weiterführende Literatur nach bestem Wissen und Gewissen aufliste und vorstelle), meine Beispiele sind aus dem echten Leben, tatsächliche Erfahrungen von mir oder Menschen aus meinem näheren Umfeld. Du erfährst sehr viel über mich persönlich und meine Lebensweise, und diese Erfahrungen können dir, wenn du magst, bei deiner Entwicklung und deinem Wachstum behilflich sein.

      Du entscheidest über Erfolg und Misserfolg und darüber, ob du glücklich bist oder unglücklich. Denn du allein bist für dein Leben verantwortlich, du ganz allein, niemand anders, und auch nicht die Umstände. Du entscheidest darüber, was am Ende deines Lebens auf deinem Grabstein stehen soll, was die Menschen über dich sagen werden. Unser Leben hat nur eine begrenzte Dauer, du hast die freie Wahl, wie du es gestaltest, sei nur ehrlich zu dir selbst und sei dir bewusst darüber, wie du lebst und wer du bist. Nimm dein Leben wahr, halt dir einen Spiegel vor und erkenne dich. Es ist nicht meine Absicht, mich in dein Leben einzumischen, dir zu sagen, was richtig und was falsch ist. Es ist jedoch durchaus meine Absicht, dich zu verunsichern, dich zum Denken anzuregen, dich dazu zu bewegen, dein Leben und deine Handlungen zu überprüfen. Es wird Aussagen von mir geben, denen du nicht zustimmst, und es wird Aussagen geben, über die du nachdenken wirst, und es wird Aussagen geben, denen du absolut zustimmen wirst. Alles liegt jeweils im Auge des Betrachters, denn jeder Mensch ist anders und hat seine eigene Sichtweise, seine eigenen Erfahrungen und seine eigene Lebenseinstellung – und genau das macht uns Menschen aus. Das Schöne an uns Menschen ist doch, dass wir ein Leben lang lernen können, dass wir uns das ganze Leben lang entwickeln und verändern können. Ob wir dies tun und inwieweit wir das tun, liegt wiederum allein bei uns. Es ist jedoch nie zu spät, Veränderungen zuzulassen. Genau das finde ich so spannend, diese Unterschiedlichkeit zwischen uns Menschen. Keiner ist wie der andere, und genau das sollten wir akzeptieren.

      Schauen wir uns doch einmal an, wie sich Perfektionismus auf unser Leben auswirkt. Welche Risiken und welche Chancen sich daraus ergeben können. Bei meinen Recherchen zu diesem Buch ist mir aufgefallen, dass Bücher, die über Perfektionismus handeln, diesen in der Regel sehr negativ darstellen. Und ja, der krankhafte Perfektionismus bringt sicherlich eine ganze Menge negativer Eigenschaften mit sich. Jedoch hat Perfektionismus auch positive Seiten. Ich möchte allerdings nicht nur dessen extreme Seiten und Aspekte betrachten, sondern das große breite Spektrum, das ihn ausmacht. Meine Aussage ist, dass Perfektionismus weder gut noch schlecht ist. Es kommt auf die Situation und die Zielsetzung an. Oft wird der Perfektionismus jedoch zur Fessel, und in vielen Lebensbereichen kann es sinnvoll sein, diese zu lösen.

      Wer schon einmal ein Buch von mir gelesen hat, der weiß bereits, dass ich ausschließlich in der »Du«-Form

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